Auferstehungsglaube und Reinkarnation – wie verträgt sich das? 
Joh 5,24 Johannes 5,24
Ufwindpredigt am 5. April 2003 in der Kirche Meilen - Predigt Pfr. Mathias Rissi
 

Joh. 5,24  Johannes 5 Vers 24

 

Liebe Gemeinde

 

Als Student verbrachte ich ein Jahr in Marburg und lebte in einem Studentenheim. Dort lernte ich eine Kommilitonin kennen, welche mir einmal erzählte, sie habe schon früher gelebt: Zweimal als Pirat und einmal Nonne! Woher sie das denn wisse. Ihre Eltern hätten "Rückführungen" gemacht und dabei seien eben diese früheren Existenzen zu Tage getreten. Mir blieb der Kiefer offen stehen. Sie müssen sich vorstellen: ich bin in einem reformierten Pfarrhaus aufgewachsen, da hört man so etwas nicht.

 

Mit der Zeit habe ich herausgefunden, daß auch andere Leute von Seelenwanderung und Reinkarnationen wissen. Ich erwähne, zugegeben, zwei schillernde Figuren. Uriella sagt von sich, sie sei die biblische Eva (unbescheiden die Urmutter aller Lebenden) und die Maria Magdalena in Jesu nächster Umgebung gewesen. Aber auch die ägyptische Nofretete. Uriellas x-ter Ehemann mit dem «Geistnamen» Icordo war seinerseits der alttestamentliche Joseph in Ägypten, Ulrich Zwingli und Johann Strauß – darum, heißt es, spiele er so gerne und beliebt Klavier. - Wenn ich das so höre: Was bleibt dann noch für mich zurück? ;-) Überhaupt fällt mir auf, daß Leute, welche von sich sagen, schon einmal gelebt haben, in früheren Leben häufig illustre Gestalten waren. Das wirkt auf mich eher verdächtig und unseriös. Andrerseits standen auch in der christlichen Tradition immer wieder Leute der Seelenwanderungsidee nahe. Was sollen wir damit anfangen?

 

Halten wir fest: Ostern ist das Fest des Sieges über den Tod! Da müßte doch auch etwas davon zu sagen sein, wie ewiges Leben und Reinkarnation zueinander stehen. Passen sie zusammen oder verhalten sie sich nicht eher wie Feuer und Wasser? Und: Ist die Frage überhaupt wichtig? - Wie wir darüber denken, hat mehr Auswirkungen als wir so rasch vermuten!

 

Die Frage der Seelenwanderung beschäftigt viele. Woher rührt sie? Auf ein Grundmotiv bin ich rasch gestoßen und habe es auch in der Literatur bestätigt gefunden. Es geht um die Gerechtigkeit. Wie soll man auch erklären, daß es so viele verschiedene Schicksale und Ungerechtigkeit in der Welt gibt. Müßte es nicht die Chance eines Ausgleichs geben? Seltsam finde ich aber, daß wir das Gefühl haben, uns müßte ausgleichende Gerechtigkeit widerfahren. Könnte es nicht auch sein, daß uns einmal eine Rechnung präsentiert würde.

 

Am offensten zeigt dies der Hinduismus, welcher eine schonungslose Darstellung der Seelenwanderung bietet. Sein Symbol ist das Rad – Das Schicksal, welches sich dreht und dreht und dreht…

Unendlich viele Runden muß die Menschenseele wieder in einem Körper verbringen und sich bessern, bis sie endlich die Perfektion erreicht hat und das ersehnte Ziel das Nirwana, die Auflösung im Nichts, erreicht. Das Ziel ist die Erlösung vom Fluch des Lebens.

 

Für uns im Abendland ist es möglicherweise ein faszinierendes Gedankenspiel zwei oder drei Leben zu leben. Wenn du aber im 723. Leben bist und immer noch nicht weiterkommst und stolperst über die menschlichen Fehlleistungen, wenn du Angst haben mußt, als Unberührbarer oder als Schnecke geboren werden… - dann resultiert daraus eine schreckliche Apathie: um Himmels willen schon wieder leben!

