19. Januar 2014  Lukas 4,32-42  Pfr. Mathias Rissi   Joh 1,1-5;14;16

Gottesdienst in Niederweningen

 

Lukas berichtet, wie Jesus nach der Verwerfung in Nazaret nach Kapernaum zog. Die ersten Verse den neuen abschnitts fasse ich zusammen. Dort waren sie überwältigt von seiner Lehre und brachten einen Kranken zu ihm, den heilte Jesus und im Hause des Petrus auch die kranke Schwiegermutter des Petrus. Es ist Sabbat. Wir lesen weiter bei Lukas 4, 40 Als die Sonne unterging, brachten sie alle ihre Kranken, die an Krankheiten aller Art litten, zu ihm. - Und er legte jedem einzelnen von ihnen die Hände auf und heilte sie. 41 Bei vielen fuhren auch Dämonen aus, die schrieen: Du bist der Sohn Gottes! Doch er schrie sie an und ließ sie nicht reden, weil sie wußten, daß er der Gesalbte war. 42 Als es aber Tag wurde, (ging er weg) brach er auf.

 

Liebe Gemeinde

Da geht ein Tag zu Ende. Es ist Sabbat. Israels Ruhetag. Er erinnert an den Tag der der Vollendung der Schöpfung Gottes. Fast alles ruhte. Der neue Tag beginnt für die Juden nicht um Mitternacht, wie bei uns, sondern mit dem Sonnenuntergang. Es wird Nacht und damit beginnt ein besonderer neuer Tag: ein Sonntag. Und eine ganze Stadt ist auf den Beinen: Markus präzisiert an dieser Stelle[1]: Und die ganze Stadt war vor der Tür versammelt. Kafarnaum hat sich vor der Tür versammelt. Vor welcher Tür? Vor der Tür zum Leben. Und Er, der am Sabbatmorgen noch mit Überzeugungskraft in der Synagoge gepredigt, danach einen psychischkranken Menschen und eine kranke Frau geheilt hat, er heilte sie.

Mir fällt auf: Sie brachten ihm alle ihre Kranken –  alle: sie vergaßen keinen, aber auch Er vergißt keinen von den kranken Menschen, weder jene in Kafarnaum, die es gab oder gibt, noch jene, die es geben wird.
Und er legte jedem einzelnen von ihnen die Hände auf – er hat sich ihnen allen zugewandt. Wenn wir das heute beim Segen auch tun, dann erinnern wir uns daran und wir erinnern daran, daß Christus selber die Menschen segnet, auch durch unsere Hände. Bei Jesus allerdings steht
Und er legte jedem einzelnen von ihnen die Hände auf und heilte sie.  – Diese Vollmacht steht uns nicht zu.

Als es Tag wurde, also vor Sonnenaufgang »brach er auf«. In unserer neuen Zürcherübersetzung ist das zu schwach übersetzt mit er ging weg, - denn  es ist ein besonderes »Aufbrechen«, ein österliches Auferstehen – dann brach er auf: hinaus zu Dir und mir, hinaus zu allen, die »draußen vor der Tür« sind, ungeborgen, unbeheimatet, hilflos.

Ich halte hier einmal fest: Am Anfang seiner Wirksamkeit in jener Nacht nach dem Sabbat bringen sie zu ihm alle körperlich und seelisch Kranken - und er heilte sie. – Und am Ende seiner Wirksamkeit in jener letzten Nacht seines Daseins auf Erden tut Gott an dem toten Jesus das Wunder aller Wunder, erweckt Er den Gekreuzigten aus der Nacht der Schmerzen, der Gottverlassenheit und des Todes, erweckt er ihn zum neuen, ewigen Leben. So ist allen geholfen.

Wir können die Heilungsgeschichten des Neuen Testaments nur verstehen, wenn wir sie begreifen als Geschichten, welche die  Ostergeschichte vorwegnehmen: ­Als Geschichten, die uns das unvergleichliche Wunder der Osternacht vor Augen führen. Sie zeigen, was Gott versprochen und getan hat und was er einmal an Allen tun wird. Sie wollen die große Hoffnung auf das Reich Gottes, auf die Auferstehung aller Toten und die Heilung aller Leiden ankündigen und greifbar werden lassen – mitten im alten Leben, das einmal im Tod endet.

