Predigt im Neuen Abendgottesdienst
7. November 2015
Pfr. Mathias Rissi
Johannes 14,19 Ich lebe und auch ihr werdet leben
Vorbemerkung
Nach mir die Würmer ! ?
Illustration rechts:
Mittelalterliche Vorstellung: Kombination von Fegefeuerlehre und Lehre vom
Jüngsten Gericht. |
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Liebe Gemeinde
Nach mir die Würmer!? – Ich habe diesen
zugegeben reißerischen Slogan für den heutigen Abendgottesdienst mit einem
Ausrufezeichen und einem Fragezeichen versehen.
Mit dem Ausrufezeichen, weil das heißt: Dieses Leben, das war's. Also lebe ich
heute mit Vollgas und erlaube mir totale Freiheit. Wenn das Leben vorüber ist,
dann ist Totenstille.
Anderseits: ein ganzes Leben leben, arbeiten, Leidenschaft, Mißerfolge und
Erfolg haben – und dann einfach Ende, aus, die Würmer? Kann das wirklich alles
gewesen sein?
Weil es eine umstrittene Sache ist, ob das ewige Leben kommt, und niemand so recht sicher ist, haben wir heute abend ein spannendes, heikles Thema vor. Ich bin aber sicher, daß wir zusammen auf einige Anregungen stoßen.
Laßt mich mit Humor beginnen, so geht es leichter: Zwei Mitarbeiter unterhalten sich: "Schon tragisch, der plötzliche Tod des Abteilungsleiters so mitten aus Familie, Beruf und Leben" – "Ja, schlimm auch, daß es da noch zweiter auch starb!" – "Welcher zweite?" – "Na, der andere. Es heißt doch in der Todesanzeige: Mit ihm verlieren wir den besten Mitarbeiter…"
Daß es ein Leben nach dem Tod gibt, müssen wir glauben, aber wissen es nicht. Daß wir sterben müssen, wissen wir, aber können es oder wollen es nicht glauben!
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Das kann
man nicht auf die leichte Schulter nehmen, schon deshalb nicht weil die
Fachgelehrten aus Theologie verschiedene Vorstellungen haben. Nicht anders bei
den Medizinern und den Naturwissenschaftlern. Die christliche Idee vom Jenseits
ist sowieso schwierig. Wir haben das am mittelalterlichen Schema vom Jenseits
mit Hölle und Fegefeuer gesehen. Da denken heute etliche: Da ist mir die Idee
von der ewiger Wiederkehr sympathischer. Zum Beispiel im Buddhismus. In den
östlichen Weltreligionen herrscht die Idee vor, daß gar nichts verlorengehe. Das
sage ich mir jeweils auch, wenn ich meinen Schlüsselbund suche.
Aber ich finde einen fatalen Unterschied im Buddhismus. Der ist nicht eigentlich
eine Religion, sondern eine Denk- und Lebensweise. Als Mensch stehe ich nicht
Gott gegenüber, sondern bin mit mir allein. Als Hindu oder Buddhist habe ich nur
ein Ziel: ich möchte den Kreislauf durchbrechen und endlich Ruhe haben.
In Thailand, was ich erlebt habe, schütteln die Leute den Kopf, wenn sie
westliche Buddhisten schwärmen hören. Nein, das Nirwana, das "Verwehen" der
Seele, ist erstrebenswert.
Neben den christlichen und den östlichen
Vorstellungen gibt es auch noch atheistische, esoterische oder nihilistische
Ideen, um nur ein paar zu nennen.
Und was tut der moderne Mensch, wenn die Auswahl und die Unsicherheit und das
Thema so unangenehm sind – er verdrängt die störenden Gedanken und Fragen: Wie
es in jener Buchhandlung geschah. Die Buchhändlerin entdeckt einen Kunden, der
unschlüssig vor den Gestellen steht. "Kann ich ihnen helfen?" – "Bitte, ich
brauche ein Buch für einen kranken Freund." – da meint sie: "Dort drüben haben
wir die religiöse Literatur, oder geht es ihm schon wieder besser?"