Das Kastenwesen ist eindrücklicher Zeuge davon. Bist du Brahmane, hast du dich im letzten Leben bewährt. Bist du Kastenloser (=Paria, Dalit), dann mußt du nicht lange fragen: du hast dieses harte Schicksal, ein Unberührbarer zu sein, selber verschuldet. Ein indischer Soziologe hat im 20. Jahrhundert gesagt, die große Tragödie Indiens sei der Glaube an die Seelenwanderung. Sie mache die Menschen so schicksalsergeben und apathisch, daß in den vergangenen Jahrtausenden nie eine Veränderung der Gesellschaft habe stattfinden können.

 

Wenn in Indien etwas geändert wurde, dann durch wen? z.B. durch Mahatma Gandhi – aber seine Idee vom gewaltlosen Widerstand gegen die britische Kolonialmacht hatte er kennengelernt bei seinen Studien in Paris und London: in der Bibel, in der Bergpredigt Jesu. Oder in Kalkutta, wo die Ärmsten auf der Strasse sterben und die Leute unberührt daran vorübergehen – Mutter Teresa, eine Christin, eine Europäerin mußte beginnen, sich des Elends anzunehmen.

 

Wann und wie ist die Idee der Seelenwanderung zu uns gekommen? Das alte Testament kennt sie noch nicht. Der Psalm 103,14-16 bekennt: Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, daß wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

In der Zeit des Babylonischen Exils erscheint beim Propheten Ezechiel erstmals die Hoffnung, das Volk könnte aus Niederlage und Untergang auferstehen. Es lebe in den Nachkommen weiter.

Rund 100 Jahre v. Chr. taucht der individuelle Auferstehungsgedanke auf. Zur Zeit Jesu ist er noch sehr kontrovers. Die Pharisäer glauben daran, die Sadduzäer halten nichts davon (Die Streitfrage widerspiegelt sich in Markus 12,18ff).

Hingegen haben die griechischen Philosophen eine verheerende Wirkung auf das Evangelium gehabt. Speziell die Platoniker. Im Versuch, der griechischen Umwelt das Evangelium verständlich zu machen, sind die sogenannten Kirchenväter bei der Übernahme des griechisch-philosophischen Vokabulars sehr weit gegangen. Auch die Religion des Mani (Manichäismus) hat bei der Seelenwanderungslehre ihre Spur hinterlassen. Der Kirchenvater Origenes vertrat sie auch, seine Lehre wurde dann allerdings als Ketzerei verurteilt.

 

So ist es bis heute dabei geblieben: es gibt viele Spekulationen und Möglichkeiten.

Aber der Glaube trifft eine Entscheidung! Und die wirkt sich aus!

 

In der Heiligen Schrift freilich finden sie einige sehr klare Vorstellungen:

1.      Da ist die klare Vorstellung von der unverwechselbaren Identität jedes Menschen: Jesaja 43 Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bis mein! Dieses Wort ist dem Gottesvolk zugesagt und wir beanspruchen seine Gültigkeit für jeden einzelnen Menschen – in diesem Geist begegnet Gott den Menschen. In der Taufe geben wir dem Ausdruck! Eine unverwechselbare Identität ist nicht wiederholbar. Auch wenn die Bibel von Körper und Seele spricht, dann meint sie damit nicht eine Trennung in zwei Teile, sondern eben gerade die besondere und einmalige Persönlichkeit.

2.      Paulus schreibt: Der erste Mensch (d. i. Adam) ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch (d. i. Christus) ist vom Himmel. 1 Kor 15,47 und Vers 44 heißt es: Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Leib meint hier Persönlichkeit. Es aufersteht nicht eine Seele, sondern eine Persönlichkeit! – Hier erscheint es als völlig unsinniger Gedanke, daß nach der Auferstehung eine Reinkarnation folgen sollte.

3.      Jesus sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? Joh. 11,25 Hier wird Christi Sieg über den Tod, die Auferstehung, als unumkehrbar beschrieben.

4.      Und mit letzter Deutlichkeit – da kommen wir wieder an den wunden Punkt heran - Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern ist vom Tode ins Leben durchgedrungen. Joh. 5,24.
Jesus Christus erlöst die Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung letztgültig von der Angst vor dem Gericht!
Wir müssen nicht erst sterben, um diese Erfahrung zu machen, jetzt im Glauben geht uns schon etwas von diesem himmlischen Menschen auf. Wenigstens ein Fensterchen in die himmlische Richtung.
 

