Predigt am 2. Advent im Neuen Abendgottesdienst in Niederweningen - Pfr. Mathias Rissi 

3. Dezember 2016

Offb 3,20      Rev 3:20
 

»Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir.«

 

Liebe Gemeinde

 

Weihnachten steht vor der Tür! Die Tür ist sozusagen das Symbol für den Advent. Wie spannend war es schon für uns Kinder damals, am Adventkalender ein neues Türchen zu öffnen. Und dann erst das vom vierundzwanzigsten!

Viele Haustüren sind in diesen Wochen weihnachtlich geschmückt mit Tannenreis oder Sternen. Kürzlich bin ich einer ganz andern Dekoration begegnet. Auf einem Aufkleber stand: ›Wir haben schon einen Staubsauger, einen Reisbesen, einen Fernseher; wir haben verschiedene Zeitungen und Zeitschriften abonniert; wir besuchen einen Englischkurs; wir haben Schuhbändel, Badesalz; wir sind schon in einer Kirche, in einem Verein - Hausieren, Betteln ist zwecklos.‹ Wer diesen Aufkleber sieht, der hat gewiß Pech. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß er nicht willkommen ist. Solch ein Plakat will doch jedem abraten: ›Schau, es lohnt sich gar nicht, daß du hier anklopfst; die haben alles, die brauchen gar nichts - es ist eine fruchtlose Zeitverschwendung.‹ Allerdings kann ich die Leute auch verstehen, welche diese Kleber anbringen. Sie möchten sich ungebetene Störungen vom Halse schaffen: Spam, Drucksachen, Telefonverkäufe. Sie möchten keine Zeit verschwenden für etwas, von dem sie zum vornherein sagen können, daß sie es doch nicht brauchen.

 

Genau so begegnet uns die Gemeinde von Laodizea in der Offenbarung. ›Wir haben schon alles, wir brauchen nichts‹, so denkt sie: Sie haben in Laodizea gute Sozialdienste, dass niemand hungern muss. Sie feiern in Laodizea gepflegte Gottesdienst. Sie haben in Laodizea schöne Musik und eine renovierte Kirche. Aber der Herr der Kirche denkt anders über sie. Die Gemeinde ist "lau". Sie hat sich an die Umgebungstemperatur angepasst, darum hat sie keine Funktion mehr für die Welt. Ihr fehlt etwas! Jesus steht draußen! Diese Gemeinde wird gemahnt und gewarnt. Wir haben gewiß die scharfen Worte von der Lesung her noch im Ohr. Aber dann folgt jenes überraschende Adventswort: »Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir.«

 

Es ist das Geheimnis, das Wunder dieses Bibelwortes, daß es uns sagt: ›Und trotzdem: Jesus steht vor der Tür!‹ Ein schönes Bild: Er steht vor der Tür und möchte gerne hereinkommen. Es ist natürlich viel mehr als nur ein Bild, wenn wir den Advent feiern, die Ankunft Christi. Das ist ja auch nicht nur ein Datum, das ist nicht nur ein Symbol innerhalb des Jahres, sondern der Advent erinnert uns daran, daß wir damit rechnen, daß der Herr der Kirche und der Herr des Lebens auch in unserem Leben einziehen möchte, jeden Tag. Er will etwas von uns. Er will anscheinend etwas mit uns. Manchmal staune ich, wenn ich daran denke, daß er immer noch etwas von uns will und wartet.

 

Liebe Gemeinde, er klopft an, auch bei dieser Gemeinde in Laodizea, die gewissermaßen einen ›Bitte, keine unerwünschten Besuche‹-Aufkleber an der Haustür hat. Er klopft an. Wir kennen alle solche Türerlebnisse: Es klingelt an der Tür oder das Telefon schellt zur Unzeit, oder die Schwiegermutter (die liebe oder die böse) sagt sich zu Besuch an. Vielleicht klopft ein unerwarteter Besuch, und Sie haben auch schon gedacht: ›Alles, bloß das nicht jetzt, ausgerechnet jetzt, wo so viel los ist, wo ich keine Zeit habe, wo ich wichtigeres zu tun habe!‹

Vielleicht denkst Du: ›Ich bin ja getauft, ich gehe ab und zu in die Kirche, und es ist ja alles gut und recht so.‹ Die in Laodizea sagen vielleicht: ›Wir brauchen ihn heute gar nicht, es ist ja gar kein Notfall. Es läuft alles wie geschmiert, alle sind zufrieden, und irgendwie ist er ja sowieso da. Wir brauchen ihn heute nicht eigens hereinzulassen.‹

Jesus klopft an die Tür. - ›Ich lasse ihn lieber später herein, wenn ich älter bin, jetzt habe ich gerade keine Zeit.‹ 
Die Sektierer antworten auf solche Sätze: ›Was aber, wenn du diese Nacht stirbst!‹ . Zugegeben: die Wahrscheinlichkeit, dass wir die nächste Nacht überleben, ist sehr gross. Daher ist das Argument nicht sehr stark.
Darum frage ich lieber: ›Was, wenn du noch hundert Jahre lebst und Jesus nicht in dein Leben hereinlässt - Du verpasst ein Fest. Schade um jeden Tag ohne die Versöhnung, die Jesus schenkt, ohne Glauben, Hoffnung und Liebe, die er ermöglicht.‹ 
 

