Eidgenössischer Dank-, Buß- und Bettag

Predigt am 19. September 2004 in Meilen ZH

Pfr. Mathias Rissi

 

Markus 1,14-15                           Mk 1,14f Tut Buße. Kehrt um! tut Busse Mark 1:14


 

Liebe Gemeinde

 

Ein Pfarrer soll einmal gesagt haben: «Liebe Gemeinde, Heute halte ich keine Predigt, ich muß euch nämlich etwas Wichtiges sagen...» Das würden wir, meine Kollegin und Kollegen, in Meilen nie sagen, geht es doch jedesmal um das Wichtigste: um Gottes zurechtbringende, ermahnende und heilende Botschaft. Auch heute: Wir feiern den Eidgenössischen Dank-, Buß- und Bettag. Das ist ein vom Staat den Kirchen verordneter Feiertag. Erstmals wurde er 1796 gefeiert und dann so richtig im heutigen Gewand ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals war die Schweiz weit und breit das einzige Land in Europa, in dem sich die bürgerliche, demokratische Revolution von 1848 durchsetzte. Unser Staat wußte um die Verletzlichkeit dieses Pflänzchens und wollte Gott danken, Buße tun und beten. Nur – ein Staat kann das nicht, er kann nicht danken, Buße tun und beten. Im Gegenteil: Immer wenn Staaten die Religion vereinnahmt haben, kam es schlecht heraus. – Aber Menschen können das, in ihren Kirchen. Achten wir darum besonders darauf, was unser Bibelwort uns als Christen und als Bürgern unseres Landes sagt.

 

Es beginnt widersprüchlich: Als Johannes gefangengenommen war, da verkündete Jesus das Evangelium. Man hätte eher erwartet: da hielt alles den Atem an, nichts ging mehr. Der mächtige Rufer in der Wüste, der Prophet des Höchsten war ausgeschaltet worden. Alles ist blockiert. Bildlich gesprochen: Die Ampel steht auf rot. Die Leute stellen den Motor ihres Autos ab. Eine lange, lähmende Rotphase zeichnet sich ab. Aber da sagt Jesus: Erfüllt ist die Zeit!  Bleiben wir im einfachen Bild: Die Ampel wechselt auf grün! Die Wartezeit ist vorüber: Motor anlassen! Anfahren! Wehe, wenn jetzt einer sein Auto nicht starten kann, hält er alle auf. – Ich weiß es, das ist ein schwaches Abbild für das Reich Gottes. Aber Jesus proklamiert einen Neuanfang. Er bringt Leben in die stagnierende Welt.

 

Auch uns hat der Alltag stumpf gemacht – gewiß wie jene Fischer damals auch: Täglich schoben sie ihre Boote in den See und wateten im knietiefen Wasser. Immer wieder mußten sie die Netze auswerfen und Tag für Tag die Netze ausbessern. Immer das Gleiche, das zehrt an den Kräften, das verschleißt uns Menschen. Wie leicht lassen wir uns im Leben und in der Politik von den Erfahrungen der Vergangenheit zusammenquetschen.

 

Nun wendet Jesus unsern Blick aber auf das Neue: «Nahegekommen ist das Reich Gottes In diesem Begriff klingen Hoffnungen an: Gerechtigkeit und Frieden, der alle Vernunft überragt! Jesus will uns Schweizern sagen: Laßt endlich das Alte liegen – streckt euch aus nach vorn! Gott ist der Freund der Menschen. Orientiert euch an ihm! Werdet menschenfreundlich, wie Gott. Gott will die Welt erneuern. – Wie das? Und wie sollen wir damit umgehen?

 

Mit seinem: «Tut Buße - Kehrt um!» zeigt Jesus: ihr blickt in die falsche Richtung. Ihr Schweizer macht alles aus Angst: Angst vor Europa, Angst vor Amerika, Angst vor dem Islam, Angst vor dem Alter, Angst vor der nächsten Erhöhung der Krankenkassen-Prämien, Angst vor der Wahrheit, daß Wohlstand Steuern braucht, Angst vor Verlust…  Der Christus der zur Umkehr ruft ist derselbe, der spricht: «In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost – ich habe die Welt überwunden!» (Joh 16,33)

Etwas Angst ist manchmal gut, aber im Großen und Ganzen ist Angst ein schlechter Ratgeber - Er erlaubt es nicht, die dringenden Entscheidungen frei zu erörtern und zu treffen.

