Gottesdienst in Meilen ZH am  20. September 2009

Eidgenössischer Dank-, Buß- und Bettag

Ezechiel 36,26-28  -  Pfr. Mathias Rissi  

 

Und ich werde euch ein neues Herz geben, und in euer Inneres lege ich einen neuen Geist. Und ich entferne das steinerne Herz aus eurem Leib und gebe euch ein Herz aus Fleisch. Und meinen Geist werde ich in euer Inneres legen, und ich werde bewirken, daß ihr nach meinen Satzungen lebt und meine Rechtssätze haltet und nach ihnen handelt. Und ihr werdet wohnen in dem Land, das ich euren Vorfahren gegeben habe, und ihr werdet mir Volk sein, und ich, ich werde euch Gott sein.

Ezechiel 36,26-28

 

 

 

 

Liebe Gemeinde

Das menschliche Herz in ihrer und in meiner Brust schlägt Tag für Tag etwa hunderttausend Mal. Es pumpt dabei täglich rund 7000 Liter Blut durch den Körper. Zuerst ernährt es die Herzkranzgefäße und damit sich selbst und dann den ganzen Organismus. Es macht alles, was wir tun und erleben, mit: Streß, Ferien, Jugend und Alter, Freude und Leid.
Wenn es das nicht kann, wenn es versagt, ist alles vorbei. Wer es nicht rechtzeitig bemerkt, für den ist dann das Leben zu Ende. Wenn wir es aber rechtzeitig merken, daß mit dem Herzen etwas nicht stimmt, können die Ärzte manches Mal helfen: Mit Medikamenten, einem Herzschrittmacher. Im Extremfall kommt erst seit gut 40 Jahren sogar eine Herztransplantation in Frage. Dann schlägt ein fremdes Herz in der Brust des Patienten und schenkt ihm so noch einmal das Leben – ein neues Leben!

Das Herz ist aber nicht nur jener Muskel, der das Blut durch die Blutbahnen pumpt. Es ist in unserer Kultur der Inbegriff für Lebensmut und Seele und Liebe. Auch da kann es geschehen, daß das Herz krank ist. Ja, wir haben in diesen Zeiten möglicherweise den Eindruck, daß nicht nur einzelne Menschen, sondern die ganze Menschheit ein chronischer Herzpatient sei.

Das Wunderbare, das ich ihnen heute Morgen mit dem Propheten Ezechiel sagen darf, ist, daß Gott, unser Schöpfer und Herr, bei uns eine Herztransplantation macht. Und uns ein neues Leben schenkt. Wir bekommen ein neues Herz!

Wir realisieren nicht nur am heutigen Bettag, daß wir uns in eine Sackgasse manövriert haben und daß der Raum immer enger geworden ist. Und das hat mit dem kranken Herzen zu tun. Wir fragen bang: Ob die Zeit noch reiche für eine Heilung? Ob sie überhaupt möglich sei?
In ganz verschiedenen Gebieten des Lebens machen wir fatale Entdeckungen: Unser Umgang mit der Schöpfung ist räuberisch. Das Verhalten in der Wirtschaft ist alles andere als fair und menschenwürdig. Vor einem Jahr als die Bank Lehman Brothers kollabierte, begann man erst zu ahnen, wie schlimm die Katastrophe sein würde. Und jetzt bei der Katastrophenbewältigung habe ich nicht den Eindruck, wir gingen da überlegt ans Werk, sondern man wurstelt sich irgendwie durch und ist schon froh, wenn die Konjunkturforscher vergangene Woche meinten, es würde nicht so schlimm werden, wie ursprünglich erwartet, aber es gehe schon noch weiter hinab mit der Wirtschaft.

Schon in früheren Zeiten haben die Menschen fatal gehandelt. Aber heute sind die Auswirkungen eben global, weil die Handlungen auch weltweit vernetzt sind. So kann es nicht gut gehen. Jeder und jede weiß das.

So, wie vor 2500 Jahren die Propheten im Alten Testament, so erhebt heute der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk seine Stimme. In diesem Frühling hat er ein Buch publiziert mit dem Titel: »Du mußt dein Leben ändern« Du mußt dein Leben ändern! Sonst gehst du verloren und unter! Sloterdijk entfaltet darin seine Gedanken, daß wir Menschen seit Jahrtausenden unser Verhalten übten. Wir üben das Leben, üben, um uns zu verbessern. Und immer, wenn jemand etwas Neues gewagt hat, und erfolgreich ist, dann strömt die Masse nach.
Das Problematische an diesem Verhalten, dünkt mich,  ist das Experimentierverhalten. Trial and Error! Man probiert einfach einmal, vielleicht kommt’s gut, vielleicht entpuppt sich das Neue aber auch als Fehler.