Also: der Glaube trifft eine Entscheidung! Und die wirkt sich aus!

Und die Entscheidung heißt auf die Spitze getrieben: Gnade oder Gerechtigkeit?

Wie willst Du es haben:  Setzest Du darauf, daß du dein Heil selber verdienen mußt? Oder willst du es dir schenken lassen? Bei dieser Alternative setzt unser christlicher Glaube ganz unverschämt und direkt auf die Gnade. (vgl. Paulus in Philipper 3,3-8, besonders Vers 8)

 

Wenn ich aber das Modell der Gnade wähle, dann gefällt mir am Modell der Seelenwanderung nicht: daß dabei so schnell die Idee aufkommt, daß ich mich von Leben zu Leben bewähren und läutern muß. Das beißt sich einfach mit der geschenkten Gnade. Ich persönlich bin darum sehr angesprochen von der Vorstellung, einmal zu leben, mit all den phantastischen Möglichkeiten. Das Leben ist der Ort, wo ich leben und meine Gaben zur Entfaltung bringen kann und darf.

 

Wenn ich aber auf Gnade setze, dann wird mir die Seelenwanderung automatisch unwichtig, ja suspekt, weil in ihr immer der Gedanke, sich selber zu erlösen, mitschwingt.

Tragisch ist es freilich, daß selbst in christlichen Kreisen, auch wenn die Seelenwanderung nicht geglaubt wird, immer wieder Gefahr des Rückfalls besteht: dann heißt es Gnade und Eigenleistung! Aber das ist falsch, kreuzfalsch! Denn es ist durch Jesus Christus am Kreuz durchgekreuzt worden, hat er doch am Kreuz gebetet: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun! – Mit andern Worten: Vater, du mußt ihnen vergeben, sonst gehen sie unter. Sie sind so gefangen, daß sie es nicht einmal gemerkt haben, wie verloren sie sind.

Wenn ich logisch denke, und Glaube hat auch etwas mit dem logischen Denken zu tun, dann will ich nicht das haben, was ich mir verdient habe, sondern viel lieber die überwältigende Gnade von Gott! …

 

Wenn schon, dann sollen die sogenannten guten Werke geschehen aus der neuen Lebenssicht, aus Dankbarkeit!

Der christliche Glaube an die Erlösung hat also dies zur Folge: daß wir leben können, daß wir für unsere Defizite in der Partnerschaft, für die unerfüllten Ideale in der Erziehung und für die Fehlleistungen in unserm Leben nicht ein zweite, hundertste und tausendste Chance brauchen, bis wir uns erlöst haben, daß das Leben nicht ein Fluch ist, sondern eine von Gott anvertraute wunderbare Chance, daß wir Verantwortung nicht fürchten müssen, ja, daß nicht einmal unsere künftigen Fehler uns das Leben schwermachen müssen!

 

Vom deutschen Liedermacher Wolf Biermann stammt der Satz: «Es gibt ein Leben vor dem Tod» (Titel einer seiner LP's). Ein treffliches Motto: Wenn nämlich durch Jesus Christus für nachher gesorgt ist, kann ich vollen Einsatz für das Leben vor dem Tod hinlegen. Wenn das sich endlich in unseren Köpfen und Herzen festgemacht hat, dann können wir sehen, wie es sich in der Praxis des Lebens auswirkt. Dann werden wir weder apathische Menschen werden noch mit dam Zwang durchs Leben gehen, immer besser zu werden. Dann aber werden wir bekennen und bitten: Herr, ich danke dir, - ja, wie kann ich dir danken für deine vorbehaltlose Akzeptanz und Liebe? Aus Freude und Dankbarkeit will ich versuchen, die Spuren deiner Liebe in dieser Welt auch in meinem Leben aufleuchten zu lassen. Hilf mir dabei, hilf mir Geduld haben mit der Partnerin, dem Partner, Geduld mit den Kindern, gib mir den langen Atem bei schwierigen Aufgaben. Schenk mir deine Gnade jeden Tag neu. Amen.  

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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