Von Jesus werden nicht tollkühne Krafttaten und irre Spektakel erzählt, sondern ganz direkte praktische Hilfe für Menschen, die so leiden, daß sie aus der Gemeinschaft der Menschen zu fallen drohen, ja, daß mitten im Leben sich selbst entfremdet wahrnehmen und aus der menschlichen Gemeinschaft zu fallen drohen. Es geht in diesen Wundern um einen Kampf gegen das, was Gottes Schöpfung zerstört und den Menschen als sein Ebenbild erniedrigt und schändet.

Aber es geht weniger darum, nochmals gesund zu werden – so verständlich dieser Wunsch ist – denn irgendeine Krankheit oder Schwäche wird einmal unsere letzte sein. Das wäre ein hoffnungsloser Kampf. Das wissen wir und daran ändert auch die beste Medizin und die teuerste private Krankenversicherung nichts.

Bei Jesus hier geht es um viel mehr: Es geht darum, daß Menschen in Jesu Zuwendung einen Blick auf das göttlichen Heil erhaschen können. Wer das nicht weiß, der sieht in Jesus lediglich einen begnadeten Heiler, der die Kranken noch mal dem Tode und Verderben entrissen hat. Lukas berichtet: Jesus hieß die Dämonen schweigen: denn die wußten, was die Leute noch nicht wußten. Jesus will nicht jetzt gefeiert werden. Die Menschen werden erst nach Karfreitag und Ostern überwältigt erkennen, wer Jesus ist.

Wir mögen an den Wunderberichten des Neuen Testaments zweifeln. Zweifel sind verständlich: Da rollt zum Beispiel ein 38 Jahre lang Gelähmter seine Matte zusammen und kann sogleich gehen – wo unsereiner nach einem Beinbruch mit ein paar Wochen im Gips wieder mühsam die Muskulatur aufbauen und gehen lernen muß! Auch in der Kirche sind die Zweifel vorhanden - und gewiß erlaubt. Aber – ich habe keinen Zweifel daran: Die Wundererzählungen beruhen auf dem historischen Wirken Jesu: Da sind Menschen wirklich gesund geworden, da haben Menschen durch Jesus glückliche Heilung von körperlichen oder seelischen Krankheiten erfahren. Vielleicht einfach nicht in dieser Zeitraffergeschwindigkeit, die wir in den Evangelien finden. Aber bedenken wir dabei: Die Berichte haben doch erst im Licht des Ostermorgens diese literarische Ausprägung bekommen, die uns nun in den Evangelien vorliegt und ansprechen will. Den Hörern und Lesern wollen sie nicht imponieren, sondern die Hoffnung stärken und Kraft geben zum Widerspruch gegen die Todesrealität unserer Welt. Diese Bilder heißen uns hoffen, daß Gott keinen faulen Kompromiß schließt mit der menschlichen Not, mit Krankheit und Leiden, mit dem Tod. Sie zeigen, daß die Hoffnung auf Überwindung des Bösen und des Schmerzes einen Anker hat im irdischen Wirken des Jesus von Nazareth, daß aber die Erfüllung dessen noch aussteht, was sein Evangelium verspricht.

Zur Hoffnung auf das ewige Reich Gottes gehört eben auch die Heilung von Geist und Leib, gehört die umfassende Erneuerung der Schöpfung - der neue Himmel und die neue Erde, gehört die Vergebung und Heimholung der Sünder, gehört die Aufhebung der Ächtung des Menschen und seines Elends, gehört die Beendigung allen Unrechts, gehört – ohne Widerspruch und falsch Entschuldigungen! - auch die Beseitigung des Skandals des Reichtums in den Händen Weniger im Angesicht der vielen Armen und Hungernden. Gott wäre nicht Gott, und der Auferstandene wäre nicht auferstanden, wenn diese Hoffnung nicht erfüllt würde.

So lädt er uns ein, unsere Kranken mit den großen und kleinen Krankheiten zu ihm zu bringen, ja er lädt uns ein, auch selber zu ihm zu kommen. Er segnet auch uns und er läßt auch uns teilhaben am Heil. Bruchstückhaft gewiß – aber jede Heilung und jedes Gesundwerden in diesem vergänglichen Leben ist ein göttlicher Hinweis auf die Vollendung und ein Pfand der dann einmal alles heilenden Liebe Gottes. Das ermutigt uns, uns dem Auferstandenen anzuvertrauen. Der Glaube ermutigt uns, bei Jesus Christus Leben und Lebensmut für jeden Tag zu bekommen, was er auch bringen mag.

Amen


 

[1] Markus 1,33

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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