Jesus und die Ehebrecherin - Wo bleibt die Sünde?

Passionsgottesdienst am Sonntag Judika,  29. März 2009

Johannes 8,1-11  -  Pfr. Mathias Rissi   Joh 8,1-11

Liebe Gemeinde

Wir können aufatmen. Das ist ja noch einmal gut herausgekommen. Die tödliche Falle, sie ist nicht zugeschnappt, weil der Held im richtigen Moment das Richtige zu sagen wußte.

Diese kleine unspektakuläre Geschichte im Johannesevangelium birgt mehr als wir im ersten Moment denken und spricht in die Passionszeit hinein, beleuchtet die Taufe die heute fünf Kinder empfangen haben. Denn es geht um mehr, als um die Geschichte der Rettung einer Sünderin. Das steckt schon allein im unscheinbaren ersten Vers: Jesus aber ging auf den Ölberg – den späteren Ort seiner Gefangennahme.

Uns moderne Menschen stört es zuerst, wie einäugig die damalige Welt das Unrecht verteilt. Die Männer stoßen eine Frau vor sich her und werfen ihr Ehebruch vor. Wo ist aber der mitschuldige Mann? Sie haben ihn einfach im Dunkel der Geschichte gnädig verschwinden lassen und wollen allein die Frau steinigen!

Aber wenn wir diesen Abschnitt aus der verstaubten Männerwelt ans Tageslicht hervorholen, beginnt er zu uns zu sprechen: über uns, unser Verhalten und sogar die Taufe.

Zu Beginn ist Jesus in einer sehr unangenehmen Lage. Die Theologen haben ihn sozusagen in der Zange. Heuchlerisch begrüßen sie ihn mit: Meister, diese Frau ist beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt worden. Im Gesetz aber hat Mose uns vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Du nun, was sagst du dazu? – Er kann ja antworten wie er will, er kann nur verlieren! Sagt er: Habt doch Erbarmen, jeder macht einmal einen Fehler, gebt ihr eine zweite Chance! Dann könnten sie aufheulen vor Empörung: Dieser Jesus, dem ihr nachlauft, ist gefährlich: Er respektiert das heilige Gesetz Gottes nicht!
Und wenn er anderseits zustimmen würde: Ja, steinigen!, so steht es im Gesetz! Dann würden alle, die sich von Jesus einen neuen freien Zugang zu Gott erhofften und, daß er freundlich ein neues Leben schenkt, enttäuscht die Köpfe sinken lassen: Der ist ja auch nicht anders als die pingeligen griesgrämigen Sittenwächter vom Tempel.

Aber er tut weder das eine noch das andere. Er schaut sie nicht einmal an. Er kauert am Boden und schreibt mit dem Zeigefinger auf die Erde.
Warum erwähnt der Evangelist dieses Detail? Will er uns daran erinnern, daß auch Moses Gesetzestafeln vergänglich sind. Will er deeskalieren? Will er ihnen Zeit geben, zu merken, daß sie sich in eine Falle begeben, wenn sie ihn weiter bestürmen. – Aber sie merken es nicht.

Schließlich sagt er - Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie!
Da verläßt sie die Sicherheit. Mutlos und blamiert lassen sie ihre Steine zu Boden fallen und schleichen sich davon.
Immerhin haben sie bemerkt, wie selbstgerecht sie gedacht hatten. Schuld ist etwas Digitales, da gibt es wie bei einem Lichtschalter nur Ein oder Aus. Was werden sie im Weggehen denken: Jetzt sind wir aber schön blamiert. Alle andern haben sehen können, daß ich kein sündloser Mensch bin! Jesus hat mich blamiert. Aber eigentlich hat er mich auch davor bewahrt, mit der Steinigung ein himmelschreiendes Unrecht zu begehen. So werden sie denken und künftig werden sie immer, wenn sie den Namen Jesu hören auch an ihr Versagen erinnert werden. Jesus ist die stumme Anklage ihrer Schuld, mit Jesus ist sie definitiv verbunden. An ihm »klebt« sie . – Ist es da verwunderlich, daß sie später seinen Tod wollen. Wenn Jesus beseitigt ist, dann ist auch die Anklage vom Tisch, die Schuld vorüber und getilgt.

