17. Juli 2005 - Predigt Pfr. Mathias Rissi Jes 55

Jesaja 55,10-11  Gott und das Wetter - Sein Wort durchdringt die Erde, wie Regen und Schnee   Jes 55,10f

 

Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel herabkommt und nicht dahin zurückkehrt, [sondern zuvor] die Erde tränkt, daß sie fruchtbar wird und sproßt und dem Sämann Samen und dem Essenden Brot gibt, so auch mein Wort, das aus meinem Munde kommt: es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern wirkt, was ich beschlossen, und führt durch, wozu ich es gesendet!

Jesaja 55, 10-11

 

Liebe Gemeinde

 

Wenn ich meine Kinder im Haus rufe, dann tönt es von ferne gern etwa so: «Chume grad…» oder «Bi no schnäll im Internet» oder «Ich mues nu no…»  Aber dann geschieht oft lange nichts. Ja, menschliche Worte sind Schall und Rauch… oder bewirken sie etwas? Und Gottes Wort? Wirkt es nur, wenn man daran glaubt, oder hat es auch so Macht? Es kommt ganz drauf an. Es gibt Worte, die bewegen sehr wohl: «Ich liebe dich» - da geht der Puls hoch. Bei «Du Hund!» da steigt die Aggression. Und wenn der Richter dem Angeklagten sagen kann: «Ich spreche Sie frei!», dann ist das etwas ganz anderes als das Urteil «Lebenslänglich!»

 

Menschenworte haben also durchaus Macht. Und Gottes Wort?

Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel herabkommt und nicht dahin zurückkehrt, [sondern zuvor] die Erde tränkt, daß sie fruchtbar wird und sproßt und dem Sämann Samen und dem Essenden Brot gibt, so auch mein Wort, das aus meinem Munde kommt: es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern wirkt, was ich beschlossen, und führt durch, wozu ich es gesendet!

Mit diesem Vergleich wird die Wirkung von Gottes Wort mit der von Regen und Schnee verglichen. Genau so kommt auch Gottes Wort nicht leer zurück. Es hat Wirkung. Es erreicht sein Ziel. Es regeneriert sich wieder und wieder.

 

Der Regen durchtränkt die Erde. Was will Gottes Wort ausrichten? Wozu ist es gesandt? Die Heilige Schrift bezeugt, daß es eh und je Menschen bewegen wollte und will, daß sie Gottes Botschaft «Ich liebe Dich» vernehmen; daß sie es hören und glauben, wenn er zu ihnen spricht: Du bist frei!

 

Eine starke tröstliche Botschaft ist das. Brauchen das die Menschen heute? Suchen sie es? Das Volk, dem Jesaja diese Worte zuspricht, es brauchte sie. Das Volk Israel war im Exil: Die großen Taten Gottes waren längst vergangen: Abraham, das war schon über tausend Jahre her, der Auszug aus Ägypten und das grandiose Königreich Davids – sie lagen Hunderte Jahre in der Vergangenheit. Jetzt saßen die Israeliten an den Flüssen Babylons und weinten. Sie hatten von ihrer Heimat nur noch das Bild vom zerstörten Jerusalem und den Trümmern des Tempels als Erinnerungen. Sie waren am Boden zerstört.

Menschlicher Trost ist da teuer, wenn es keine Hoffnung gibt.

 

Gottes Botschaft ist nicht selbstverständlich oder menschlich gesehen logisch.  Der zweite Jesaja [1] hat darum nicht mehr zu warnen und das Gericht anzukünden. Seine Botschaft beginnt mit den Worten Tröstet, tröstet mein Volk. [2]

 

Auch heute warten Menschen darauf! Nicht wahr, wir funktionieren in der Regel alle recht gut – oft jahrelang, bis eine Krise uns bohrende Fragen aufzwingt. Unsere Jugend, wie gut hat sie es doch. Kaum ein Wunsch, den die Eltern nicht zu erfüllen versuchen – und doch sind viele Junge unbefriedigt. Oder die Frauen, Männer in Beruf und Familie –  wer einen Gelderwerb hat schätzt sich glücklich, viele leisten sich in diesen Wochen tolle Ferien – und trotzdem strotzen sie nicht von Glück. Wir probieren uns selber zu verwirklichen, wie keine Generation zuvor. Woran fehlt es nur?

