Sonntag, 8. Juli 2012 - Pfr. Mathias Rissi
Abschiedsgottesdienst in Meilen
Jesus Christus ist derselbe gestern,
heute und in Ewigkeit. Hebräerbrief 13,8
Liebe Gemeinde hier in der Kirche und im Alterszentrum
Ab und zu kreuzt vor Meilens Ufer die »Panta rhei«. Ästhetisch scheiden sich an
ihr die Geister. Unabhängig davon, ob sie einem besser oder weniger gefällt, sie
erinnert an die alte griechische Weisheit: Alles fließt, es kommt und geht. Am
heutigen Tag, an dem ich Abschied nehme von der Kirchgemeinde Meilen, ist das
mir und ihnen allen wohl sehr bewußt. Wir sind unser Leben lang unterwegs,
Wanderer eben durch die Zeit. Manchmal erobern wir neue Welten, dann fühlen wir
uns wieder in heimatlichen Gefilden wohl und oft genug müssen wir hergeben, was
und wer uns lieb war.
Daß wir als Brüder und Schwestern Christi unterwegs sind, das ist das Thema des
13. Kapitels im Hebräerbrief. So wollen wir dieses Wort aus dem Hebräerbrief
heute zu uns sprechen lassen. Es spricht vom Gestern, vom Heute
und von der Zukunft.
Genau das tun wir, wir schauen zurück: Wenn ich in Eure Gesichter blicke, wird
mir soviel in 23 Jahren gemeinsam Erfahrenes gegenwärtig: Begegnungen, Vertrauen,
Freud und Leid, Taufen, etwa 400 Konfirmanden haben durch meine Schule gehen
müssen oder dürfen, Trauungen, Beerdigungen, Seelsorge – mit den einen von Euch
war ich ganz nah verbunden, mit anderen vielleicht mit etwas mehr Distanz aber
genau so vertrauensvoll.
Da überwältigt mich eine große Dankbarkeit für die lebendige, vielgestaltige und
engagierte Gemeinde, in der ich wirken durfte. Was alles war doch möglich in
diesen Jahren: Kirchenjubiläum, Jazzgottesdienste, Ländeli, Jodlermessen, Ufwind,
Bazare, Glaubenskurse, Suppenkeller, Lager und Reisen – aber auch
Unspektakuläres wie die gepflegte Musik, der Religionsunterricht oder die
Bibelstunden – und das alles mit so vielen freiwillig Engagierten. Wie haben wir
zusammen gelacht oder geweint und gehofft. Gewiß denke ich auch an
die
Gesichter jener, die nicht mehr da sind
–
Johann Wolfgang von Goethe ließ seinen Faust sprechen: »Augenblick verweile doch,
du bist so schön...« – soviel Wehmut klingt da mit. Wir möchten festhalten, was
vergangen ist. Nostalgische Gedanken nehmen uns in Beschlag – aber das ist eine
Sackgasse. Und es ist auf die Dauer langweilig immer im Gestern zu leben.
Ein Teil dieses kirchlichen Lebens hängt gewiß von den Personen ab, auch von uns
Pfarrern. Eins aber ist klar: Jesus Christus ist derselbe gestern,
heute und in Ewigkeit. Das wollen wir festhalten: Einer war immer da: Gott,
der uns in Christus zum Bruder geworden ist. Der mit seiner Treue den Weg des
Leidens und sogar des Sterbens nicht gescheut hat, damit wir gewiß sind: Es gab
und gibt keine Stunde, weder glückliche noch traurige, wo nicht er treu an
unserer Seite wäre.
Damit kommen wir zum mittleren Teil des Verses: Jesus Christus ist derselbe
heute – der auferstandene Gekreuzigte lebt: er lebt auch als
Gemeinde. So sagt es der Apostel Paulus mit seinem Bild vom Leib Christi
In dem wir als Gemeinde zusammenhalten: die Gemeindeglieder genau so wie die
Angestellten und Beauftragten in der Kirche: Diakone, Sigristen, Sekretärin,
Musikerinnen, Kirchenpflege und Pfarrkollegen. Als Brüder und Schwestern in
Christus sollen wir im Alltagsgetümmel das eine nicht vergessen, sondern
bekennen. Jesus Christus ist gegenwärtig, da wo Kirche gelingt, wo ir zu einem
Organismus werden, aber auch da wo wir unsere Mängel haben. Er ist gegenwärtig
mit der Fülle seiner Liebe und will diesen Mangel ausfüllen.