Schließlich stehen die Frau und Jesus allein da. Frau, wo sind sie? Hat keiner dich verurteilt? Sie sagte: Keiner, Herr. Da sprach Jesus: Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!
Wir können uns kaum vorstellen, was in der Frau da vorgegangen ist: Eben noch die ertappte Sünderin, die vor Angst vor der Steinigung zittern muß wie Espenlaub. Und jetzt begnadigt, in die Freiheit eines neuen Lebens entlassen. Was wird sie denken, wenn sie sich an diesen Morgen zurückerinnert und wenn sie den Namen Jesu hört? Er hat sie befreit vom sicheren Tod. Sie hat eine neue Chance bekommen. Ihre Schuld drückt sie nicht mehr zu Boden. Ja, sie ist frei davon. Wo ist sie jetzt? Was ist mit der Schuld passiert? Sie war doch ganz real da zu Beginn der Geschichte. Sie kann nicht einfach verschwinden, oder sich in Luft auflösen.
Ich sage: sie ist immer noch da, lastet aber nicht mehr auf der Frau, sondern sie wird Jesus angelastet. Mit seinem Freispruch hat er ihre Schuld zu seiner Sache gemacht. Sie »klebt« jetzt sozusagen an ihm. Und erst mit seinem Tod am Kreuz wird sie aus der Welt genommen sein. Weil ein Toter keine Ansprüche mehr erhebt.

Darum, liebe Gemeinde ist diese Geschichte eine glask
lare Hilfe, uns der Passion anzunähern.
Es gibt viele Leute, die nicht mehr verstehen, daß Jesus für die Menschen gestorben ist. Menschen die entsetzt sagen: Also für mich muß niemand sterben. Dazu beigetragen hat gewiß die mittelalterlich germanische Rechtsvorstellung, die damals an den Kreuzestod Christi herangetragen wurde. Diese verlangte eine zusätzliche Genugtuungsleistung für eine Schuld. Und weil Menschen über ihr eigenes Leben hinaus nicht auch noch eine Genugtuung an Gott leisten können, meinten sie, Gott Vater ließe sich nur durch das Opfer des Sohnes besänftigen. Wir aber wissen, daß mit Vater und Sohn nicht ein Familienverhältnis gemeint ist. Vielmehr umschreibt dies das Geheimnis, daß Gott der gleiche ist, auch wenn er uns so verschieden begegnet: als gestrenger, aber auch gütiger himmlischer Vater oder aber auch als Bruder an unserer Seite.

Diese Geschichte spricht nicht von Blut und Opfer, sondern vom Eintreten Gottes für uns Menschen und von der Entschuldung und vom neuen Leben.
Und da sind wir wieder bei unseren Täuflingen. Die Taufe ist Erinnerung daran, daß Gott zu uns sagt, daß wir unser Leben aus seiner Hand neu in Empfang nehmen dürfen und zwar jeden Tag neu. So wie er für die Frau damals eingestanden ist, so steht er für Dich und für mich ein. Daß wir nicht perfekt sind, daran muß uns niemand erinnern, aber Christus am Kreuz erinnert uns daran, daß unsere Verlorenheit auf ihn übergegangen und durch seinen Tod und seine Auferstehung aus der Welt geschaffen ist.
Die Taufe der Kinder erinnert an unsere eigene. Und erinnert uns daran, daß Christus auch freimacht und uns einlädt zum Leben in der Gesellschaft der Begnadigten und Freien. Die Frau hörte als letzte: sündige von jetzt an nicht mehr. Mußte man ihr das noch extra sagen? Ist doch klar, daß dieses neue Leben in Taten und Worten von großer Dankbarkeit geprägt ist!
Amen


Pfr. Mathias Rissi

 

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