Ein Brief von Christus
Predigt zur Konfirmation
Niederweningen, 23. Juni 2013
Pfr. Mathias Rissi
Unser Brief seid ihr, geschrieben in unsere Herzen,
verständlich und lesbar für alle Menschen.
Ihr seid erkennbar als ein Brief Christi, von uns verfaßt, geschrieben nicht mit
Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes.
2. Korintherbrief 3,2f
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Geschwister, Verwandte und Freunde, liebe Gemeinde
Facebook und der Gefällt-mir-Button sind ein christliches
Programm. Für uns einzelne und für uns als Gemeinschaft in der Kirche – aber
davon später.
Denn ich kann mir aber gut vorstellen, daß sie das noch nie so betrachtet haben.
Kein Wunder. Die social media haben viele Familien mit andern Aspekten
beschäftigt. So war etwa in den Medien zu lesen, daß viele Jugendliche ein
Verhältnis zu ihrem Handy hätten, wie Süchtige zu ihrer Droge. Das haben wir ja
auch im Konf bemerkt, wenn ab und zu ein Handy einen Mucks von sich gab oder
jemand einmal »verborgen« in die Hand hinunterschielte…
Die Klasse hat gesagt, was sie an Facebook schätzt: Man kann einfach mit andern
in Kontakt treten und bleiben. Man ist nicht Face to Face, sondern etwas anonym
und kann auch etwas »fadegrad« sagen, was man nicht direkt dem andern ins
Gesicht sagen würde. Überdies kann man sich mit Photoshop-bearbeiteten Fotos von
der besten Seite zeigen – oder im übleren Falle, dem Gegenüber gar etwas
vorflunkern.
Zu Paulus Zeiten gab's noch kein Whatsapp oder Facebook,
wohl aber Briefe!
Die ersten Schriften im Neuen Testament, die ältesten Zeugnisse von Christus,
sind nicht etwa die Evangelien, sondern die Paulusbriefe, die fast drei
Jahrzehnte davor entstanden sind. Paulus schrieb sie an die Gemeinden, die er
auf seinen Reisen durch Kleinasien und Griechenland gegründet hatte.
Die Korinther, sagt Paulus, sind ein Brief. Aber anders als beim Chatten, wo
auch mal über das Alter geflunkert wird - ist Paulus überzeugt: Die Korinther
sind mein Empfehlungsschreiben. Ich brauche keine Arbeitszeugnisse. Man kennt
euch. Das genügt, um über mich etwas zu erfahren.
Wagen wir es einmal, diese Aussage umzusetzen auf Euch Konfirmanden: Kann man
das von euch auch sagen: Ihr seid ein Brief?
Wenn ich einen Brief in meine Hand nehme und anschaue: die Darstellung, die
Handschrift, der Stil, das verrät viel über den Schreiber. Genau so ist es auch
bei den Menschen: Wer Euch sieht und erlebt, erfährt viel über Euch, wer Ihr
seid und woher Ihr kommt. Ihr tragt die »Handschrift« Eures Elternhauses: Die
Sprache, wie ihr ein Problem anpackt, Eure Talente und Neigungen, das Verhalten
und die kulturelle Prägung.
Ihr seid ein Brief von Euren Eltern. Sie haben ihn geschrieben mit Freude und
Stolz. Ihr seid ein Empfehlungsbrief für sie. Darum ist heute ein Freudentag.
Aber wahrscheinlich haben sie ab und zu auch unter Tränen geschrieben, das
gehört eben dazu. Wegen dieses Engagements ist ihnen dieser Brief auch so
lieb.
Mehr als von allem andern spricht Paulus von Gottes Handschrift im Leben der
Korinther – in Eurem und in unserm Leben!
Ganz so weit wie Paulus traue ich mich nicht zu gehen und zu sagen: Ihr seid
mein Brief – aber ich hoffe, daß das Konfjahr Spuren in euch hinterlassen hat.
Daß es Euch geholfen hat, Euer Gottvertrauen in Beziehung zum christlichen
Glauben zu setzten und die Beziehung mit Gott persönlich zu gestalten. Mir sind
unsere vielen Gespräche im Hausbootlager und in den wöchentlichen Stunden in
guter Erinnerung.
Paulus geht aber noch einen wichtigen Schritt weiter, wenn
er sagt: so verschieden Ihr seid, Ihr seid ein Brief, unverwechselbar und
herrlich, - ein Brief Christi! Wer Euch begegnet, erkennt, daß ihr von Jesus
kommt. Ihr seid ein lebendiger Hinweis auf ihn.
Aber – sind wir das wirklich und wollen wir das sein? Vielleicht haben manche
von den heutigen Gottesdienstteilnehmern verwundert gehört, daß es für viele von
Euch klar ist, daß Ihr für Gott gerne den »Gefällt mir«- Knopf drückt.
Aber nicht fanatisch: so überzeugende und fanatische Christen sind wir
Reformierte eher weniger.
Auch die Korinther werden sich gewundert haben, denn ich kann mir kaum
schlechtere Christen vorstellen, als die Korinther. Korinth war damals bekannt
als eine gräßliche Stadt. Alle Laster und Gemeinheiten gab es da. So warf Paulus
den Christen dort Streitereien, Prozessierwut und Krach in der Gemeinde vor. Sie
hätten Unrecht geduldet, sich nicht um die sozial Schwachen gekümmert, führten
ein sexuell ausschweifendes Leben...sind sie nicht viel schlimmer als
Niederweninger? Das sollen Briefe Gottes sein! und erst noch Empfehlungsbriefe!