Jesus steht vor der Tür: Nun, uns überrascht das nicht. Es steht ja im Kalender, daß am 24. Heiliger Abend sei, und wir sind bereit. Niederweningen ist bereit! Lichter überall, an Bäumen und Häusern, mehr denn je – aber wie sieht es hinter all diesem Glanz und aller Dekoration aus? Kann sein, es hat ja auch gute Gründe, wenn wir ihn manchmal nicht hereinlassen wollen. Draußen die Lichter, aber vielleicht ist es bei mir drin ganz dunkel, und ich bin traurig, krank, schwach. So möchte ich nicht gesehen werden, ich mag jetzt niemanden hereinlassen. Oder aber ich bin geniert, weil ich eine Unordnung habe und lieber möchte, daß niemand sie sieht. Vielleicht haben wir manchmal, öfter als uns lieb ist, eine Unordnung in unserem Leben und spüren: ›Ich bin jetzt nicht bereit, ich bin jetzt zu wenig gut.‹ Da war manches laute Wort, das ich gerne zurückgenommen hätte, aber es ist gesagt. Da war vielleicht ein Streit mit dem Ehepartner, mit den Eltern, mit den Kindern. Schlechte Laune, die will nicht recht zu einem frommen Gesicht passen. Wir müssen Kompromisse machen. Und da wollen wir dann nicht als Heuchler dastehen, die groß vom Glauben reden aber ein ganz anderes Leben führen.

 

Unter Menschen geht es dann so: Wenn jemand vor der Unordnung bei sich warnt, dann pflegen die Leute zu sagen: »Nur keine Angst, ich komme nicht aufräumen!«

Aber jetzt steht einer draußen vor der Tür, der das alles weiß, gerade darum klopft er bei Dir an. Er sagt nicht, ich schaue nicht hin. Im Gegenteil: Er hilft sogar aufräumen. Und den schwersten Ballast entsorgt er persönlich! Es wäre schlimm, jetzt die Tür nicht zu öffnen! Jetzt ist nur eins wichtig: Zeit zu haben und Ruhe zu schaffen, die Arbeit aus der Hand zu legen und das, was ach so wichtig ist, beiseite zu schieben. Laß Jesus herein mit dem, was bleibt. Aber wie geht das, wie können wir Jesus in unser Leben hereinlassen? Die einen von uns haben lange Erfahrung und haben gewiß eine Ahnung, wie das geht, wie ich Jesus heute einlassen kann.

Wie geht das? –  Am einfachsten so, daß ich mir Zeit nehme, am einfachsten geht es mit einem Gebet: Bitte, Jesus Christus, komm herein! Setz Dich zu mir an den Tisch. Weißt du, ich brauche deine Hilfe. Ich habe Sorgen. Einiges ist mir gut gelungen, aber anderes ist in Unordnung. Und das plagt mich. Die Schwächen, die Unduldsamkeit, … – mir fehlt die Kraft. Komm, nimm meine Sorgen – wirf sie ins tiefe Meer. Du kannst das. Wenn Du die Last abnimmst und die Schuld, dann tauchen die nie mehr auf!


Ja, Jesus soll hereinkommen. Er kommt nicht zum Gericht. Jesus lädt nämlich zum Mahl ein, nicht zum Henkersmahl!

Haben Sie auch schon einen Hund beobachtet, wenn er sein Fressen bekommt? Da ist den ganzen Tag nichts los; er liegt faul herum, er wedelt etwas, läßt sich kraulen, aber dann, um Viertel vor zwölf (oder wann immer es sein mag), wenn das Futter im Napf angerichtet wird, dann kommt er in Schwung, und innerhalb von zwanzig Sekunden verbunden mit riesigem Geschlabber ist die ganze Herrlichkeit weggefressen. Das kommt daher, daß die Tiere, wenn sie Nahrung aufnehmen, immer in Angst sind, in Angst, es könnte ihnen jemand das Futter wegnehmen, ein Feind könnte sie in diesem Moment, wo sie das Maul voll haben und wehrlos sind, überfallen. – Manchmal erinnern mich unsere modernen fast-food-Gewohnheiten fatal an diese tierische Angst.

 

Aber Jesus lädt uns zu einem Mahl ein, das ist kein Vergleich; ein Mahl - ein Fest. Ein Fest nicht nur mit Ehrengästen. Wir denken sogleich an das Abendmahl. Auch ein Petrus war dabei. Erst kurz zuvor hatte Jesus zu ihm gesagt: »Weiche von mir Satan!«[1] und in der Nacht des Abendmahls brach Petrus seinen Treueschwur[2] . Auch ihm half Jesus und hat ihm das Fest und Versöhnung angeboten. Er kommt zum Aufräumen, auch zu mir und zu dir, und das ist ganz wichtig, weil wir dann aus der Gemeinschaft, aus der Gemeinschaft nicht nur zu zweit - Jesus und ich - sondern aus der Gemeinschaft von Menschen, die dieses Mahl feiern, Kraft schöpfen. Jesus schenkt sich den Menschen.

Und in aller Bescheidenheit, wenn wir heute Abend nach dem Gottesdienst wieder heißen Fleischkäse und die feinen Salate und Desserts vom Teilete-Buffet essen, liegt auch auf unserem Zusammensein ein Abglanz des himmlischen Festes. 

Amen


 


[1] Markus 8,33
[2] Markus 14,66-72

Pfr. Mathias Rissi

 

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite