Konfirmation am 2. Juni 2002 - Predigt Pfr. Mathias Rissi Genesis 32,23-32

1. Mose 32, 23-32        Jakobs Kampf mit Gott an der Furt des Jabbok

Liebe Gemeinde

Wenn die Zeit für mich stimmt, dann überquere ich den Fluß – so habt ihr Konfirmanden im ABBA-Song gesungen. Und dann geht am Ende auch noch die Sonne auf. Perfekte Dramaturgie... Ende gut! Alles gut!

Was wünschte ich mir aus tiefem Herzen mehr, als daß der Konfirmandenunterricht, aber auch der heutige Gottesdienst für uns alle ein solches «Pniël» sein dürfte, so daß es dann auch für uns heißen kann: da ging die Sonne auf.

Ich vertraue darauf, daß das geschehen kann, weil Gott seinen heiligen Geist zu unserm Tun gibt.  -  Wann geht denn die Sonne auf über einem Menschenleben? Unser Bibelwort sagt es ganz klar: dort wo der Mensch den Segen Gottes gefunden hat. Genau das war der Kampf, den Jakob am Grenzfluß Jabbok geführt hat: «Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.»

Warum nur stößt Jakob in diesem nächtlichen Kampf den Schrei aus: «Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.» - Ist er denn nicht schon gesegnet? Er repräsentiert doch sozusagen die biblische Version «vom Tellerwäscher zum Millionär»: Mit nichts als einem Wanderstab und einem schlechten Gewissen ist er vor zwanzig Jahren hier vorbeigekommen. Auf der Flucht. Er hat Vater und Bruder hinterlistig betrogen. Jetzt kehrt er mit zwei Frauen und elf Söhnen, mit Herden von Schafen und Rindern, mit Knechten und Mägden heim, hat er dann nicht Segen genug? Ist er etwa von der menschlichen Krankheit befallen, daß er immer noch mehr will? Nein, das ist es ganz bestimmt nicht.

Oder traut Jakob vielleicht seinem Segen nicht ganz? Dämmert ihm vielleicht die Erkenntnis auf, daß das, was er hat, vielleicht gar nicht Segen ist, sondern nur Erfolg...  Man könnte ihm zu solcher Erkenntnis nur gratulieren. Wir können da als heutige Menschen durchaus nachfühlen. Wir leben schließlich in einer Zeit der imposantesten Erfolge, im Mikro- und Makrokosmos, von der Gentechnologie bis zur Weltraumforschung. Ist Erfolg immer auch Segen? So fragen wir zweifelnd.

Es ist wohl auch nackte Angst. Angst vor der Zukunft, Angst vor seinem Bruder Esau: Angst vor Esau's Rache! Grund zu solcher Angst hätte er weiß Gott genug. Solche Angst wäre auch für uns wahrhaftig aktuell. Wir Menschen haben die Schöpfung betrogen, zu unserm Vorteil ausgenutzt, ja geschunden. Ob diese Schäden wieder gutzumachen sind oder ob wir zu spät reagieren? Aber nein, auch das ist's nicht. Natürlich hat Jakob Angst, aber er weiß, mit der Angst umzugehen. Wie geschickt hat er die Sache organisiert. Einen Teil seiner Herden sortiert er als Geschenk für seinen Bruder Esau aus. Und dann schickt er diese Geschenkherden schön in drei Wellen voraus um - nach einer Art verkehrter Salamitaktik - Esau immer mehr zu verwöhnen und ihn schließlich zu versöhnen.

Die Konfirmation ist auch eine Art Flußübergang, ein Übergang in die eigenständige Zukunft junger Menschen. Wie geht es weiter in einer neuen Schule, in der Lehre, mit neuen Leuten und dann später einmal in der erträumten, eigenen Wohnung in Zürich?

Auch die Eltern befinden sich in einer Übergangszeit. Jahrelang haben sie für ihre Kinder gelebt, haben manches geopfert und auch viel Schönes zusammen erlebt. Und nun wird der Sohn, die Tochter immer mehr selbständig und geht ein wenig auf Distanz von uns Eltern. Das macht Freude, aber das bedeutet ja auch, für das eigene Leben neu zu fragen: wofür lebe ich, wenn meine Kinder mich nicht mehr sosehr brauchen.

Und die Großeltern haben auch ihren eigenen Jabbok, den sie überschreiten, weil für viele die Zeit der Berufsarbeit zu Ende ging oder geht. Was ist unser neuer Lebensinhalt? Die Konfirmanden haben im Unterricht ihre Gedanken zur Zukunft aufgeschrieben: Freude und Sorge. Mir ist aufgefallen, daß sie unterscheiden:

Sehr persönlich sind die Wünsche und angepeilten Erfolge, global hingegen die Sorgen. Das ist wohl etwas typisch für uns: wir sind abgestumpft von den Schreckensnachrichten. - «Man kann ja doch nichts machen», wird gerne gesagt. Unsere Jugendlichen heute kennen auch die bange Frage nach der Zukunft. Aber da ist auch eine Hoffnung.

Eigentlich war das schon bei Jakob ähnlich. Wir beschäftigen uns wie mit unserm Glück und unserer Karriere. Das ist unsere Zukunft. Viel Glück und Erfolg – das andere blenden wir aus – bis es uns einholt.

