Konfirmation am 5. Juni 2005 - Predigt Pfr. Mathias Rissi Genesis 32,23-32

1. Mose 12, 1-4 Aufbrechen wie Abraham Genesis 12:1-4

 

Und der Herr sprach zu Abraham: Ziehe hinweg aus deinem Vaterlande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in das Land, das ich dir zeigen werde; so will ich dich zu einem großen Volke machen  und dich segnen  und deinen Namen berühmt machen, daß er zum Segensworte wird. Segnen will ich, die dich segnen, und wer dir flucht, den will ich verfluchen; und mit deinem Namen werden sich Se­gen wünschen alle Geschlechter der Erde. Da zog Abraham hin, wie ihm der Herr geboten hatte.  Genesis 12,1-4

 

 

Liebe Konfirmanden, Eltern, Geschwister und Paten, liebe Gemeinde

 

Es liegt etwas Besonderes in der Luft heute Morgen. Ein Zeitalter geht zu Ende. Ein neues ist im Anbrechen. Vor gut 15 Jahren waren die meisten von euch in ähnlicher Besetzung in der Kirche zur Taufe. Damals wurdet ihr hereingetragen. Bald habt ihr im unbändigen Drang nach Selbständigkeit mit unsichern Schritten die Welt erobert. Erst wohl noch an einem Rößligeschirr, dann mit dem Scooter oder Velo und schon bald stellt sich die Frage nach einem motorisierten Untersatz oder nach einem GA.

Nun macht ihr euch daran die Schwelle zum Erwachsensein zu überschreiten. Wie habt ihr vorhin in euren Gedanken zum Jungsein gesagt: Man kann alles ausprobieren, die Welt entdecken. Jungsein ist gut, aber 18 werden noch besser! Selber Geld verdienen und entscheiden können, grenzenloser Kinospaß…

So blicken wir heute mit euch zuerst einmal zurück in die Vergangenheit. Voller Dankbarkeit für euer Elternhaus, das euch dieses Aufbrechen ermöglicht hat, in die Schulzeit mit ihren Hochs und Tiefs und die Erlebnisse, welche ihr in der Kindheit als Mitglieder der Kirche erlebt habt: Das alles ist die Heimat, euer Ausgangspunkt. Dann schauen wir nach vorn. Ich kann gut verstehen, wenn es dem einen oder andern dabei etwas "gschmuech" wird. Schließlich ist da so vieles unsicher und offen.

Darum kommt diese biblische Geschichte vom Aufbruch Abrahams gerade recht. Abraham bricht auf, radikal, zu neuen Horizonten. Aufgewachsen in Mesopotamien könnte es für ihn einfach automatisch weitergehen, wie bisher. Aber Gott hat ein Ziel mit ihm: Abraham soll sein Land bekommen, er soll die Welt segnen. Er soll Stammvater des unscheinbaren Gottesvolkes werden, dessen wichtigster Sohn für uns Jesus Christus ist. Alle Völker sollen sich Segen wünschen in diesem Anfang, den Abraham gemacht hat.

Abraham verläßt sich auf Gottes Wort – einfach so. Das ist nicht selbstverständlich. Erstens kennt er diesen Gott noch nicht und hat darum keine Erfahrungen, die ihn zum Vertrauen ermutigen. Zweitens bedeutet der  Aufbruch ein großes Risiko. Abraham soll alles riskieren, alles verlieren, aber um welchen Gewinn? In der damaligen Zeit gab es keine Sozialwerke für Alte und Kranke. Während der längsten Zeit seit es Menschen gibt, gab es das nicht. Noch vor 60 Jahren gab es keine AHV. Aber auch heute sind die Risiken groß: Die Arbeitslosigkeit bedroht die Jungen besonders stark. Welches ist die richtige Berufswahl oder Stelle? Finde ich Anschluß am neuen Ort, in der neuen Schule? Freundschaften, Partnerwahl und Gesundheit sind kribblige Daueranliegen.

Daß es gut kommt, dafür gibt es sozusagen ein Codewort: Segen!

Aber das mit dem Segen ist nicht logisch! Segen gibt es nicht zu kaufen und er ist schon gar nicht selbstverständlich. Schauen wir in die Dynamik der Bibel: Bei der Schöpfung heißt es: Gott sah, daß es gut war. Aber dann folgt in den ersten elf Kapiteln des 1. Mosebuches eine Katastrophe auf die andere: Der Vertrauensbruch zwischen Mann und Frau, der Brudermord, die Sintflut und der Turm von Babel: ein mörderisches Gefälle. Daß diese Sicht recht realistisch ist, zeigt auch heute ein Blick in die Medien.

