30. November 2013 - Niederweningen

Gottesdienst zum 1. Advent

Predigt Pfr. Mathias Rissi  Jesaja 60,1  und Eph 5,14

Mache dich auf werde licht, denn dein Licht kommt. Jesaja 60,1
Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Epheser 5,14

Liebe Gemeinde

 

Mache dich auf! Werde licht! Dieser Vers paßt so gut in die Adventszeit.
Ein Haus ums andere wird mit Lichtgirlanden geschmückt. Über den Strassen hängt die Weihnachtsbeleuchtung.
Die Weihnachtszeit ist doch eine herrliche Zeit. Ganz zu schweigen von den köstlichen Düften, die aus der Küche strömen
, wenn feine Guetsli gebacken werden. Ich habe mich sehr auf heute abend gefreut, mit euch zusammenzusein und wieder einen wunderbaren Abend zu verleben. Unser Sohn Christian, der Zimmermann, und ich haben vor einer Woche das große Brett angefertigt und uns schon ausgemalt, wie es dann sich bewähren werde. So haben wir vorhin mit unserer Lichterwanderung ein helles, warmes Licht nach vorn gebracht, daß die Leute von der Zürcher Bahnhofstraße vor Neid erblassen würden.

Mache dich auf, werde licht! Das ist der Aufruf im Advent!

Ist es das? – Ist das mein Auftrag, Euch als Pfarrer eine adventliche Stimmung ans Herz zu legen, innig und brav? Da fehlt die Herausforderung, das ist ohne Biß – ist es das, was Jesus uns heute mitgeben will? So fragte ich mich. Muß ich also einfach eine schöne Predigt schreiben, wie man das als Pfarrer so lernt: die verschiedenen Ideen-Schubladen ziehen, von der Predigterfahrung zehren und mit wohl gesetzten Worten eine Predigt vortragen. Nein!

Darum habe ich noch mal genau hingehört, ja hingehört. Nicht auf den vertrauten Klang von Jesaja 60,1 in meiner Bibel, sondern auf die hebräische Ursprache. Dort sind die deutschen fünf Wörter reduziert auf zwei: Kumi (Auf, Du!) Ori (licht, Du!)!
Das erinnert an Epheser 5,14 wo Paulus inspiriert vom Jesajavers nur schärfer und präziser in den Advent ruft: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Ja, das ist nötig: daß wir aufwachen aus der adventlichen Sentimentalität.! Zu sehr hat sich das eingeschliffen, daß eben Advent kommt und geht jedes Jahr und daß sich dadurch gar nichts ändert
e in unserem Leben und neu würde. Im Gegenteil: Ich kenne Familien in denen das Klima ausgerechnet in diesen Wochen gereizter ist als sonst. Andere Menschen vertragen die dunklen Monate schlecht und leiden unter Depressionen, die Suizidrate steigt bekanntlich auch.
Da reicht es nicht: »Kopf hoch!« zu sagen und eine innige Stimmung zu verbreiten.

Liebe Gemeinde, ich habe eine Entdeckung gemacht: Die Bibel spricht und denkt vom Menschen ganz hoch, höher als jedes andere Buch der Weltliteratur. Der Mensch ist Gottes Geschöpf und steht gleichzeitig Gott ganz nahe: Er trägt Verantwortung für das Schöpfungswerk Gottes, wie kein anderes Geschöpf. Er bildet nach seinen Möglichkeiten das göttliche Schaffen in seiner Kreativität ab  – aber er ist blind, wenn es um Gott geht! Was sage ich blind: er ist verschlafen und verschlossen.

Ein Thema, das Jesus und die Evangelien immer wieder aufgreifen. Wir erinnern an die zehn Brautjungfern. Sie sind alle eingeschlafen und nur die Hälfte war dann beim Erwachen bereit, dem Bräutigam zu folgen. Noch schlimmer: als Jesus an seinem letzten Abend, am Gründonnerstag, in den Garten Gethsemane ging, da nahm er seine besten Jünger mit und bat sie: Wachet und betet! Sie aber schliefen.