 

Das Gotteswort mahnt uns. Es könnte sein, daß Gott anderes mit uns vorhat, als wir uns vorstellen: Meine Gedanken sind nicht Eure Gedanken! [3]  Das ist manchmal recht schwierig. Es ist ja schon schwierig genug, wenn die Kinder das zu den Eltern sagen: «Eure Wege sind nicht meine Wege. Ihr versteht mich nicht.»

 

Wir beklagen, daß Traditionen verschwinden und die Kirche keinen starken Stand mehr hat. Wir beklagen den Verlust an Glauben und Kenntnis des Gotteswortes. Wir meinen vielleicht, die Menschen müßten Gott ernsthafter suchen, dann würde es mit der Solidarität und den andern Werten wieder aufwärts gehen.

 

Aber unsere Wege sind andere Wege als die seinen und seine Gedanken höher als die unseren. Der Prophet Jesaja wurde von Gottes Wirklichkeit überholt! Sucht den Herrn!, sagt er. Wir wissen, wie das Wort vom Regen und vom Schnee noch ganz anders Wirklichkeit wurde: Gott sucht uns!

Im Anfang war das Wort (der Logos), und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort…. Und das Wort ward Fleisch und wohnt unter uns. Und wir sahen seine Herrlichkeit. [4]

 

Gottes Wort hat die Erde nicht nur besprengt sondern getränkt. Er - der Logos - hat sie durchdrungen, indem das Wort Mensch wurde in Jesus Christus. Das Wort hat sich mit der Erde verbunden auf Gedeih und Verderben im Gekreuzigten und Auferstandenen. Seither dürfen wir Menschen es wissen und uns daran festhalten: in jeder Stunde unseres Lebens gilt es, daß er bei uns ist, um uns sein JA, seine Versöhnung und allen Lebensmut für heute und morgen zu geben.

Die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum, die wir als Lesung gehört haben, sie bekennt Jesus als das vollmächtige Wort Gottes. Der heidnischen Hauptmann hat das begriffen: Du mußt nicht selber kommen: Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht geheilt!

 

Ja, Gottes Wort wirkt, es wirkt ohne unser Zutun, es wirkt von selbst und «einewäg». So kann es sogar passieren, daß Menschen, die nicht in der Kirche und ohne biblische Geschichten aufgewachsen sind, von Gottes Wort erreicht werden, weil sie dann irgendwann auf dieses Wort gestoßen sind und die überwältigende Kraft dieser Botschaft erfahren haben.

Zwei Dinge folgen daraus:

Wir sollten darum einerseits weniger Angst haben, daß der Glaube aussterbe. Nicht wir Menschen bewirken ihn, sondern der Herr macht ihn! Und es regnet bei so vielen Gelegenheiten Gottes Wort auf die Erde: hier in der Kirche jeden Sonntag oder am Samstagabend, zuhause, wo Menschen die Losung lesen oder die Bibel, im Unterricht, am Krankenbett, am Arbeitsplatz oder am Bett der Enkel, in einem Hotelzimmer in den Ferien, auf einer Schrifttafel mit einem Psalmwort in den Bergen. Gottes Wort wirkt, wozu es gesandt!

Anderseits wirkt Gottes Wort in Verbindung mit Menschen, die es aufnehmen. Mit unserer begrenzten Kraft dürfen wir darum Mitarbeiterinnen und Botschafter der Zukunft Gottes werden. Wie das Wort genau wirkt, das wird sich weisen… auch Israeliten kannten den Weg nicht von vornherein.

 

Daß Gottes Wort sich durchsetzen wird, ist tröstlich für uns und alle, die dem Auftrag der Verkündigung gerecht werden wollen. Gottes Wort bewegt die Menschen zur Umkehr und zur Auseinandersetzung mit uns selbst. Es gibt uns die Kraft, auf andere Menschen zuzugehen und ihnen beizustehen. Mit dieser Gewißheit können Menschen ausziehen, wie die Israeliten im Exil zu Babylon. Mit dieser Verheißung dürfen wir leben und arbeiten. Die Worte Dietrich Bonhoeffers trösten und ermutigen uns: «Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber seine Verheißungen erfüllt Gott.»

Amen


 

[1] Das Buch Jesaja beschreibt einen mehrere Generationen währenden Zeitraum. Der erste Prophet Jesaja (Kap 1-39) wirkte etwa ab 740 v. Chr. in Jerusalem, der zweite (Kap 40-55) während des babylonischen Exils und der dritte(Kap 56-66) gegen das Ende des Exils 536)

[2] Jesaja 40,1

[3] Jesaja 55,6

[4] Johannes 1,1+14

Pfr. Mathias Rissi

 

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