Gottesdienst im Freien auf dem Schüliberg


17. August 2014

 

Predigt über die »Verklärung Jesu«  Markus 9,1-10

 

 

Und sechs Tage danach nimmt Jesus den Petrus, den Jakobus und den Johannes mit und führt sie auf einen hohen Berg, sie allein. Da wurde er vor ihren Augen verwandelt, und seine Kleider wurden glänzend, ganz weiss, wie kein Färber auf Erden sie weiss machen kann. Und es erschien ihnen Elija mit Mose, und sie redeten mit Jesus. Da ergreift Petrus das Wort und sagt zu Jesus: Rabbi, es ist schön, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte, denn sie waren in Furcht geraten. Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke kam eine Stimme: Dies ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören! Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemanden mehr bei sich ausser Jesus. Während sie vom Berg hinunterstiegen, befahl er ihnen, niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Und sie griffen dieses Wort auf und diskutierten darüber, was das bedeute: von den Toten auferstehen. Markus 9,2-10

 

Liebe Gemeinde

Die Berge! In den vergangenen Sommerferien sind viele aus den Niederungen in die Berge gefahren und hochgestiegen.
Herrlich ist es dort oben: in die Weite zu schauen, den Alltag und seine Sorgen unten im Tal zurückzulassen. Wie erhaben ist es in der Majestät der Berge. Vielleicht erinnert dann auch noch ein Psalmvers auf einem kleinen braunen Keramikplättchen, das Ordenfrauen auf vielen Schweizer Bergen angebracht haben an Gott. Ja, da oben fühlen sich viele in seiner Nähe – und mancheiner möchte mit Goethes Faust sprechen: »Augenblick, verweile doch, du bist so schön!« Und ich bin sicher, Sie alle haben auch schon solche Augenblicke erlebt, die Sie ganz tief berührten und ein großes Glücksgefühl wachsen ließen.

Darum werden wir alle wohl den Petrus, den Jakobus und den Johannes gut verstehen. Was aber erleben sie in diesem Moment auf dem Berg? Es muß ja etwas anderes sein; damals kannte man das Wort Ferien noch nicht. Und vielleicht noch wichtiger ist die zweite Frage: Woher kommen sie überhaupt, daß sie jetzt auf den Berg hinaufsteigen?
Sie sind hinaufgestiegen in die Einsamkeit des Berges, nach Erlebnissen und Worten, welche sehr schwer wogen. Denn Jesus hat ihnen zuvor erklärt, daß sein Weg nach Jerusalem führt. Es wird kein touristischer Ausflug werden. Es ist die Spur seines Lebens, welcher Jesus folgt.

Jerusalem ist also das Synonym für Gottes Leidenschaft und Leiden für die Menschen. Eben noch hatte Jesus gefragt, für wen ihn die Leute hielten. Die Jünger hatten geantwortet: für den wiedergekommenen großen Propheten Elia oder den auferstandenen Johannes den Täufer. Auf die Frage: Und ihr, für wen haltet ihr mich – hatte Petrus geantwortet: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Da entgegnete ihm Jesus: Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.«
Als Jesus darauf sein Leiden ankündigte, da wollte Petrus Jesus hindern am Weg nach Jerusalem und Petrus mußte anhören: »Fort mit dir, Satan, hinter mich! Du willst mich zu Fall bringen, denn nicht Göttliches, sondern Menschliches hast du im Sinn.«
Ein paar Tage ist dies alles her, da, berichtet der Evangelist, seien sie nun zum Berg aufgestiegen. Die Erfahrung auf dem Berg steht also mitten in den Leidensankündigungen und Hinweisen auf die Passion in Jerusalem.

Jesus ist angefochten. Er zieht sich auf den Berg zurück, wie z.B. auch Elia auf dem Horeb dies getan und von Gott neue Kraft erhalten hatte.
Auf dem Berg erfahren die drei Jünger ein für ihren Glauben tief beeindruckendes Erlebnis. Sie sind zwar schon monatelang bei Jesus. Sie haben ihn begleitet, haben ihm begeistert zugehört, aber jetzt erleben sie etwas Fremdes. Sie sehen Jesus wie mit neuen Augen. –  Sie stottern, sind hilflos.
Im Grunde ist es ja unbeschreiblich, was sie sehen: Kleider seien weiß wie das Licht. Sie sehen etwas, das man normalerweise nicht gesehen hat, wenn man auf Jesus schaute. Sie sehen Jesus in seiner göttlichen Herrlichkeit und Macht. Sie spüren: das kommt von Gott, jetzt begegnet uns Gott.
Gerade jetzt ist dies wichtig – vor Passion. Dort wird Jesus ganz anders aussehen: schwach, verletzlich, sterblich – keine Spur von Gott werden sie dann zu erkennen meinen – jedenfalls so, so wie Menschen sich Gott vorstellen.
Jetzt dürfen die drei Jünger quasi einen Blick in die Welt Gottes hinüber tun: Sie sehen jetzt, woher Jesus kommt: von Gott. Und Gott bekennt sich zu ihm. »Dies ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören!«

