Lasset uns Menschen machen!

Ufwindpredigt - 11. Januar 2003 - Pfr. Mathias Rissi

Genesis 1,26ff

Liebe Gemeinde  

Lasset uns Menschen machen! Ein göttliches Wort. Allerdings haben in den Tagen um Weihnachten auch andere Leute sich dieser Botschaft bemächtigt: Die Raëlianer-Sekte hat über ihre Medizinerin Dr. Brigitte Boisselier mitgeteilt, es sei gelungen Menschen zu klonen. Was würde nun Jesus zu Frau Boisselier sagen? Natürlich kann ich da auch nur vermuten – und ich werde das zum Schluß der Predigt versuchen!

 

Die Idee der Raëlianer ist die: Wir leben gerne lange, aber wir werden nicht gerne alt. Was liegt näher, als einen Klon zu züchten. Ein Klon, das ist sozusagen mein Zwilling, einfach 50 Jahre jünger als ich. Damit er nicht alle mühseligen Erfahrungen beim Aufwachsen noch mal machen muß, suchen die Forscher der Sekte nach einer Möglichkeit, alle Lebenserfahrung zu transferieren, damit der Klon nicht mehr sprechen lernen, die Schulbank drücken und oftmals Liebeskummer haben muß. Man suche eine Schnittstelle, wie beim PC das Interface, um quasi per Kabel die ganzen Erfahrungen und das Wissen zu übertragen. Eine reichlich verrückte, naiv fortschrittsgläubige Idee!

Lassen Sie es mich einmal ausmalen: Stellen Sie sich vor, ich wäre der achte Klon von Mathias Rissi: «Nächste Woche gehe ich den neuen Klon abholen. Der alte ist schon wieder 30. In der 'vorklonischen' Urversion haben wir da nicht gesagt: 'Trau keinem über 30!'  Aber man wird älter. Auch ein bißchen dick mein body – Ich muß wohl im nächsten Klon besser auf die Fitneß achten.

Meine Frau ist inzwischen im 7. Klon. Ich hätte nie gedacht, daß wir so lange beieinander bleiben – man gewöhnt sich eben aneinander. Ja, eine Midlife-crisis gibt’s nicht mehr: Wir sind immer anziehend! Und wenn sie nicht mehr attraktiv aussieht, muß eben ein neuer Klon her! Emotional ist sowieso alles anders. Unsere Kanten und Ecken haben wir in ungezählten Therapiestunden abgeschliffen. Alles ist sehr berechenbar geworden. Seit wir gemerkt haben, daß wir mit dem Interface auch gegenseitig Gedankenlesen können, gibt’s keine bösen Überraschungen mehr. Warum sich auch aufregen? Es muß ja einfach weiter gehen.

Unsere Kinder sind längst gestorben – klar: sie konnten nichts erben, weil wir immer noch leben. Und wir brauchen all unser Geld fürs Klonen. Rund 200 Versuche bis ein Klon zustande kommt, das ist eben teuer. Die Kinder haben uns so geärgert, weil sie dagegen waren. Da haben wir gesagt: Basta, es gibt kein Geld für Euch... Nur sind wir etwas einsam geworden. Die sozialen Unterschiede sind megagroß geworden. Jetzt planen wir eine WG für Clonies, mit Schutzmauer drum herum, Security etc. damit wir uns auch sicher fühlen… Man verträgt den Kontakt mit dem ungeklonten Leben draußen schlecht. Aber manchmal frage ich mich, wie lange ich das noch mitmachen muß.»

 

Der Traum vom Menschenmachen ist scheint's alt. Schon Paracelsus träumte vom Homunkulus
Was steckt dahinter? Ist es am Ende der Wunsch, zu sein wie der Schöpfer? Leben zu züchten und neue Spielformen zu kreieren.
Aufgepaßt: bevor wir auf die bösen Forscher zeigen – dieser Wunsch zum Formen steckt in jedem. Wir müssen ja auch die Erde gestalten. Dafür haben wir Gottes Auftrag. Da lauert aber auch Gefahr, wenn wir die andern formen wollen nach unserm Bild und unserm Willen. Man sagt zwar, der Apfel falle nicht weit vom Stamm, aber wir müssen unsere Kinder ihr Leben und ihre Gestalt entdecken lassen. Es kommt immer schlecht heraus, wenn Eltern immer ihre Wünsche in die Kinder hineinprojizieren. Ich werde den Eindruck nicht los, daß auch manche Ehe genau daran kranke, daß der eine jahrelang versucht, den Partner seinem Idealbild anzupassen, statt ihn zu nehmen, wie er ist. Es ist aber sehr gefährlich, die Realität nicht anerkennen zu wollen.
Ich sehe die neusten Wünsche, Menschen zu klonen, in dieser Linie. Einfach noch absoluter, egoistischer!

 

Wie hat die Bibel über die göttliche Schöpfung gesagt:
Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde.
Er schuf sie als Mann und Frau.

Siehe, es war alles sehr gut.