Ich erinnere mich an unsere dritte Konfstunde am Dienstagabend.  Die Jugendlichen hatten nach der Schule, wie viele von uns, auch ich, am TV ungläubig jene Bilder von den Towers in New York gesehen... da wurden uns nicht nur der Terror, sondern auch die Ungerechtigkeiten dieser Erde bewußt.

Aber Jakob hat das schon vorgemacht und sein Heil im Stillen für sich gesucht und alles selber organisiert. Trotz seiner schlauen Organisation der Zukunft erfährt er, daß ihm da etwas im Wege steht. Nein, nicht etwas, - Gott steht ihm im Weg. Das wird hier berichtet in der Schilderung des geheimnisvollen Mannes oder Engels, der mit ihm ringt, und der Gott ist. Jakob hat eine Zukunft und die ist Gottes Segen. Gott hat seinem Großvater Abraham die Segensverheißung gegeben. Die darf und muß er weitertragen. Das ist nicht selbstverständlich. Gott hätte allen Grund, den Jakob aus seiner Liste zu streichen nach allem, was er in seinem Leben geboten hat. Darum fragt Gott in diesem Kampf auch nach seinem Namen. «Wie heißest du?» Jakob soll es selber sagen. Jakob heißt «Betrüger». Ja Gott hat recht, wenn er ihm den Weg versperrt. Und Jakob hat eine einzige Waffe in diesem Kampf. Er hat das Wort. Das Wort der Verheißung des Segens. Daran klammert er sich fest. Darum schreit er es heraus: «Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!»

Und Gott läßt sich schlagen, nicht erst im Neuen Testament, schon im Alten läßt Gott sich schlagen. Eigentlich ist in dieser alten Geschichte von Jakob, dem Gottesstreiter, auf das Neue Testament hingewiesen. Der wirkliche Gottesstreiter ist ja Christus. Er hat die Welt geliebt und die Menschen nicht aufgegeben und für uns gerungen mit unserer Schuld und mit dem Tod, den Kampf mit der menschlichen Hoffnungslosigkeit gekämpft und gesiegt am Kreuz und am Ostermorgen in der Auferstehung.

Jakob als Gottesstreiter hat Gott festgehalten. Denn Gott läßt sich festhalten. – Darum haltet Gott fest: Das ist seine Liebe. Obwohl wir nicht über ihn verfügen können: er ist da: ganz grundsätzlich und z.B. im Gebet, im Gottesdienst. Ja, auch in seiner doch immer wieder armseligen, ja versagenden Kirche. Er läßt sich zu ihr herab. Wer kann das verstehen? Müssen wir auch nicht. Kein Mensch kommt ans Ziel ohne diesen Segen Gottes, das wird allen spätestens am letzten Jabbok klar werden. Aber ich will immer wieder hoffen und darum beten, daß ihr, liebe Konfirmanden, und wir alle, ohne eine einzige Ausnahme, uns nicht oberflächlich durch das Leben schummeln, sondern den Kampf mit Gott kämpfen für unsere ganze Welt.

Jakob nannte die Stätte dieses Geschehens «Pniël» d.h. Angesicht Gottes. «...denn, sagte er, ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut und bin am Leben geblieben.»

Was hat Jakob gesagt: «Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.» In der Taufe ist das umgekehrte geschehen: Da sagt Gott zu uns:: Ich lasse dich nicht! Am Karfreitag und an Ostern hat er das gezeigt, indem er für die Menschen litt und das Licht der Auferstehung das Todesdunkel durchbrach. ­

Das gilt! Und das gilt es festzuhalten. Nicht, daß es uns geht wie jenem Appenzeller der in einer Hungersnot wie viele andere auswandern mußte. Seine Heimatgemeinde bezahlte ihm die Schiffspassage in der 3. Klasse. Er schiffte in Hamburg ein. Mit seinem kleinen persönlichen «Wärli». Zu Essen hatte er einen Laib Brot und einen Käse dabei. Nur, das Brot wurde immer weniger und der Käse war auch einmal fertig gegessen. Voller Hunger strich er am Eßsalon vorüber. Er muß mitleiderweckend ausgesehen haben. Schließlich fragte ihn ein Steward nach seinem Problem. Der Appenzeller schilderte seine Not. Der Stewart schaute ganz ungläubig drein: «zeigen sie mal ihr Ticket – da steht doch Vollpension drauf!» - Ja das wäre dumm, wir könnten bei Gott in «Vollpension» leben und würden statt dessen nur am alten Käse rumknabbern.

Jakob hat Gottes Segen am «Pniël» gefunden. Wir wollen Gott dafür danken, wenn er es uns schon geschenkt hat, und wir wollen Gott bitten, daß er jedem von uns sein «Pniël» schenkt, seinen Ort, wo er dem lebendigen Gott begegnen durfte. Das ist der Startplatz, von dem aus wir mit Jesus Christus die Zukunft anpacken dürfen. Mit ganz großem, unerschütterlichem Vertrauen, mit wirklicher Freude auf die Zukunft. Weil durch Jesus Christus tatsächlich die Sonne aufgeht. Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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