1. Sonntag nach Weihnachten, 30.12.2012
Micha 5,1-4a
 - Pfr. Mathias Rissi
Predigt in Niederweningen

Liebe Gemeinde

An Weihnachten geht es sicher um Geschenke.
Vermutlich habe Sie auch andern damit Freude gemacht oder selber welche bekommen. Geschenke machen glücklich. Das ist nicht bei ganz allen Menschen. Und manchmal erzeugt das Schenken und Beschenkt-Werden einen unschönen Durch und Anspannung. Kein Wunder, daß es schon seit langer Zeit auch die Kritik am Schenken zur Weihnachtszeit gibt.
Es geht ja auch ohne Geschenke. Da bleibt zu Weihnachten doch immer noch ein gutes Essen. Ich habe einmal überschlagen, wenn alle Einwohner von Niederweningen, sagen wir, nicht ganz ein Kilo schwerer sind als vor dem Fest, dann wiegen wir jetzt über zwei Tonnen mehr als vorher.
Da wäre noch das Weihnachtsgeschäft. Der Präsident der Zürcher City-Vereinigung meinte gegenüber dem Fernsehen, das Geschäft sei gleich gut gelaufen wie 2011. Damit müsse man schon zufrieden sein.
Im Tagesanzeiger gestern wurde der Ökonom Tomáš Sedláček zitiert: »Der Kapitalismus hat einen Teil seines Versprechens eingelöst. In Europa verhungern die Menschen nicht mehr, und sie können in Würde alt werden.« Da höre das mengenmäßige Wachstum eben irgendwann auf. Ich stelle fest, daß das für 10% der Weltbevölkerung stimmt. Es gäbe also bei den übrigen 90% schon noch etwas zu tun.

Ob wir also auf die Geschenke, das Essen oder das Geschäft schauen, es wird schon gut sein, so wie es ist. Wenn wir uns dem verweigern und an alten Brötchen knabbern würden, so wäre nämlich gar nichts gewonnen im Blick auf die Not der Welt.
Wie man auch zum schenken stehen mag, ich finde vor allem das Geschenk, von dem Micha  spricht gut.

Da heißt es vom versprochenen neuen Herrscher:

1. Er wird seine Herde weiden – Der Hirte ist der Inbegriff für Geborgenheit. Geborgenheit ist ein Urbedürfnis von uns Menschen.  Jedes Kind sucht die Hand des Vaters oder der Mutter in einem Moment der Anspannung. Vor Jahrzehnten wurde es Brauch, das Kleinkind ganz am Körper zu tragen, um eben Sicherheit und Wärme zu vermitteln.

2. Sie werden wohnen bleiben – Also ich weiß jetzt über den Umzug bescheid, weiß, welcher Streß damit verbunden ist. Glücklich wer nicht umziehen muß. Aber dann denken wir daran, daß wir vielleicht einmal unsere vier Wände verlassen müssen und umziehen in ein Alterszentrum oder in ein Pflegezimmer. Ein schwieriger Gedanke. Aber es gibt noch viel Schlimmeres: Wir denken an die Vertriebenen, die Flüchtlinge,  an die Schreie der Gefolterten, die keine schützenden Mauern um sich herum haben. Wir denken an Indien, wo Frauen als Menschen zweiter Wahl gelten und Freiwild sind. Ich denke an die Einsamen, an so manchen stummen Schrei, an müde Augen, aus denen die Resignation spricht: es hilft nichts, die Menschen werden nicht besser.

3. »Und mit ihm wird der Friede kommen.«  Shalom das ist mehr als »Friede, Freude, Eierkuchen«. Das Wort steht in der Bibel für die Schöpfung Gottes, die ihre Harmonie gefunden hat und im Einklang mit Gott lebt.

Das ist Michas Botschaft. Als er sie vor 2700 dem Volk überbrachte, da waren die Israeliten geschlagen, besiegt, innerlich aufgelöst. Jerusalem war belagert. Ein kraftvoller Herrscher aus dem Königshaus David – undenkbar!
Das Volk war hilflos, ausgeliefert, preisgegeben.