Die Mehrzahlform Lasset uns Menschen machen fällt auf. Man kann sie als Pluralis maiestatis, als Hinweis auf die Dreieinigkeit oder als Relikt aus der Babylonischen Schöpfungsgeschichte sehen. Sie paßt aber auch vorzüglich zu den andern Punkten, die bei der Erschaffung des Menschen neu sind: Er ist nach dem Bild Gottes geschaffen und erhält Verantwortung und Auftrag, die Erde zu verwalten. Das alles winkt wie mit dem Zaunpfahl und zeigt, daß wir Menschen Beziehungswesen sind. Es zeigt auf die Dynamik des Lebens. Wir haben die Sprache für die Beziehung untereinander. Wir sind erst Menschen, in unserer Beziehung zum andern und zu Gott! Daß wir beten können, ist ein letzter großer Hinweis auf die Abhängigkeit vom Gegenüber.

Wir arbeiten nicht nur um zu überleben. Ja, wir bilden in unseren Möglichkeiten und menschlicher Bescheidenheit etwas von der überwältigenden Schöpferkraft und Liebe Gottes ab. Siehe, es war alles sehr gut.

 

Und was haben wir daraus gemacht? Die göttlichen Gaben und Liebe in Schuld und Sünde verkehrt. So zeigt es ein Blick in die Welt. Es ist zum Verzweifeln – wohl auch für den Schöpfer des Lebens.

 

Vor drei Wochen haben wir der Geburt Jesu Christi gedacht. Damals in Bethlehem hat Gott nochmals gesprochen: Lasset uns den Menschen machen… Und dieser wurde dreißig Jahre später auf Pilatus Geheiß ausgepeitscht und mit Dornen gekrönt und als harmloser, elender Mensch der Menge präsentiert. Dazu sagte Pilatus: Ecce homo! Seht den Menschen!

Pilatus wußte gar nicht, wie tief die Wahrheit aus seinem Satz herausleuchtet.

In Jesus steht vor uns der Mensch, wie Gott ihn von Anfang an gedacht und geschaffen hat, als den, der Gottes Hingabe abbildet. So sieht Gott auch dich und mich! Jesus Christus ist eben auch der Impuls Gottes, daß wir werden, was wir in seinen Augen schon sind.

 

Nun aber zu den Klon-Babies von Frau Boisselier. Vermutlich sind sie ja nur ein Werbegag. Es könne noch gar nicht funktionieren, sagen die seriösen Wissenschaftler.

Aber täuschen wir uns nicht! Irgendwann kommt das! Was sich der Mensch in den Kopf gesetzt hat – er wird es realisieren. Und wenn es eine noch so große Dummheit ist, ob der alle den Kopf schütteln – ein Schurke findet sich immer, der daraus Profit schlagen will.

Also müssen wir uns darauf einstellen: Wie gehen wir mit geklonten Menschen und der Klontechnologie um? Ist das Klonen gut, ist es schlecht?

 

Es ist einmal mehr ein Lehrstück vom Umgang mit unseren Fehlern. Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Auch ein geklonter Mensch wird ein Mensch sein. So können wir die Geklonten nicht fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel. Gott läßt uns ja auch nicht fallen.
 

Persönlich meine ich, daß der Satz: Lasset uns Menschen machen ganz in Gottes Domäne gehöre. Anderseits warten viele Kranke, denen bis heute niemand helfen kann, darauf, daß das therapeutische Klonen ihnen endlich eine Chance auf Heilung bringe. Es ist wie bei allen Erfindungen und Technologien. Es kommt drauf an, ob wir sie verantwortbar einsetzen. Ach wenn es doch einfach wäre, zu sagen, was guter und was schlechter Einsatz wäre!

 

Was nun würde Jesus zu Brigitte Boisselier sagen? Ich kann natürlich auch nur meine Vermutungen anstellen:

«Brigitte, Deine Leute sind geschickt, wagemutig. Du bist klug. Kein Wunder, dafür hat Gott euch den Verstand gegeben. Aber, bitte, verliere nicht das Augenmaß. Hast du deine Grenzen bedacht?

Du hast da eine Türe geöffnet, welche nicht für dich bestimmt ist. Suchst Du nur dich? Du wirst arm bleiben! Wie willst Du das Leben entdecken, wenn du nur dich in alle Ewigkeit kopieren willst und nicht offen für die Begegnung mit den Menschen und Gott wirst?»

Vielleicht würde sich Jesus auch an den Kopf schlagen und ausrufen: «Auch das noch! Brigitte! Was machst Du für einen gefährlichen Unsinn! Wie lange muß ich euch noch aushalten! –  –  Aber ich habe versprochen, euch zu tragen und zu vergeben; bis ans Kreuz habe ich euch ausgehalten und getragen –  Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie leichtfertig ihr damit umgeht. Ich hoffe, daß ihr merkt, was es bedeutet, wenn ich euch trage und vergebe. Daß es ein neuer Anfang ist.

Amen

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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