In der heutigen Zeit erkennen wir, daß wir in den vergangenen Jahrzehnten mit ein paar Fehlhaltungen in die falsche Richtung gelaufen sind und wirklich unser Leben ändern müssen. Mit Herumdoktern ist es nicht mehr zu retten.
Unser Herz ist krank: es hat das Maß verloren. Himmelschreiend ist die Diskrepanz zwischen Reichtum und Armut. Das müssen wir bekennen, auch wenn wir alle wahrscheinlich nicht zu den großen Abzockern gehören. Aber wir hängen in diesem System mit drin. Die Maßlosigkeit ist unser Problem, sie kommt aus einer kindlichen Angst, wir könnten zu kurz kommen, wenn wir nicht großzügig an uns reißen, was immer in Reichweite ist. Mit dieser Gier zerstört die Menschheit sich selber und den Planeten. Der Individualismus hat den Gemeinsinn und die Solidarität zerfressen.

Unser Herz ist krank. Schlimmer noch ist die Diagnose Gottes:  Er spricht von einem Herzen aus Stein!
Ja, das ist das Problem. Sloterdijk kann lange sagen: Du mußt dein Leben ändern. – Warum bloß tun die Menschen es nicht?
Wir wissen zwar längst nicht alles, aber wir wüßten längst genug. Wir wüßten, daß es gilt, das richtige Maß zu halten, daß es gilt gerecht zu handeln, daß es gilt »Gott zu lieben und deinen Nächsten wie dich selbst« (Lukas 10,27).
Wir wissen es, aber wir kennen auch den Verzweiflungsschrei des Paulus: »Das Gute, das ich will, tue ich nicht. … Weh mir, ich bin verloren…«  Es reicht eben nicht, wenn’s vom Kopf kommt. Und dann, ganz erlöst, schreibt Paulus: »Dank sei Gott durch Jesus Christus!« (Römer 7,25)
.

Was die Philosophen und die Propheten nicht können, Gott tut es: Gott kann Menschen verwandeln.
Weil die Erneuerung von Herzen kommen muß und weil unser Menschenherz aus Stein war, hat Gott sein Herz, ja, sich selber hat er in Jesus Christus uns gegeben.

Wir haben ein neues Herz bekommen. Ja noch viel mehr. Das Gewaltigste, das Unglaublichste, das Undenkbare ist in unserem Prophetenwort von Ezechiel gesagt: Gott gibt uns den Geist, SEINEN Geist! Ein neues Herz und Gottes Geist.
In der ganzen Bibel heißt es sonst nur von einem: der Geist Gottes ruhte auf ihm, von Christus.
Was Gottes Geist mit einem Menschenleben macht, sollen wir also dort erkennen, am Zimmermann aus Nazareth, dessen Leben an einem römischen Kreuz endete. Wo Jesus Christus Menschen begegnete und wo er heute Menschen begegnet, tritt Gott selber in ein Leben und heilt das kranke Herz. Er schenkt Gottes Liebe; und die macht heil. Uns so wie Gottes unsichtbarer Geist in Christus sichtbare Spuren hinterläßt, so tut er es auch bei Dir und bei mir.

Pfarrer Ernst Sieber sagte einmal in einem Interview am Schweizer Fernsehen: Wir brauchen mehr Liebe als wir verdienen. Wie recht er hat. Und Gott weiß es und handelt an uns so und vertraut darauf, daß seine Liebe uns heilt, und daß sein Gebot der Liebe in unserem Herzen wohnen wird und darum aus Freude und in Dankbarkeit uns eine heilige Pflicht wird.

Mit dem heutigen Dank-, Buß- und Bettag wollten sogar die Gründer unseres Bundesstaates uns ermahnen, uns für Gott zu öffnen, für den Operateur, der uns ein neues Herz gegeben hat, der uns seinen Geist gegeben hat.

Damit wir Gott sagen:
Ich bin so froh, daß Du, Vater, mir nicht gegeben hast, was ich verdiene, sondern, was Du mir schenken willst: Deinen Geist und das neue Herz! Dafür danke ich dir von ganzem Herzen.
Laß dieses neue Herz in mir schlagen, damit ich mich seinem Schlag anvertraue und mit Dir, Christus, mutige, zuversichtliche Schritte wage.
Zeige mir die Übungsfelder, wo nicht menschliches Pröbeln, sondern visionäres Handeln gefragt ist.
Begleite mich mit Deinem Geist im Alltag meines Lebens. Und tröste mich, wenn ich Angst habe, allein unterwegs zu sein. Du bist doch bei mir.

Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite

 

 

Ufwind - Gemeindeaufbau der Evang.-ref. Kirchgemeinde Meilen