13. April 2002  Die Auferstehung glauben  -  Ufwindpredigt  Pfr. Mathias Rissi

Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das? Johannes 11,25f

Liebe Gemeinde

Glaubst du das? - Das ist wohl die alles verändernde Frage. Glaubst du die Auferstehung? Wer heute dazusteht, muß sich fast verteidigen. Dabei ist es immer eine Glaubensfrage. Entweder man glaubt die Auferstehung oder man glaubt sie nicht. Wir wissen nicht, ob etwas kommt, wir wissen aber auch nicht, daß nichts kommt. Es gibt höchstens Indizien. Also gibt es nicht zwei Kategorien Menschen: die starken Klugen, die etwas wissen – und die Dummen oder die Angst vor dem Tod haben, die dann an die Auferstehung glauben. Das eine wie das andere ist ein Glaube. Auf eine Glaubensfrage kann es nur eine Glaubensantwort geben. Es geht nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Glauben und Wissen. Wer nicht glaubt, glaubt auch.

Ich habe im Laufe der Jahre etliche Christen kennen gelernt, die mit der Auferstehung ihre Mühe haben. Ich persönlich finde das zwar schade, aber sind sie deswegen keine Christen? Weder Abraham noch Mose noch David noch Jesaja noch Jeremia kannten ein Leben nach dem Tode! Sie lebten ja vor Christus. Und trotzdem fanden es die Menschen lohnenswert, an Gott zu glauben. Obwohl sie mit keiner himmlischen Belohnung rechnen konnten. Das könnte ein Hinweis darauf sein, daß der Glaube vielmehr für das Diesseits nützt als für das Jenseits.

Muß man als Christ also die Auferstehung glauben? – Als Christ muß man gar nichts glauben. Der Glaube ist ein Geschenk. Und wenn ich aus irgendwelchen Gründen den Trost und das Geschenk, das die Botschaft von der Auferstehung beinhaltet, für mich nicht annehmen kann, dann ist das schade für mich. Da bringe ich mich selbst um viel Hoffnung, da muß ich manchen Schmerz erleben, den ich mir vielleicht durch die Auferstehungshoffnung hätte ersparen können - aber ich «muß» es doch nicht glauben! Wir glauben doch nicht im Ernst, daß jemand, der sein Leben mit Jesus gelebt hat, nicht in den Himmel kommt, weil er an diesen Himmel nicht geglaubt hat, sondern «nur» an Jesus! Das ist Unsinn. In meiner Bibel steht nicht: Glaube an den Himmel und du kommst rein, sondern «Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig.» (Apostelgeschichte 16,31). Man «muß» als Christ also nicht an die Auferstehung glauben - aber man darf!

Allerdings sieht mein Leben je nachdem anders aus, ob ich an die Auferstehung glaube oder nicht. Einen Grund habe ich schon genannt: Ich nehme mir eine Menge Trost. Wenn ich mich auf ein Geschenk freuen kann, stelle ich mich auf die Zukunft anders ein. Die Taufe eben zeigt das, sie lädt uns ein, mit der Zuwendung Gottes zu rechnen, ja, wir sollen sogar unser Leben hineinprojizieren in Jesus Christus.  Aber auch objektiv richte ich mich in meinem Leben anders ein. Wenn das Leben auf Erden das Letzte ist, dann macht es wenig Sinn, sich - wie Jesus sagt - «Schätze im Himmel» zu sammeln (Matth. 6,20). Dann muß man sich hier auf Erden Schätze sammeln. Nicht wenige tun das. Ganze Bünde in den Zeitungen sind diesem Thema gewidmet: wie vergrößere ich die materiellen Schätze möglichst schnell. Dann gilt der Satz, den Paulus zitiert: «Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!» (1. Korinther 15,32).

