7. November 2010 - Reformationssonntag - Kirche Meilen - Predigt Pfr. Mathias Rissi
Matthäus 10, 26b-33 Mt10,26-33
Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt, und nichts geheim, was nicht bekannt werden wird. Was ich euch im Dunkeln sage, das sagt im Licht. Und was ihr ins Ohr geflüstert bekommt, das ruft aus auf den Dächern. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet euch mehr vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann. Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Fünfer? Und nicht einer von ihnen fällt zu Boden, ohne daß euer Vater bei ihm ist. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater im Himmel. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater im Himmel.
Liebe Gemeinde
Sollen die Gipfelkreuze von den Bergen entfernt werden? Ist die Bibel nicht zu gefährlich für die Jugend mit allen erotischen und Gewalt-Szenen. Müßte man sie darum nicht eigentlich unter Verschluß halten? Wäre es im Zeitalter der Multikulturalität nicht angebracht, das Kreuz aus der Schweizerfahne zu entfernen? – Solche für mich etwas abstrusen Ideen wurden in den vergangenen zwei Wochen in den Medien laut. Die Gegner des Christentums machen mobil – allerdings auf reichlich dumme Weise, wie die Beispiele zeigen. Aber es ist Tatsache: Die Atheisten, die Esoteriker – alle bekennen sich zu ihren Ideologien und äußern dabei teilweise die abstrusesten Forderungen.
In der Arena vorige Woche kreuzten Gegner und Freunde des Kreuzes die Klingen. Die Gegner des Kreuzes holten ihre Argumente aus dem Mittelalter. Aber ich fand auch die Befürworter nicht besser. Es geht doch nicht um ein radikales sich Durchsetzen. Wir im reformiert geprägten Kanton Zürich kämen doch nicht auf die Idee, im Klassenzimmer ein Kruzifix aufzuhängen. Wir unterscheiden zwischen dem staatlichen Bildungsauftrag der unabhängig von der Religion umgesetzt wird und dem privaten Ausdruck und Bekenntnis des Glaubens und wie wir ihn ausdrücken.
Da besteht allerdings ein gewisser Korrekturbedarf: Hören wir auf das, was Christus sagt.
Zuerst nennt er eine alte Tatsache: Wenn ich will, daß etwas möglichst schnell verbreitet wird, dann muß ich es nur als streng geheim erklären. Der Rest geschieht automatisch. So sollen die von Jesus im kleinen Kreise unterrichteten laut von den Dächern posaunen. Was klein und unscheinbar beginnt, es wird vom Dunkel ins Licht kommen und große Kreise ziehen.
Was soll da ans Tageslicht kommen? Jesus spricht von seiner Botschaft der Ermutigung und Gnade. Wir denken auch an das Wort vom Kreuz (1. Kor. 1,18). Es geht nicht um unser Mitteilungsbedürfnis. Wir sind von Jesus „angesteckt“ und angetrieben. Aus der hörenden Gemeinde wird die verkündende Gemeinde.
»Fürchtet euch nicht!« fügt er an.– Warum sollten wir auch. Es ist doch nichts dabei, wenn wir zu unserem Glauben stehen. Das stimmt. Daß es uns so gut geht, ist aber eine große Ausnahme. Das war nicht zu allen Zeiten so und ist auch heute weltweit keine Selbstverständlichkeit. Weltweit gesehen sind die Christen mit Abstand die größte Gruppe der um des Glaubens willen verfolgten Menschen. So meldete die NZZ, daß »von den weltweit über 2 Milliarden Christen zweihundert Millionen – also jeder zehnte – unter Diskriminierungen, schwerwiegenden Benachteiligungen und Anfeindungen zu leiden haben.« Darum macht Jesus seinen Boten Mut mit dem Bild von den Spatzen und den Haaren, die gezählt sind. Gott steht seinen bedrohten Boten bei.
Bei uns
ist aber Christsein nicht gefährlich. Es ist höchstens so, daß unsereiner sich
geniert, öffentlich den Glauben auf die eine oder andere Art zu bekennen.
Bei uns ist es eben noch halbwegs selbstverständlich, daß wir in einem
christlich geprägten Land leben und viele Menschen Kirchenmitglieder sind Aber
auch bei uns besteht die Gefahr, daß dies verloren geht. Die Soziologen und
Religionswissenschafter erkennen einen Trend. Sie sagen, die reformierte Kirche
werde »ärmer, älter, kleiner«.
Das mahnt uns daran, daß es mit Jesu Aufforderung ernst gilt: Die Zeit der vornehmen Zurückhaltung ist vorüber. Die Ausgesandten sind wir Mitglieder der Gemeinde.