Der Gedanke an Endlichkeit ist
unerträglich. Er bürdet dem Heute eine ungeheure Last auf: Ich will alles und
zwar subito.
Es ist, wie der tschechisch-französische Schriftsteller Milan Kundera in seinem
Buch "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" schreibt: Wir sind wie
Schauspieler, die ohne Text und Drehbuch auf die Bühne gestoßen wurden. Wir
wissen unsere Rolle nicht, aber alles muß sofort klappen, denn die Generalprobe
ist gleichzeitig die Premiere und es gibt nur eine Aufführung.
Übungsabbruch, nochmals von vorn! Das geht im Theater, aber nicht im Leben!
Es bleibt also nicht übrig, als daß wir
uns der Frage stellen: Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Als Christ muß ich sagen: Nein: Er gibt ein Leben nach dem Tod.
Woher nehmen wir die Gewißheit? Viel gehört ist die Ausrede: Keiner ist je von
den Toten zurückgekommen. Aber die Bibel widerspricht: Doch, einer, genau einer,
Jesus Christus ist zurückgekommen.
Und dies ist für die Christenheit kein Detail. Wenn Christus nicht auferstanden
ist, wozu kommen wir dann zusammen? Dann wäre doch jeder Gottesdienst ein
Beerdigungsgottesdienst. Er wäre nur eine Gedenkfeier für einen bedeutenden
Verstorbenen. Weshalb ausgerechnet Jesus? Mahatma Gandhi, Johann Wolfgang Goethe
oder Jeremias Gotthelf wären doch auch bedeutende Menschen gewesen. Da könnte
man doch auch eine wöchentliche Gedenkfeier für sie machen. Was wäre denn da
noch für ein Unterschied?
Paulus schreibt:
Ist Christus nicht
auferweckt worden, so ist unsere Predigt leer und wir sind Lügner!
(1. Kor 15,14f)
Allein an Christus, dem Auferstandenen, hängt also die Hoffnung auf das ewige
Leben.
Der Auferstehung ist allerdings
schwierig beizukommen:
Im naturwissenschaftlichen Weltbild hat sie bisher keinen Platz mehr
gefunden.
Sogar archäologisch wird es schwierig. Der römische Kaiser Hadrian ließ
um Jerusalem neu aufzubauen, 130 n.Chr. das alte Jerusalem einebnen. Erst mit
Kaiser Konstantin wurde 335 n.Chr. das Grab "entdeckt" – ausgerechnet unter
einem Venustempel, der nun ja überflüssig wurde, als das Christentum salonfähig
wurde im Römerreich.
Wer heut in Jerusalem ein Taxi besteigt und zum Grab Jesu gefahren werden
möchte, den fragt der Chauffeur: "Welches Grab Jesu? Das der Armenier, der
Orthodoxen oder der Franziskaner, oder das Gartengrab der Anglikaner und
Freikirchen oder das Talpiot-Felsengrab ?
Aber auch wenn wir die Bibel befragen, sind die Zeugen widersprüchlich:
Wie war das mit dem Stein? Waren es eine, zwei oder drei Frauen am Grab, War
Petrus der erste, oder doch Johannes. Bewachte ein Engel (Markusevangelium) das
leere Grab, oder waren es zwei?
Maria von Magdala, die als erste den Auferstandenen gesehen haben soll, habe ihn
zuerst nicht erkannt und Jesus für einen Gärtner gehalten.
Und die Emmausjünger ließen sich auf dem langen Heimweg von Jerusalem durch den
mitwandernden Jesus Die Kreuzigung und Auferstehung erklären und merkten doch
erst, daß es Jesus was – als er schon wieder weg war.
Und schließlich ist noch das Problem der Leiche Jesu: es gab keine! Dies ist aber das kleinste Problem: Denn hätte es eine Leiche gegen, da hätten Jesu Gegner, die Römer und die jüdische Tempel-Obrigkeit, keinen Moment gezögert, sie auszustellen, um dem "Gerede" von Auferstehung ein Ende zu bereiten. – Aber es gab eben die Leiche von Jesus nicht zum Vorzeigen.