Gott mutet und uns viel zu: Zwiespältige Menschen zeugen
von Gott - oft kann man so wenig davon sehen. Es könnte sein, daß man auf ein
Wasserzeichen schauen muß, das bei wichtigen Briefen manchmal das Papier
kennzeichnet. Das Wasserzeichen wäre dann z.B. die Taufe. In ihr sagt Gott, daß
er sich selber und all seinen Segen mit unserem Leben verbindet, daß wir unser
Leben von Gott her und auf ihn hin gestalten können. Daß wir ihm heilig sind.
Wenn aber ein Brief von Jesus kommt, muß man ihm dann nicht auch etwas von Jesus
anmerken: Güte, Freundlichkeit, Liebe, Versöhnung, Wahrheit...?
Aber auch getaufte Menschen machen Fehler, haben eine 3 im Französisch oder
verletzen andere. Sie erfahren sich Spannungen, Sorgen und Leiden ausgesetzt.
Es gibt anscheinend kein garantiert erfolgreiches Leben, auch nicht bei Gott. -
So komme ich drauf, daß dieses Wasserzeichen klar mit Jesus zu tun hat. Er hat
die Fülle des Lebens gelebt, aber auch die bitterste Verzweiflung und Schmerzen
am Kreuz erlitten. Das also widerspiegeln Briefe von Christus. Und gleichzeitig
die ganze Hoffnung: Die Herrlichkeit Gottes schimmert durch! Denn Christus ist
der vom Tod Auferstandene. Der Glanz der von uns ausgeht, rührt von Christus
her! So können sogar Korinther und Schneisinger, Schleiniker und Niederweninger
Empfehlungsbriefe Gottes sein.
Unsere Zeit ist in dieser Hinsicht sehr verwandt mit
damals: Eine schillernde und verwirrende Vielfalt von Lebensphilosophien und
Religionen war auch damals anzutreffen.
Warum hat ausgerechnet das Evangelium damals im Sturm, die antike Welt gepackt?
Ich bin überzeugt, daß es eben gerade an dem einen Punkt liegt, den der Apostel
so glasklar in die Mitte stellt. Er weiß etwas, das die andern monotheistischen
Religionen nicht kennen, etwas, das die Hindus und Buddhisten nicht im
Geringsten zu träumen wagen: Gott, der auf seine ganze Macht und Herrlichkeit
verzichte, weil er die Menschen liebt. Gott der in Christus unerklärlich unser
Bruder geworden ist, verletzlich, sterblich. Und wir seine Brüder und
Schwestern! Christus der auferstandene Gekreuzigte! Gott »LIKES« die Menschen.
Er ist der menschenfreundliche Gott.
Jemand aus der Klasse hat geschrieben: Jesus auf
Whatsapp – das ist ein geschriebenes Gebet, eine lustige Variante. Ich würde ihn
um Rat fragen, auch bei einer wichtigen Entscheidung. Ich halte ihn für einen
guten Ratgeber. …
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, schaut, mit den social media ist
rasch tote Hose, wenn Ihr in einem Funkloch steckt oder keinen Kredit mehr habt.
Das ist bei Gott wirklich einfacher. Er sagt: Wir sollen ihn einfach anrufen:
Rufe mich an in der Not. Ich will dich retten und du wirst mich ehren (Ps
50,15). Anruf genügt. Dieses Angebot steht immer! Darauf könnt Ihr euch
verlassen.
Damit komme ich endlich zur Auflösung: Facebook und der
Gefällt-mir-Button sind ein christliches Programm.
1. Was ist heute gefragt? Farbe bekennen und Gesicht zeigen: FACE
2. Wo finden wir unser Profil vom Menschen, der von Gott bejaht und geliebt ist:
im BOOK, in der Bibel
Und 3. ist das der folgerichtige Schritt, daß wir bekennen: Ich LIKE Gott. Er
gefällt mir. Zu meinem Glauben stehe ich. Und hoffentlich spürt man mir das an.
Ein wandelndes Bekenntnis sind wir. Wie Paulus schon
sagte, ein Brief Christi. Es wird uns in unserer bekenntnisarmen Zeit gut tun,
diesen Zuspruch zu hören und zu wagen, ein bekennender Mensch zu sein. In Fülle
und Freiheit soll unser Leben aufgehen.
Und gerade weil der Apostel und wir wissen, daß wir nicht darin perfekt sind,
schreibt er: Die Tinte ist der Geist des lebendigen Gottes. Der lebendige Gott
bleibt bei uns am Werk.
Gott glaubt an Euch, an uns alle! In Fülle und Freiheit soll unser Leben
aufgehen. Gott gibt uns durch seine Nähe zu spüren, daß wir nicht mehr Menschen
sind, die tausend Sachen wollen und uns darin verlieren, daß wir nicht mehr auf
der Flucht vor großen Aufgaben, vor schwierigen Begegnung und nicht mehr auf
der Flucht vor uns selber und vor Gott sein müssen.
So hoffe ich daß Sie und ich auch ohne die
wireless-Verbindung und ohne 3G den Kontakt mit Gott pflegen und gerne den
»Gefällt mit«-Knopf drücken, was heißt: ich stehe dazu.
Speziell für Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, hoffe ich, daß Ihr
es auch nachempfinden könnt: Auch in meinem Drang nach der absoluten Wahrheit
und Freiheit bin ich persönlich eine Message, die von Jesus herkommt und
unterwegs ist im Leben; ein Brief, der etwas aussagen und bewegen soll - und
es macht mich ruhig, stark und schön, daß ich sein Wesen in mir trage.
Amen
Pfr. Mathias Rissi
Zum Predigtverzeichnis Zur Hauptseite