Wo aber geht die Reise hin? Ein paar Verse weiter steht:
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die
zukünftige suchen wir.[1]
Der Hebräerbrief weiß, daß wir Pilger sind.
Pilgern ist doch sehr modern geworden. Manche nehmen sich eine Auszeit, um zu
pilgern und in der hektischen Zeit Ruhe und Orientierung zu finden. Andere
pilgern um in der Stille im Wandern Gott Raum zu geben.
Unser Leben ist menschlich gesehen eine Reise von der Geburt bis zum Tode.
Mit den Augen des Glaubens betrachtet ist unser Leben eine einzige große
Pilgerreise zu einem weiteren Ziel. Wir sind unterwegs. Zwar möchten wir gerne
da und dort verweilen, aber wir kennen das Ziel. Dorthin sind wir unterwegs. Die
Bibel sagt nicht: der Weg ist das Ziel – obwohl schon viel gewonnen wäre, wenn
Menschen nicht hocken bleiben, sondern unterwegs sind.
Meilen oder Niederweningen sind Stationen. Uns als Christen aber verbindet das
Ziel »Ewigkeit«. Und wieder ist es Christus: derselbe gestern, heute und in
Ewigkeit. Dieser Gott, der sich uns so bedingungslos zugewandt hat, der in der
Auferstehung unseren Tod schon überwunden hat, er wird wiederkommen und die
Vollendung stiften, für die wir uns doch so einsetzen und sie doch nicht
erreichen. Liebe Gemeinde, es ist für mich unerheblich, ob ich mir mit meinem
Spatzengehirn diese Wiederkunft vorstellen kann. Aber ich vertraue darauf, daß
wir dann verstehen und erkennen
werden, wie auch wir jetzt schon von Gott erkannt sind.[2]
So lädt Gott uns heute ein: uns erstens dankbar und versöhnt des Vergangenen zu
erinnern, aber nicht ein Museum einzurichten, sondern zweitens voll Vertrauen
das Leben, das weitergeht, zu wagen. Er begleitet, ermutigt, tröstet und
versöhnt auf unserer Pilgerreise.
[An dieser Stelle folgte die Veranschaulichung mit dem Jojo, welches Auf und Ab
kennt und gelegentlich fast durchdreht, wie wir Menschen manchmal auch,
oder den Schwung vollends zu verlieren droht. Doch es
lebt davon, daß über ihm eine Hand ist, die es hält, Schwung gibt und dann
einmal aufnimmt und vom Rotieren erlöst.]
Und drittens lädt Gott uns ein, in der Hoffnung unterwegs zu sein, daß einst
die Geborgenheit in Gottes Hand das Auf und Ab erlöst.
Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.
Amen
[1] Hebr 13,14
[2] 1. Kor.13, 9-12 Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser prophetisches Reden. Wenn aber das Vollkommene kommt, dann wird zunichte werden, was Stückwerk ist. Denn jetzt sehen wir alles [wie] in einem [gehämmerten Metall-]Spiegel, in rätselhafter Gestalt, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich ganz erkennen, wie ich auch ganz erkannt worden bin
Musik, Lieder, Texte
Eingangsspiel | Johann Sebastian Bach, 1. Satz aus dem Concerto a-Moll BWV 593 (nach Vivaldi) |
Lied 98 1,3,6 | Du meine Seele singe |
Chor | John Rutter, God be in my head |
Lesung | Psalm 103,1-4 |
Lied 27 1,3 | O Höchster Deine Gütigkeit |
Zwischenspiel | Johann Sebastian Bach, Adagio aus der Toccata in C BWV 564 |
Lied 652 1-2 | In dir ist Freude |
Chor | John Rutter, The Lord bless you |
Chor | John Rutter, Go forth in peace |
Lied 554 6 | Der Du allein der Ewge heißt |
Ausgangsspiel | Johann Sebastian Bach, Choralvorspiel „In dir ist Freude“ BWV 615 |
Mitwirkende:
Barbara Meldau, Orgel
Die offene Singgemeinschaft unter Leitung der Kantorin Aurelia Pollak Weinmann
Und als Überraschung
spielte Thomas Grünwald, Saxophon, begleitet von Barbara Meldau,
Orgel, vor dem Segen
den Frank-Sinatra-Titel: My Way
Pfr. Mathias Rissi
Zum Predigtverzeichnis Zur Hauptseite
Ufwind - Gemeindeaufbau der Evang.-ref. Kirchgemeinde Meilen