29. März 2013 - Karfreitag - Niederweningen - Predigt Pfr. Mathias Rissi

 

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!

Markus 15,34

 

Liebe Gemeinde

Warum? Das ist wohl die wichtigste Frage seit es Menschen gibt. Ihr verdanken wir, da zu sein, wo wir heute sind. Es gehört zum Menschen und zu seiner Entwicklung, nach dem Woher und Wohin, nach dem Warum zu fragen.
So sind die Kinder eine Zeit lang richtiggehend in einem »Fröglialter«: Warum dies, warum das, warum, warum, warum? - Und wenn die Eltern es müde sind, sagen sie: »Darum«.
Aber das löst das Problem nicht wirklich. Es gibt ja nicht nur das Warum, das die Neugier befriedigen will. Manchmal ist es ist eine bedrängende Frage. Sie belastet uns: die Frage nach dem Warum im Blick auf die Nöte in dieser Welt.
Warum gibt es soviel Leid, Hunger und Elend, aber auch Bosheit in der Welt? Warum läßt Gott das zu? Warum gibt es soviel Krankheit und Tod auf der Welt? Syrien, warum? Warum jetzt, warum ich? So fragen Menschen, die mir nahe stehen. Ich erleben zur Zeit eine Häufung von erschütternden Krankheitsdiagnosen im Bekanntenkreis. Da fragen sie: Warum, wo ich doch so gesund gelebt habe?
Und oft genug gibt es keine befriedigende Antwort. Die Frage ist zu ernst.

Nun, es könnte eine ganz billige Frage sein, wenn ein Mensch sie stellt und gar keine Antwort erwartet! Das ist so, wenn Menschen sagen: Wenn es Gott gäbe, daß könnte er das Leid doch nicht zulassen. – Damit haben sie die Antwort schon gegeben. Die Frage »Warum?« ist für sie die elegante Lösung, um sich definitiv von Gott und vom Menschsein und von der Frage nach dem Sinn des Lebens zu verabschieden.

Aber fragen wir einmal anders: Wenn wir mit dem Warum eine Not beklagen – welche Antwort würde uns denn befriedigen? Wenn wir Gott spielen könnten, wie würden wir die Probleme lösen? Darf dann niemand mehr krank werden und sterben? Das ist eine Sackgasse – Wir können selber immer nur aus persönlicher Sicht Antwort geben. Wir haben doch nur unseren menschlichen Blickwinkel und der sieht das, was uns im Moment vorteilhaft oder richtig erscheint. Wir haben gar nicht die Umsicht und den Überblick um eine allgemein gültige Antwort zu finden.
Ist es nicht ehrlicher die Frage abzuweisen?

Jede Antwort kann nur zynisch sein. Auch diese: »Glaube nur, es wird schon für etwas gut sein.« - wie herzlos das ist!
Wir bekennen hier ehrlich, daß wir verstummen müssen. Dieser Weg führt in eine Sackgasse.

Manchmal gibt es viel später im Rückblick eine Antwort und ein Verstehen. der Dinge, die uns so verzweifeln ließen. Aber manchmal verhallt dieses Warum auch mit den Jahren nicht.

Und nun schreit Jesus selber am Kreuz dieses verzweifelte Warum? hinaus.
Ja, warum mußte Jesus leiden? Wir erahnen, in welchen Abgrund Jesus am Kreuz gestürzt ist: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Bei Jesus ist es eben auch so, daß im Moment kein Sinn in seinem Tod zu erkennen ist, aber…  –  … unser Neues Testament wurde von Menschen geschrieben und überliefert, die schon auf Karfreitag und Ostern zurückblicken konnten, von Menschen, die durch Christus durch den Pfingstgeist belebt und beseelt waren. So blicken sie mit Gottes Augen, aus Gottes Perspektive auf das Geschehen.

Wenn sie fragen »Warum?« ist ihre Antwort eine zweifache:
zuerst dies: Im Johannesevangelium ist Jesu letztes Wort:
Es ist vollbracht!  [1]
Warum: Weil sein Tod heißt, daß Gott selber so für uns gestorben ist und mit uns Menschen geht, daß wir NIE verloren sind, selbst im finstern Tal der Verzweiflung, in Schmerzen und Tod.

Und weiter: Wie Paulus bekennt: Denn Gott hat uns nicht dazu bestimmt, daß wir dem Zorn verfallen, sondern daß wir die Rettung erlangen durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit wir alle miteinander, ob wir nun wachen oder schlafen, zusammen mit ihm leben werden.[2]

Ich fasse zusammen: Warum? Läßt sich oft nicht beantworten, jedenfalls nicht im Moment. Da sind die Tatsachen oft einfach nur gräßlich. Es gibt Dinge, die erst im Nachhinein ein Verstehen zulassen.
Jesus am Kreuz – da war es auch so. Jesus am Kreuz ist erst im Nachhinein verstehbar. Gott handelt so, um bei uns zu sein. Sein Weg zu den Menschen und mit den Menschen kann kein billiger Weg sein – er kann keinen Bogen machen um Kreuz, Leid, Schmerz und Verzweiflung, weil Gott ganz bei den Menschen ankommen mußte. Die Götter der von den Menschen geformten Religionen halten es mit den Erfolgreichen und Glücklichen. Unser Gott aber, der sich offenbart hat, er hält nicht nur zu den Erfolgreichen und Glücklichen. Du darfst gewiß sein, sogar in der verzweifelten Gottverlassenheit ist Jesus Christus da. Er kennt die Not, er teilt sie mit dir. Das erfüllt mit tiefster Tröstung.
Und gleichzeitig ist er der auferstandene Gekreuzigte. Er spricht Dir und mir Leben und Glauben, Hoffnung und Liebe zu.
So wird unser Fragen »Warum« von anderer Warte hell erleuchtet und wir vertrauen auf die Zuversicht, die Gottes Perspektive uns schenkt.

Wir werden den Karfreitag nicht als Tag der Katastrophe begehen, sondern in Brot und Wein des Abendmahls das Fest der Begegnung und der Befreiung feiern.

Denn wie wir überschüttet werden mit dem Leiden Christi, so werden wir durch Christus auch überschüttet mit Trost.[3]

 

Amen


 

[1] Johannes 19,30

[2] Im ersten Thessalonicherbrief 5, Verse 8 und 9 – der 1. Thessalonicherbrief ist übrigens der älteste Teil des Neuen Testamentes. Er ist fast 30 Jahre vor dem Markusevangelium geschrieben worden. Paulus ist der erste Kronzeuge des auferstandenen Gekreuzigten.

[3] 2. Korintherbrief 1,5

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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