Die Frage, ob und in welcher Form es eine Auferstehung der Toten gibt, ist also wichtig für unsere Lebensführung hier. Sie macht einen Unterschied für die Prioritäten, die wir in unserem Leben setzen. Sie macht den Unterschied, ob wir mit leichtem Gepäck reisen oder jede Menge sinnlosen Plunder ansammeln. In der Hochtourenwoche im Militär habe ich beim Packen jeden Artikel in der Hand gewogen, um ja keinen nutzlosen Ballast den Berg hinaufzuschleppen. Wer die Auferstehung glaubt, kann mit leichtem Gepäck reisen. Ich muß dann nicht für alle Eventualitäten weiß nicht was alles auch noch mitnehmen. Wer die Auferstehung glaubt, muß sich viel weniger Sorgen machen. Ich kenne Menschen, die machen sich Sorgen ein halbes oder ein ganzes Jahr im Voraus und belasten sich schrecklich damit – und schließlich kommt es doch anders heraus. Völlig überflüssig sich mit Sorgen auf Vorrat zu belasten!

Es ist schon wichtig, sich zu überlegen, was für eine Auferstehung spricht und was nicht. Beweise, das hatte ich vorhin schon gesagt, gibt es nicht. Aber ich nenne Ihnen mal ein paar Gründe, die meiner Meinung nach dafür sprechen. Es sind Hinweise, keine Beweise. Indizien, die ich allerdings für stark halte. Ich will vier nennen:

1. Jedes Volk dieser Erde hat Religion gelebt und nahezu jede dieser Religionen beschäftigt sich mit der Frage, was nach dem Tod kommt. In der Antwort unterscheiden sich die Religionen dann erheblich. Aber in der Fragestellung sind sie sich gleich. Hier scheint so etwas wie ein gesammeltes Weltwissen der Völker vorzuliegen, eine über den ganzen Weltkreis verbreitete Ahnung: Dies Leben hier auf Erden kann nicht alles sein. Anders als das Tier fragt der Mensch über den Tod hinaus. Nun kann man natürlich sagen: Die Wurzel aller Religion ist Angst. Und ich will auch gar nicht in Abrede stellen, daß Angst eine ganz starke Wurzel ist, die bei der Entwicklung vieler Religionen Pate gestanden hat. Aber es ist eben nur eine Wurzel. Daneben gibt es andere, mindestens so wichtige:  das Staunen, die Faszination, das Ergriffensein von Mächten, die höher oder doch zumindest mächtiger sind als der Mensch. Sicherlich hat die Angst eine Rolle gespielt. Aber da ist mehr: Da ist ein Wissen um Gott bzw. um göttliche Mächte, die den Menschen ansprechen und ihn auch im Tode nicht aus der Verantwortung entlassen. Da ist ein Wissen darum, daß der Mensch eine Bestimmung und eine Verantwortung hat, die mit dem Tod nicht einfach ein Ende findet. Aber Evangelium heißt nicht Angst, sondern «Frohe Botschaft»

2. Das Leben weist über sich selbst hinaus: Dazu drei Gedanken:

In uns allen lebt eine Sehnsucht, die hier auf Erden nie richtig befriedigt werden kann. Wir haben Träume und Wünsche in uns. Einen Teil davon verwirklichen wir, anderes bleibt immer etwas offen, wir kommen nie zur Ruhe. Darum sagt der Kirchenvater Augustin: «Du hast uns zu dir hin geschaffen, o Gott, und unruhig ist unser Herz, bis es Frieden findet in dir.» Unsere Sehnsucht weist uns über dieses Leben hinaus. Diese Erde ist nicht unsere letzte Heimat.

Zum andern nutzt der Mensch nicht einmal annäherungsweise das Potential, das Gott in ihn hineingelegt hat. Wenn ich daran denke, welche Aufgaben ich in meinem Leben gerne noch erfüllen, und was ich gerne zur Entfaltung bringen möchte, dann ahne ich, daß mir die Zeit, die mir hier auf Erden gegeben ist, nie und nimmer ausreichen wird. Dieses Leben - so ahne ich zumindest - kann einfach nicht alles sein.