Die Worte sind uns vertraut und bekannt von der Taufe Jesu: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.« Jesus ist ganz bei Gott in diesem Augenblick auf dem Berg; er ist ganz zuhause. Altbewährte Botschafter Gottes um ihn stehen: Moses ist da, und Elia. Sie wollen den Zweifeln der Jünger keinen Raum lassen: So erleben sie den Moment einer tiefen, unerschütterlichen Geborgenheit, einem Gefühl des überfließenden Glücks. Haben Sie das auch schon erlebt? Momente, wo der Glaube so stark war und fast Flügel verleiht: auch in der Gebrochenheit des Lebens?
Es lohnt sich daran zurückzudenken. Für mich waren es nicht Momente einer feierlichen religiösen Grundstimmung einer höheren Macht gegenüber, sondern es hatte immer damit zu tun, dass Jesus Christus mir nahe kam! Wie anders könnte es sonst gehen, denn wie wollte ich als Normalsterblicher eine Beziehung zum ewigen und allmächtigen Gott pflegen? Da wo mir bewußt wird: dieser Bruder Christus – in ihm kommt der ewige Gott in mein Leben
da müssen Selbstzweifel und Sorgen weichen und ein unerschütterlicher und großartiger Friede breitet sich aus.
Gott läßt auch heute und auch uns solche Momente der Geborgenheit mit ihm erleben. Wahrscheinlich nicht so fremdartig, nicht so überwältigend, wie die Jünger das auf dem Berg erleben – aber wir haben es ja auch besser also sie, denn sie wußten noch nichts von Tod und Auferstehung. So nimmt der nahe Christus auch uns hinein in einen tiefen beglückenden Frieden. Wir dürfen dann unserer Taufe gedenken, die die meisten von uns nicht bewußt erlebten, aber bei jeder Taufe nachvollziehen. Das ist so ein Höhepunkt der Liebeserklärung Gottes, die dann ins ganze Leben ausstrahlen will.

Und so verstehen Sie gewiß auch den Petrus, wenn er sagt: "Hüten bauen!"  Ich will hier bleiben! Nicht mehr hinunter ins Tal, in den Alltag.
Für uns genau gleich: »Hier möchten wir bleiben! Da, wo Gott uns seine Liebe ganz zugesagt hat, da, wo er uns umarmt hat! Wir möchten nicht ins böse Leben hinausgehen, sonst verwischt der Eindruck!". So möchte Petrus am liebsten oben bleiben.
Aber, es ist noch nicht so weit. Diese göttliche Ruhe, dieser Friede ist jetzt nicht das Ziel, jetzt noch nicht.
Jetzt ist die Zeit des Vertrauens. Eine Zeit, in der die Herrlichkeit und Wahrheit verhüllt ist von den Umständen des Alltags. Erst nach der Auferstehung wird man diese Erscheinung verstehen können. Darum sollen die Jünger vorläufig darüber schweigen.
Zunächst muß Jesus die Jünger - die Jünger und uns - hinunterführen in die Welt. Warum? Warum können wir nicht in diesem Glück verharren und bleiben? Weil es gilt, die Spur, die nach Jerusalem führt, aufzunehmen; weil Jesus nicht drei auserwählten Glückspilzen Seelenfrieden und Geborgenheit geben möchte, sondern weil er auf seinem Weg nach Jerusalem durch das Kreuz auch für alle Menschen einstehen möchte. Auch jenen will er Heil zusprechen, die sich gegen ihn gestellt haben. Und Jesus tut es Kreuz. Gezwungenermaßen hat er seine Arme ausbreitet und seine Peiniger verspotten ihn. Er aber betet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" - Diese Spur muß Jesus aufnehmen, diesen Weg muß er gehen. Es geht ihm nicht um Glück für drei Jünger, sondern um Gottes Reich. So müssen die Jünger hinabsteigen mit Jesus.

Auch wir müssen oft in unserem Leben hinabsteigen von der Höhe, herab in die Niederungen des Alltags, den wir gewohnt sind. Auch wir sollen nicht auf den Spitzen unserer Seligkeiten verharren, sondern hinab in die Welt gehen, die uns umgibt. Und daß diese Spur, dieser Weg nach Jerusalem nicht nur eine Welt des Leidens ist, das werden die Jünger gleich anschließend erleben. Sie erleben, wie Jesus ein epilepsiekrankes Kind heilt und damit ein Zeichen jener Herrlichkeit in einer gebrochenen Welt aufrichtet. Ein Zeichen jener Herrlichkeit und jenes Reiches, dessen Glanz den Jüngern für kurze Zeit ganz hell geleuchtet hat. Das, was uns hilft, die Tiefen unseres Lebens auszuloten, sind die Worte - so, wie bei den Jüngern - die Worte, die uns in den Ohren noch nachklingen, wenn von der herrlichen Übersicht kaum etwas übrigbleibt. Die Vision, die Jesus seinen Jüngern gibt, ist ein Geschenk. Die tiefste Gewißheit, die wir im Glauben zuweilen erfahren, ist ein Geschenk Gottes. Ein Geschenk, das uns Orientierung gibt, das uns daran festhalten läßt, das uns das Fundament gibt: ja, daß Gottes Worte, die er zu Jesus sagt " Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen!", daß sie gelten. Und weil Jesus hinuntergestiegen ist, hören wir diese Worte und sie gelten auch ganz für uns: "Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen!" und das macht uns hoffungsvoll und stark, unsere Spur weiterzuverfolgen.
Amen


 

Pfr. Mathias Rissi

 

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