Ob sich die Menschen das nicht
eingebildet haben, sie hätten den Auferstandenen gesehen und erlebt?
Halluzinationen wären auch ein Möglichkeit. Aber nein. Es war den Zeugen ja
peinlich, sie hatten Angst, hätten es wohl lieber verschwiegen.
Und zudem waren es Frauen – die waren im römischen Recht nicht als Zeugen
zugelassen vor Gericht. Da zählten nur die Männer. Wenn nun also Frauen die
ersten Zeugen des Auferstandenen waren, so schließen die Wissenschaftler, daß
das Grab wirklich leer war, und etwas dran sein Muß an der Auferstehung!!! Ja,
es zeigt Gottes Humor gegen die Machos und Chauvinisten der damaligen Zeit denen
Gott in ihren Richterroben eine Kopfnuß verpaßt.
Und so ist es seither geblieben: Aber er
ist da. Jesus lebt. Ungezählte Menschen bekennen ihn. Viele sind auch unter
Folter und Qualen bei ihrem Bekenntnis und Glauben geblieben.
Und auch wir feiern unseren Gottesdienst mit dem gegenwärtigen Auferstandenen –
auch er wenn nicht sichtbar ist.
Unsere irdischen Augen sehen immer nur was sie wollen und lassen sich so oft nur
zu gern täuschen.
Mir gefällt der Mythos der Duala in Südkamerun: Sie sagen, wir Menschen hätten
zwei Augenpaare. Das erste Augenpaar aber, das die ewigen Dinge sieht, schlössen
wir bei der Geburt und öffneten es erst wieder nach dem Tod.
Ich bin überzeugt, es ist kein Nachteil, daß man Jesus nicht sehen kann. Denn es
geht nicht ums Sehen, sondern ums Vertrauen! – Jesus der sagt: Ich lebe und
auch Ihr werdet leben – er lädt uns ein, uns ihm anzuschließen. Er ist der
Hirt des 23. Psalms, der seine Herde durch die finstern Täler des Lebens führen
kann, weil er diese Täler selbst kennt. Und er wird seine Menschen auch durch
das finstere Tal des Todes führen, weil er den Tod überwunden hat.
Ich vergleiche den Glauben an Christus so: eine Lokomotive fährt durch einen Tunnel. Sie zieht die angekuppelten Wagen mit. Und dann kommt die Lok aus dem Tunnel. Der Rest des Zuges ist noch im Finstern – aber die Wagen werden ans Licht kommen, weil die Lokomotive sie zieht. – Darum geht es; daß wir uns an Jesus ankuppeln lassen, mit ihm verbunden sind. Ist es dann noch eine Frage: Würmer oder Gemeinschaft mit dem Auferstandenen!
Zum Schluß eine nette Anekdote: Zwei
Mönche hatten in ihren alten Tagen viel über das Leben nach dem Tode
nachgedacht. Aber sie konnten zu keiner Klarheit in dieser Frage kommen. Darum
trafen sie eine Vereinbarung: Wer von ihnen beiden zuerst sterben würde, sollte
in der folgenden Nacht dem Überlebenden erscheinen und ihm mitteilen, ob ihre
Vorstellungen von den jenseitigen Dingen richtig waren oder nicht.
Die Botschaft sollte möglichst kurz sein, damit sie größere Chancen hätte,
herüber zu kommen. So legten sie sich als geübte Lateiner auf ein Stichwort
fest. War ihre Vorstellung richtig gewesen, sollte der Verstorbene sagen:
taliter - es ist so; war sie unrichtig, hieß das Kennwort aliter - es ist
anders. Nun starb der eine der beiden Brüder. Er erschien tatsächlich in der
folgenden Nacht seinem Mitbruder. Und was sagte er? Nec taliter, nec aliter, sed
totaliter aliter (es ist weder so, noch anders, es ist total anders).
Das finde ich ehrlich. Genaues wissen wir nicht. Aber ich bin davon überzeugt, daß wer die Stimme des Hirten hier im Leben vernommen hat, daß der sie dort wiedererkennen wird.
Amen
Pfr. Mathias Rissi
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