Drittens ist jeder Mensch auf ein inneres Wachstum angelegt. Während der äußere Mensch im Alterungsprozeß verfällt, ist er doch in der Lage, innerlich mehr und mehr zu wachsen. Natürlich gibt es Krankheiten, die diesen Prozeß verhindern und manche Menschen hören schon in jungen Jahren auf, innerlich zu wachsen. Aber normal ist das nicht. Normal ist, daß der Mensch allen äußeren Widrigkeiten entgegen innerlich reift und wächst und weiser, weiter, gütiger und vollkommener wird. Es ist, als ob auch dieser Prozeß auf einen Punkt weise, der jenseits der Todesgrenze liegt.

Aber diese Argumente sind bloß Indizien. Was sind sie wert? Sie könnten alle auch nur Ausdruck des menschlichen Größenwahnes sein: Der Mensch, der nicht akzepieren kann, daß alle Geschöpfe vergehen müssen.

3. Mehr als alles innere Ahnen des Menschen und mehr als alles Wissen der Religionen überzeugen mich die Worte des Mannes aus Nazaret, der von sich gesagt hat: «Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt» oder «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen» (Joh. 5,24). Einige zweifeln: 'Ja, aber das kann man Jesus doch alles in den Mund gelegt haben.' Das ist wohl möglich für die einzelnen Sätze. Aber nicht in dieser Fülle. Das gesamte Neue Testament dreht sich um diesen zentralen Punkt,  daß Jesus von den Toten auferstanden ist  und damit jedem einzelnen von uns die Auferstehung ermöglicht hat. Daß Christus für uns gestorben ist, damit wir mit ihm leben können - über den Tod hinaus. Das sind keine einzelnen Sätze, das ist das gesamte Neue Testament. «Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben» (Joh. 3,16). Dieser Satz beschreibt das Zentrum des Neuen Testamentes. Ich vertraue darauf, daß der Auferstandene alle, die sich vertrauensvoll an ihn hängen, aus dem Tode erretten wird - denn er hat es so versprochen! Wenn dem nicht so wäre, wäre Jesus ein Lügner, das gesamte Neue Testament nichtig und das Christentum ein einziger Irrtum (vgl. 1. Korinther 15, 14.17-21).

4. Es ist eine Frage an unseren Glauben: Was halte ich letztlich für stärker - die Liebe Gottes oder die zerstörerische Macht des Todes? Im Hohelied heißt es: Die Liebe ist stark wie der Tod (8,6). Die ganze Bibel bezeugt das Werben Gottes um uns Menschen. Ständig nimmt er mit uns Kontakt auf, ständig will er in Beziehung zu uns treten, er will mit uns kommunizieren, er liebt uns mit unendlicher Liebe, gibt sogar seinen Sohn Jesus für uns in den Tod - und das alles soll mit unserem Tod zu Ende sein? Gott hat uns ins Leben gerufen, geht uns mit unendlicher Liebe nach, um in eine liebende Beziehung zu uns zu treten - und wenn er es dann nach vielen Mühen und unsäglichen Opfern endlich geschafft hat, wirft er uns nach 80 Jahren weg wie ein Spielzeug, das man nicht mehr braucht? Das ist doch absurd. Und Gottes Liebe ist doch nicht geringer als unsere menschliche Liebe. Und er hat die Macht über Leben und Tod, er hat die Macht, uns nicht im Tode zu belassen, er hat die Macht, uns nach dem Tode ein zweites Mal zu erschaffen. Gott ist stärker als der Tod und er liebt uns - glauben wir wirklich, er würde uns dem Tode überlassen? Martin Luther sagt: «Zu wem Gott einmal gesprochen hat, sei es in Liebe oder im Zorn, der ist wahrhaftig unsterblich.» Zu wem Gott einmal in Beziehung getreten ist, den entläßt er nicht aus der Verantwortung, zu dem läßt er den Gesprächsfaden nicht abreißen, den läßt er nicht im Tode. Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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