Aber dann macht Gott einen Neuanfang. Er läßt die Welt nicht dem Untergang entgegenrollen. Er gibt ein neues Wort der Verheißung, er verheißt den Menschen Segen. Segen: das heißt, daß sie eine gute Biographie bekommen. Segen, das heißt Abraham hat die Chance: er muß sich nicht auf sich allein verlassen. Er bekommt etwas geschenkt von Gott.

Achtzehn von Euch haben diesen Segen als Kleinkinder in der Taufe zugesprochen bekommen. Sie ist das Zeichen dafür, daß Gott vorbehaltlos Ja sagt zu uns Menschen. Benjamin wird heute seine Taufe feiern. Sie ist das Zeichen, daß wir Menschen auf Gottes Angebot eingehen, unsere Antwort bekräftigen, eben konfirmieren.

Ihr habt in Euren Gedanken zum Christsein vom Danken für Schönes gesprochen und vom Vertrauen auch in schwierigen Zeiten, von Freiheit, Treue und Dazustehen, und davon, daß die Beziehung zu Gott gepflegt sein will im Gebet und im Gottesdienst. Es ist der ursprüngliche Sinn der Konfirmation, daß sie die Jugend daran erinnert, den zugesprochenen Segen aufzunehmen!

Abraham mußte selber aufbrechen – in seinem Aufbrechen nahm er das Geschenk an! Wäre er hocken geblieben, dann hätte er nichts mit Gott erlebt. Abraham hat es gewagt. Aber er war oft auch unsicher, hat nicht recht getraut und seinem Glück etwas nachhelfen wollen. So sind wir eben. Wir haben lieber etwas in der Hand. Wir denken «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied» und «Du bekommst im Leben nichts geschenkt!» Wie wahr ist das und doch gleichzeitig: wie falsch ist das. Und es wird nicht wahrer dadurch, daß es immer wiederholt wird!

Ich habe Euch im Unterricht von den Delphinen im Aquarium erzählt. Sie machen brav ihre Kunststücke: Das Schlauchboot mit dem Geburtstagskind durch den Pool ziehen – dann winkt als Belohnung ein Fisch, auf der Schwanzflosse balancieren – als Belohnung ein Fisch, den Ball auf der Nase jonglieren – als Belohung ein Fisch. Ohne Fleiß kein Preis! So lernen wir's von klein auf ja auch. Mit viel Spaß und Lerneifer waren die Delphine dabei. Aber nach einiger Zeit erlahmte ihre Lust. Sie machten die Kunststücke zwar immer noch, aber ohne Freude, nicht mehr spielerisch. Ein Psychologe, der zu Rate gezogen wurde hatte eine faszinierende Idee: «Sie haben einen burn out. Dagegen muß man etwas tun!» Er ließ den Delphinen Fisch austeilen, ganz unmotiviert, zwischendurch, einfach so! Wenn sie es könnten, dann hätten sich die Delphine wohl ganz schön die Augen gerieben. Jedenfalls trat eine phantastische Veränderung ein: Sie bekamen wieder Freude, verhielten sich so, daß ihre Kunststücke nicht Pflichtübungen glichen, sondern spielerisch und übermütig daherkamen.

Die Delphine haben gratis Fisch bekommen. Gratis ist lateinisch und heißt: aus Gnaden. Und der Fisch ist ein Symbol, das man aus frühester Zeit in der Christenheit kennt. Die Buchstaben des griechischen Wortes IChThYS hat man als Anfangsbuchstaben des Bekenntnisses: «Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter» genommen. Das heißt: Gott schenkt uns seinen Segen: Jesus Christus ist dieser Segen in Person – er, der das Menschsein zu Gottes ganz eigenen Sache gemacht hat, damit er durch seine Gegenwart uns stärken, ermutigen, versöhnen kann! Mit ihm kommt es sogar dann gut, wenn es nicht nach unserem Wunsche geht.

So brecht ihr auf in Eure Zukunft und zieht los auf eine lange Wanderung zu einem noch unbekannten Ziel. Wir brechen vielleicht auf in eine neue berufliche und familiäre Zukunft. Für viele von uns wird sich äußerlich wenig so radikal ändern, wie bei Abraham. So oder so: Möge Gott es uns schenken, daß wir seinen Segen in unserem Leben entdecken und die Aufbrüche, die er uns in unserem Leben zumutet, wagen können, weil er uns begleitet. Amen.

 

*  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *

 

Pfr. Mathias Rissi

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite