Predigt am 26. April 2009 in der Kirche Meilen - Pfr. Mathias Rissi
Auferstehung – Sein oder Nichtsein!
1. Kor 15,12-22;29-32
Liebe Gemeinde
Ich weiß von einer Gemeinde in den USA, die sich "First Corinthians" nennt. Sie nennt sich nach der biblischen Gemeinde, die uns vom ersten Korintherbrief her bekannt ist. Ob ich dort Mitglied oder Pfarrer sein möchte, weiß ich nicht. Denn die Korinther haben Paulus viel Sorgen bereitet mit ihrer Streitlust und ihren seltsamen Ideen. Und Paulus mußte sie ermahnen, sich nicht wegen nebensächlichen und zweifelhaften Dingen zu entzweien. Gerade die Vielfalt sollte in Liebe verbunden, der Reichtum der Gemeinde sein. Aber gewiß verbindet uns in Meilen auch das eine oder andere mit den Korinthern. Sie stritten darüber, ob Christen mit nicht christlichen Partnern eine Ehe führen könnten, wie man einen Rechtshandel unter Christen austragen soll oder über Sexualität und Enthaltsamkeit. Da hat Paulus sie beraten. Es gibt Fragen, bei denen man in guten Treuen verschiedener Ansicht sein kann.
Hier im fünfzehnten Kapitel geht es Paulus jedoch um einen
Punkt, der höchstens Nuancen, aber keine eigentlichen Differenzen duldet. Es
geht um Sein oder Nichtsein der Gemeinde. Es geht um die Frage der Auferstehung.
Es ist schon interessant, daß die Korinther auch in dieser Grundfrage uneins
waren. Da gab es Mitglieder, welche die Auferstehung leugneten, zumindest in der
Art, die Paulus ihnen gelehrt hatte. Sie sprachen sehr wohl auch von
Auferstehung, verstanden das aber eher symbolisch: Sie gingen davon aus, daß in
ihrem Glauben, ihrer Taufe das neue, ewige Leben bereits voll und nicht nur
ansatzweise begonnen habe. Sie gingen davon aus, daß durch das Kreuz schon jetzt
alles faktisch Christus unterworfen sei und daß sie als Christen bereits jetzt
dem Tod entrissen seien. Auferstehung war für sie also etwas Spirituelles,
Geistiges in diesem Leben, eine Lebensphilosophie. Sie lebten zwar in dieser
Welt, fühlten sich aber nicht mehr als Teil davon. Darum waren einige der
Meinung, daß sie tun und lassen könnten, was sie wollten: Sie fühlten sich nicht
mehr unter dem Diktat von Sünde und Tod.
Wir wissen, daß diese Sicht bei vielen Gläubigen damals zu einem ausschweifenden
Lebensstil geführt hat. Das ist falsch gelebte christliche Freiheit. Nicht
zufällig mahnt Paulus im letzten Vers des Predigttextes:
Täuscht euch nicht: Schlechter Umgang
verdirbt gute Sitten.
Paulus stellt sich dem mit dem gesamten Gewicht seiner
Autorität und mit seiner ganzen Argumentationskraft entgegen.
Die Auferstehung ist Ursprung, Kern und Fundament des Glaubens! Hierin kann es
keine Vielfalt, hier kann es nur Einheit geben.
Er holt die Korinther auf den Boden der Realität zurück: Sie, die enthusiastisch
mit ihrer Spiritualität abgehoben haben und meinen, sie hätten alle
Schwierigkeiten des Lebens schon überwunden. Sie, die meinen, sie hätten das
ewige Leben sowieso in der Hand.
Ist die Auferstehung denn so wichtig? möchten wir Paulus
fragen.
Man kann sie doch nicht beschreiben – die Bibel verzichtet auch darauf.
Man kann sie doch nicht beweisen – man kann sie nur glauben!
Wieso soll es da Einigkeit geben?
Paulus legt den Korinthern und uns deutlich dar: die
Auferstehung Christi ist der Angelpunkt des christlichen Glaubens. Die
Auferstehung Christi und die Auferstehung der Toten sind aufs Engste verbunden.
Der Glaube an die Auferstehung der Toten ist nicht ein Detail christlichen
Glaubens. Sie ist das Zentrum. Damit steht und fällt der christliche Glaube.
Auferstehung der Toten, Leben aus dem Tod - das ist das, worauf alles ankommt.
Eben das gibt uns die Kraft zum Widerstand gegen den Tod, wo immer und in
welcher Gestalt wir ihn antreffen - trotz des Sterbenmüssens.
Paulus redet hart. Er argumentiert mit der Voraussetzung seiner Gegner und führt
ihren Gedanken unerbittlich weiter:
Wenn Tote nämlich nicht auferweckt
werden, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht
auferweckt worden, dann ist euer Glaube nichtig, dann seid ihr noch in euren
Sünden, also sind auch die in Christus Entschlafenen verloren. Wenn wir allein
für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, dann sind wir
erbärmlicher dran als alle anderen Menschen.
Warum? – Er weiß wovon er spricht: Wenn ihr die
Auferstehung nicht bekennt, dann glaubt ihr an den Tod! Und euer Leben ist
darauf ausgerichtet, dem Tod zu entrinnen. Der Tod bestimmt euer Denken! Ihr
kämpft gegen ihn und trotzt dem Leben Lustgewinn ab. Das Leben ist dann eine
einzige Jagd nach dem Glück. Aber was ist das für eine Jagd? Chancenlos! Paulus
kennt das von früher: wie hat er sich nach allen seinen Kräften für ein
perfektes Leben abgemüht, um sich die Anerkennung Gottes zu verdienen. Mich
erinnert das an einen Käfer, den ich in einer gläsernen Schüssel »kämpfen« sah.
Am Boden der Schüssel rappelte er sich auf und versuchte, über den Rand zu
gelangen. Fast am Ziel rutschte er immer wieder zurück. Ganz ähnlich Paulus, der
feststellt: Ihr Korinther kommt nicht über den Rand eurer eigenen Möglichkeiten
heraus. Wenn ihr die Auferstehung nicht glaubt, verfallt ihr dem »Gesetz« und
dem Tod.
Es geht um die alte Frage, die Karl Barth und in der Folge Dietrich Bonhoeffer
mit der Alternative »Religion oder Glauben« beschrieben haben. Mit Religion
meinten sie das religiöse Bemühen, das Menschen in allen Kulturen und Religionen
kennen. Gewiß läßt sich hier sagen, daß die christliche Religion heraussticht
mit der Bergpredigt, wo Jesus die Feindesliebe fordert. Wo gibt es sonst so
etwas. – Aber eben: Das ist Religion, menschliches Bemühen, das offen und
ehrlich gesagt genau weiß: Das schafft kein Mensch. Damit werden wir dem Tod
nicht entrinnen. Dagegen verstehen wir unter Glauben, was Abraham und Sara, was
David und auch Paulus erfahren haben: Daß Gott die Menschen um ihrer selbst
willen liebt und von sich aus Gnade und Leben schenkt.
Darum hält Paulus dem religiösen Bemühen entgegen: Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden! Damit hat er einen Anfang gemacht, der für alle Toten gilt. Und weil wir nicht allein in diesem Leben auf Christus hoffen, können wir in diesem Leben hoffnungsvolle und lebensbejahende Menschen sein.
An dieser Stelle müssen wir einen Zwischenhalt einschalten: Es ist ja nicht so, daß wir einfach wählen können, ob wir die Auferstehung glauben, es ist immer ein unverfügbares Geheimnis und Geschenk, daß wir vertrauen können. Paulus kann uns also nicht den Glauben aufzwingen wollen. Eins jedoch tut er: er empfiehlt uns offen zu sein und zu suchen.
Für Paulus ist es klar: Wenn ich die menschlichen Möglichkeiten sehe und sie mit Gottes Möglichkeiten vergleiche – da zögere ich keinen Moment, wem ich den Vorzug gebe: der Religion oder dem Glauben.
Ist die Auferstehung denn so wichtig? haben wir vorhin
gefragt.
Man kann sie nicht beschreiben – die Bibel verzichtet auch darauf.
Man kann sie nicht beweisen – man kann sie nur glauben!
Aber wer darauf vertraut, dem verändert sie das Leben
Wir vermögen viel zu erreichen – aber wir sind nicht stark genug, nur aus uns zu
leben. Wir blieben im finstern Tal, von dem der 23. Psalm spricht, stecken. Mit
der Auferstehung leuchtet Christus in unser Leben hinein, er sprengt den Rahmen
des finsteren Tales und führt zum Leben! Christus ist die Auferstehung und das
Leben.
Die Auferstehung unverschämt zu glauben, lädt uns daher Paulus ein. Ich kenne
viele Menschen, die genau so nicht auf den Auferstehungsglauben verzichten
können und wollen, weil er ihnen soviel Zuversicht, Liebe und Gelassenheit für
ihren Alltag mit seinen Herausforderungen gibt. Ich behaupte, sie haben etwas in
ihrem Wesen, in ihren Augen, das andere nicht haben.
Lassen Sie mich das mit einem Bild erklären:
Zwei Männer gehen auf einem Trottoir. Vor ihnen geht eine Frau. Da sagt der eine
zum Andern: »Vor uns geht eine hübsche Frau.« Der andere meint: »Das kannst du
gar nicht sehen, Du siehst sie ja nur von hinten. Vielleicht hat sie gar kein
hübsches Gesicht.« Darauf der erste: »Doch, doch, ich bin sicher.« Der andere
fragt: »Woher willst Du das wissen?«. Da antwortet der eine: »Schau doch in die
Gesichter der Männer, die uns entgegenkommen!«
Wer die Auferstehung glaubt, dem verändert sie nicht nur den Gesichtsausdruck,
sondern das Leben.
Amen
Pfr. Mathias Rissi
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