 

Es kommt mir so vor: Wir haben unsere Hoffnungen und Träume. Aber wenn wir uns darauf zu bewegen, ist es, wie wenn wir an einem starken Gummiseil angebunden wären. Es zieht uns zurück, wir schaffen den Aufbruch nicht. Der Elan schwindet. Wieviel Trägheit und Resignation zieht uns zurück! In solchen Fällen konzentrieren wir uns gerne auf Äußerlichkeiten. Mit dem Marboro-Typ verbinden wir Freiheit oder mit einem BMW-Cabrio meinen wir jung und dynamisch zu bleiben. Solche Träume, ja, das geht relativ einfach und verlangt nicht viel von uns.

 

Unsere Vorfahren haben im Schweiße ihres Angesichts unseren Bundesstaat geschaffen, seine Sozialwerke, das Bildungswesen, die öffentlichen Dienste, das Gesundheitswesen aufgebaut. Vergessen wir nicht: Die Schweiz war damals ein armes Land, man kannte den Hunger und ganze Landstriche sind deswegen ausgewandert nach Ost und West. Aber unsere Vorfahren haben visionär gehandelt. Auf dem Gedankengut der Solidarität und der Freiheit. Wenn sie immer nur auf das Portemonnaie geschaut hätten – nichts wäre entstanden. Nur Menschen, die verstanden haben, daß es manchmal auch ihr Opfer braucht – sie haben die soziale und politische Sicherheit geschaffen, die unser Land auszeichnete.

 

Nun hat das Schweizervolk am nächsten Sonntag wieder einmal die Gelegenheit an der Urne ein Zeichen seines Kleinmuts und seiner Angst oder aber ein Zeichen seiner Hoffnung und Perspektiven und seines Mutes zu setzen. Jesus jedenfalls ruft es uns deutlich zu: Glaubt an das Evangelium!  Evangelium hießen zur Römerzeit die Erlasse der als göttlich verehrten Kaiser. Jesus aber spricht nicht von einem kaiserlichen, sondern vom Evangelium des Reiches Gottes des liebenden Vaters. Dieses Reich ist bei Jesus Christus zu finden. Ihm sollen wir uns zuerst zuwenden, ihm dem liebenden Gott. Und dann noch einmal eine Wendung machen: mit ihm uns wieder dieser, seiner Welt zuwenden. Denn das Evangelium ist der Welt zugewandt. Es öffnet uns die Augen für das, was uns anvertraut und geschenkt ist. Und für das, was Gott tut und durch uns schaffen will. Es will genau dieses bewirken, daß wir vertrauensvoll und couragiert das eigene Leben und die Gemeinschaft in der Gesellschaft pflegen.

 

Das ist die Botschaft, welche wir Christen in diesen Staat einzubringen haben, und zwar nicht nur am Bettag, sondern das ganze Jahr über! Wir als christliche Bürger unseres Landes dürfen mehr Vertrauen und Mut haben, weil wir das Evangelium Jesu Christi kennen. Und das ist mehr als Rentabilitäts-Statistiken und Unkosten. Das ist Hoffnung und Mut!

 

Natürlich ist unser Land immer wieder eine träge Baustelle und unsere Kirchen sind es auch. Noch längst sind wir nicht am Ziel. Wahrscheinlich passieren uns auch noch öfter Rückfälle ins Zeitalter der Angst. Dann sollen wir es nicht vergessen: Erfüllt ist die Zeit. Nahegekommen ist das Reich Gottes! Kehrt um und glaubt an das Evangelium!  Und Jesus hat sein Evangelium nicht nur im Wort ausgeteilt, sondern auch in Brot und Wein. Er hat es an Kleinmütige wie den Petrus und die andern Jünger ausgeteilt, und sogar an den Verräter Judas. Zur Vergebung und zur Ermutigung auch an dich und mich.

Amen

 


 

Da die Ufwindpredigten jeweils schweizerdeutsch und frei gehalten werden, weicht die Druckversion vom gesprochenen Wortlaut ab und einzelne Vergleiche, Anekdoten können fehlen. Das gleiche gilt in geringerem Maße auch für die schriftdeutsch gehaltenen Sonntagspredigten.

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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