Jesus muß rufen: Wach auf, der du schläfst! So wie der Lehrer mal rufen mußte: »Rissi, aufwachen!« – ich war wohl in Träumen versunken.  Wach auf! Nur darum geht es Paulus. Er könnte sich als Lehrer locker profilieren und mit Bibelzitaten nur so um sich werfen – wie das die Pfarrer gelegentlich auch tun – er tut es nicht. Es geht ihm darum zu wecken: die Gemeindeglieder, Dich und mich!

Wach auf, hör die Botschaft: Das Licht Gottes leuchtet in der Welt! Gott weiß um unsere Finsternis. Ja, aus der Dunkelheit kommen wir. Darüber hinweg täuschen keine festlich geschmückten Straßen und Häuser. Je dunkler die Zeit, desto üppiger die Weihnachtslichter. Aber das ändert nichts. Manchmal möchte ich keine Nachrichten mehr hören und keine Zeitung lesen, so dunkel ist es in der Welt (wie dumm wir Menschen doch sind: nur als Beispiel, wenn es gilt, ernst zu machen mit dem Klimaschutz).
Wo es dunkel ist, wächst Angst und die Sorge breitet sich aus. Vielleicht erging es Euch wie mir. Damals als Kind konnte ich im dunklen Zimmer nicht einschlafen, wenn nicht durch einen Türspalt Licht vom Gang hineinfiel. – Ach , wenn es doch nur für uns Erwachsene auch so einfach wäre, daß mit dem Anknipsen einer Glühbirne die Sorgen verschwänden.
Aber es ist noch viel besser: Gott bringt dieses Licht in die Welt: Mache dich auf werde licht, denn dein Licht kommt. Das ist die tröstliche Botschaft, die Jesaja ankündet und die Paulus, weil er von Jesus Christus weiß verkündet. Welch eine Gnade ist die Geburt des Christus. Er wurde geboren, um Tröster, Ermahner, »Heiland« für Leib und Seele und Retter zu werden. Als Erwachsener wird er sagen: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des Lebens haben. (Jh 8,12)

Und was machen wir? An meinem Schlüsselbund trage ich ein kleines Lämpchen mit. Damit leuchte ich im nächtlichen Dunkel jeweils die Schilder bei den Türklingeln an, damit ich am richtigen Ort klingeln kann. Ganz ähnlich ist es im Leben. Mit unserer kleinen Funzel sehen wir immer nur einen winzigen Ausschnitt klar und tappen so durchs Leben, Schritt für Schritt – dabei stehen wir im Flutlicht der Liebe Gottes! (Erklärung für die Leser im Internet: der Pfarrer irrte mit seinem Lämpchen im dunklen Kirchenraum umher, da leuchtet strahlend hell ein Scheinwerfer auf - Symbol dafür, dass wir Suchende vom Licht Gottes bereits erfasst sind.).
Ja, wir können alles im Lichte Christi sehen:
Wir wissen: Ohne Licht wächst nichts! In Alaska wachsen keine Tomaten, da gibt es zuwenig Licht und Wärme. Gerade so ist es mit Hoffnung und Liebe: Also hin zum Licht!
Im Licht kannst du auch klar sehen und erkennen, was zu einem Leben in Glauben, Hoffnung und Liebe paßt.

»Kumi Ori!« Wach auf in diesem Advent 2013. Ist das nicht herrlich, daß uns das Licht hier schon leuchtet und nicht erst dann einmal im Jenseits. Daß Gott Mensch geworden ist, damit sein Licht, sein Friede, seine Auferstehung uns anstecken kann.
Wach auf! Diese
s Licht scheint, seid keine Schlafwandler, sondern Menschen, in denen das Licht aufstrahlt! Gott kommt auf uns zu mit seiner neuen Welt. Er will uns mit seiner Vision anstecken. Lassen wir uns in diese Hoffnung herein nehmen? Sind wir bereit? Sind wir wach?
Und wenn du in eine Situation kommst, wo du der einzige Mensch bist, der dieses Licht kennt: Gott will dich und mich brauchen um die Welt zu erhellen. Wenn wir wach sind, wird man uns sein Licht ansehen und fröhlich werden. Ich bin sicher: Unsere Welt "gewinnt" viel, wenn wir licht werden.

Ich möchte, wir möchten wach werden – ach, was sage ich: Jesus will, daß wir wach werden und erkennen wie der Tag schon angebrochen ist.

Amen

 

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