Der heutige Reformationssonntag erinnert uns daran, daß das Wort weitergegeben werden will. Zu allen Zeiten der Kirchengeschichte haben Menschen sich auf das Evangelium zurückbesonnen. Und sie sind aufgestanden, um einer morschen Welt und Kirche dieses Wort neu zu sagen und Licht ins Dunkel zu bringen. Das braucht manchmal unverschämt viel Mut. Wir denken an den Reformator Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms. Kaiser und Kirche standen ihm gegenüber und erwarteten, daß er seine Schriften widerrufe. Und er gab nicht nach: »Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!« – Auch wir sind überwunden von Gottes Wort. Wir leben von seinem Eintreten für uns. Man soll uns anmerken, daß wir zu ihm gehören.
Gerade
dies ist uns aber fremd. Dabei schulden wir es Jesus Christus und der Welt.
Ich erinnere mich an eine Begegnung in Thailand, wo wir vor fünf Jahren meinen
Schwager besuchten. Natürlich bereisten wir das Land und bestaunten seine
Schönheit, Kultur und Religiosität. In Chiang Mai hatten wir einen
ausgezeichneten Privatführer, einen Studenten, der wie viele junge Männer dort
ein Mönch gewesen war und aus erster Hand all das Fremdartige in der prächtigen
Tempelanlage Doi Suthep erklären konnte: Wozu die drei Räucherstäbchen, das
Loswerfen, die vielen Glocken und Glöckchen und all das Gold sei. Es ist den
Menschen dort offenkundig sehr ernst mit diesen heiligen Verrichtungen, denn sie
möchten die Jenseitsmächte gnädig stimmen und das nächste Leben nicht auf einer
tieferen Stufe beginnen. Im Verlaufe der Besichtigung fragte ich unseren Führer:
»Do you know…Weißt Du, was unser Glaube ist?« Er hatte überhaupt keine Ahnung
vom christlichen Glauben. So erklärte ich ihm, daß ich darauf vertraue, daß Gott
uns liebt, daß wir seine Liebe mit nichts erkaufen können, daß er aber in einem
unbegreiflichen Akt von Solidarität in Jesus uns Menschen begegnet als einer von
uns, daß er nicht einmal den Tod gemieden hat, weil er so ganz bei uns sein
will. – So versuchte ich es mit einfachen Worten ihm zu sagen, daß all das,
wofür die thailändischen Buddhisten Aufwand treiben und dann doch im Ungewissen
über ihre Rettung sind, – daß wir Christen dies alles geschenkt bekommen.
Jetzt mag
jemand einwerfen, das sei einfach für einen Pfarrer in Thailand. Aber hier bei
uns wisse doch jeder Bescheid – Ich sage dagegen: »Längst nicht mehr!« Um Menschen zu
treffen, die wenig Ahnung vom Evangelium Christi haben, mußt Du nicht nach
Thailand fliegen. Die gibt es auch hier. Es gilt, ihnen respektvoll zu begegnen
und sie weder zu bedrängen, noch zu belästigen. Es reicht, wenn die Umwelt
Bescheid weiß. Dazu muß niemand erst Theologie studieren.
Ein Beispiel gefällig? Im Konfirmandenlager wenn wir beim Abendessen beisammen
saßen stimmte ich als Tischgebet ein Lied vor dem Essen an. Die Jugendlichen
machten ohne mit der Wimper zu zucken mit. Als ich fragte: »Kennt ihr das: ein
Gebet oder ein Lied vor dem Essen?« Da meldeten sich zwei, drei: »Ja, wenn wir
bei den Großeltern sind, die machen das auch.« Da wäre also ganz direkt eine
Möglichkeit, nicht nur für Großeltern, wo wir Gott im Alltag wieder neu Raum
geben können. Oder ich denke an die Bewohnerinnen und Bewohner des
Alterszentrums Platten, die ihre Unterschrift dafür gaben, daß unsere
Gottesdienste wieder übertragen werden: »Wir wollen das!«
Es ist
Jesus ganz ernst: Uns klingen noch die beiden letzten Verse nach: Jeder
nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich
bekennen vor meinem Vater im Himmel. Und umgekehrt: Wer mich
aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater
im Himmel. Das macht dann doch wieder Angst. Müssen wir
nicht ehrlich fürchten, zur zweiten Gruppe zu gehören? Da wären wir aber in ganz
prominenter Gesellschaft mit dem Jünger Simon Petrus. Der hatte nach der
Verhaftung Jesu dreimal geleugnet, ein Freund Jesu zu sein, ja überhaupt
geleugnet, ihn zu kennen. Aber als er wegen dieses Leugnens am Boden zerstört
war, da hat Jesus ihm neu die Hand entgegengestreckt und ihm die Gemeinde
anvertraut.
Heute wünscht Jesus Christus von seiner Gemeinde also, daß sie mutiger Farbe
bekennt, weil sie alles von ihm bekommt. So ermuntert er uns auch zur
Gelassenheit bei der Kreuzdiskussion.
Wenn wir an Simon Petrus denken, dann ist eines klar: Fehler machen ist erlaubt,
Schweigen nicht!
Amen
Pfr. Mathias Rissi
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