Heute sind wir vielleicht in einem ähnlichen Sinne preisgegeben:
Wir fühle uns ausgeliefert als »gläserner Kunden« und wissen nicht einmal, wer alles in unsere Daten hineinblickt und sie verwertet.
Wir reden von »denen da oben« und meinen manchmal die in Bern oder die in Brüssel.
Keine Gesellschaft vor uns hatte so viele Informationen aus der hintersten Ecke der Welt. Aber sind es auch die wichtigen? Wer wählt sie aus?
Wir fühlen uns ausgeliefert an die außer Rand und Band geratenen Wirtschaftsgewaltigen und ihre Milliarden schweren undurchsichtigen Geschäfte.
Und wir stehen machtlos den gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber: Alles ist heute möglich und erlaubt – aber wer tritt bei der herrschenden Beliebigkeit noch für unsere Werte ein.

Es ist gut, bei Micha genau hinzuhören. Er redet von einem Neuanfang. Das Heil läßt sich nicht aus dem Vorhandenen entwickeln. Manchmal braucht es einen radikaler Einschnitt. Und Gott kündet den durch den Propheten Micha an: Die neue Herrschaft Gottes beginnt in Bethlehem – aber Bethlehem ist winzig. Der neue Herrscher ist  - ein Säugling; Gott will den Rest des Volkes zusammenführen – ein Rest, so kommt manchen die Kirche heutzutage vor.
Ja, Gott strapaziert unser Vertrauen.
Lassen wir uns herausfordern aus unseren sicheren Meinungen? Lassen wir uns in Frage stellen durch Bethlehem und Kind?

Aber das muß auch gesagt werden: es ist geschehen, Michas Wort erfüllte sich. – Nur der große Friede, er ist ausgeblieben. Führte Micha die Menschen in die Irre?
Nein, ich glaube es ist eher so: Wenn Micha in die Zukunft blickt, dann ist es, wie wenn wir auf einen fernen Horizont blicken. Da stehen die Bergzacken alle nebeneinander. Erst wer näher kommt, sieht, daß sie zum Teil recht weit in die Tiefe gestaffelt sind. Das Kind in Bethlehem und den großen Frieden mag Micha aus der Distanz als benachbarte Ereignisse gesehen haben. Wir wehen da klarer.

Aber halten wir jetzt einmal das fest: Michas Wort erfüllte sich.  Es war genug schwer, das zu erkennen. Denn sie erwarteten einen neuen David – es kam der Zimmermann Jesus, der schließlich Gekreuzigte.

Wir können aber sagen: Christus regiert ohne Zwang und Gewalt. Er schenkt Freiheit – wenn Christen in den vergangenen zweitausend Jahren Gewalt ausübten, dann war’s ein Schlag in sein Gesicht. Auch wir, wenn wir fallen, wird es ihm weh tun!

Immerhin hat noch kein einziger Herrscher mit all seiner Macht, mit Schwertern, Streitwagen, Kanonen, Panzern, Bombern und Raketen soviel bewirkt in der Welt, wie dieser von Micha verheißene König.

Also Bewegung angesagt und Hoffnung, statt Lethargie!
Seit Bethlehem gilt, daß kleine Anfänge verheißungsvoll sind. Christus stärkt das Vertrauen, daß auch das Kleine Wirkung hat – was nicht heißt, daß wir kleinlich sein sollen.
Diese verheißungsvollen Anfänge erleben wir in unserer Gemeinde, im Singen und Beten, im Hören, und dann draußen im eigenen Leben, in den Beziehungen, an der Arbeit. Unsere kleinen Anfänge weisen auf den Herrscher aus Bethlehem hin. Und sie sind schritte auf ihn hin.

So lädt uns Weihnachten ein voll Zuversicht unsere Schritte dem neuen Horizont entgegen zu lenken im Vertrauen auf den, der den Frieden bringt.

Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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Evang.-ref. Kirchgemeinde Niederweningen