29. November 2014, Niederweningen  -  Vorabend des 1. Advent
Predigt im Neuen Abendgottesdienste
Pfr. M
athias Rissi Matth 25:1-13 Die zehn Jungfrauen

Das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Brautjungfern

Matthäus 25,1-13

 

 

Liebe Gemeinde

 

Am Eingang zum Berner Münster sind sie anzutreffen, die 10 Brautjungfern, zu beiden Seiten des Portals. Sie stellen jedem, der in die Kirche eintreten will eindringlich die Frage: Auf welche Seite gehörst du? Wir sollen uns prüfen: Zu welchen gehöre ich? Zu den fünf Gescheiten oder zu den fünf Dummen?

 

Stellt euch einmal vor, ihr seid zu einem Hochzeitsfest eingeladen. Ihr habt Euch schön angezogen, ein Geschenk ausgesucht. Ihr seid gut im Zeitplan drin – und dann, wie es im Leben manchen Leuten eben geht, hat Euch noch irgendeine Pflicht abgelenkt und versäumt. Zu spät fahrt ihr los als ihr zur Kirche kommt, ist der Gottesdienst schon aus und nur noch der Pfarrer steht da mit dem Sigristen. Wo sind sie hin? Ja, die beiden wissen euch keine Antwort. Schon peinlich und noch vielmehr schade! Natürlich kann man sagen, «geschieht den Zuspätkommenden recht, wenn sie den Zeitpunkt nicht achten und das Hochzeitspaar nicht besser respektieren.

Besonders unangenehm wäre es, eines Tages vor dieser verschlossenen Tür zu stehen, welche Jesus im Gleichnis anspricht: Jesus spricht vom Himmelreich als einer Hochzeit, einem Fest! Das Leben ist gewiß nicht schlecht, aber auf uns wartet ein Fest. Jesus nahm damals an, daß dieses Fest zu Lebzeiten anbrechen werde. Jesus sagt: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen!  (Matth 24,34)

Advent heißt Ankunft. Aber der Advent zieht sich in die Länge. Seit 2000 Jahren ist die Adventszeit eine alljährliche Gewohnheit geworden. Das Ziel, welches Jesus verheißt, ist nicht erreicht. Es ist vielleicht ähnlich wir es von Wanderungen oder Skitouren kennen: Man sieht das Ziel am Horizont und freut sich bald da zu sein. Dann beim Näherkommen stellt es sich heraus, daß es nochmals über ein Kuppe und durch ein Tal geht. Dann verliert man fast den Mut und die Kräfte.

 

Es ist mit einem Schmunzeln erzählt – ein freundliches und zutiefst menschliches Bild: Allen Brautjungfern fallen die Augen zu, sie schlafen an die Hauswand gelehnt ein, ihre die Lampen gleiten ihnen aus den Händen und brennen langsam herunter. Die schlafenden Brautjungfern sind ein Bild für uns Christen zwischen den Zeiten. Zwischen der Zeit des ersten Glaubens und der Vollendung. Wenn jemand den Glauben entdeckt und damit Gottes vorbehaltlose Liebe, dann sind die Sorgen wie weggeblasen. Da ist die Begeisterung über so viel Neues, über Begegnungen mit anderen, über Gemeinschaft, über geistliches Wachstum. Aber dann kommt mit der Zeit die Ernüchterung: ich bin ja immer noch der alte,  der Glaube hat nicht alle Probleme gelöst. Und die Wiederkunft Jesu und die Vollendung sind in weiter Ferne. Das ist keine einfache Zeit. Da heißt es Warten. Dies gehört realistisch gesehen zum Leben. Dieses Warten ist sicher nicht nur gefüllt mit Schlafen, sondern es ist eine Zeit, in der wir uns in dieser Welt, so gut es eben geht, einrichten.
 

Wenn die Kirche 2000 Jahre geschlafen hätte, dann sähe es in der Welt wohl noch viel trostloser aus. Auch wenn unser Leben kurz ist, so kurz, daß wir nicht in dieser Welt irgendwie seßhaft werden müssen, ist es auch wieder nicht. Es gilt herauszufinden, was wir gerade mit unserer Hoffnung hineinbringen können ins Leben und die Umgebung. Wenn wir zurückschauen in die Geschichte der Kirche und ins eigene Leben, dann waren dies wohl die starken Zeiten, wo wir nicht geträumt, sondern uns engagiert haben. Wo wir uns nicht vertröstet haben, sondern die Hoffnung hier umgesetzt haben. Im Glauben, daß ein Zipfel des Gottesreiches auch in dein und mein Leben, in dieses Welt hinein reicht. Denn auch als Christen, als Menschen, deren eigentliche Heimat im Himmel ist, sind wir ein Teil dieser Welt. Jesus möchte nicht, daß wir das vergessen. Er möchte schon Nachfolger, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.
 

Christen richten sich in dieser Welt ein, gehen ihren Berufen – auch durchaus weltlichen Berufen – nach, gründen Familien, tun Dinge, die Nichtchristen auch tun. Und hier gibt es nun die Klugen und die Dummen. Die Klugen sind sich dessen bewußt, daß die Wartezeit sehr lang sein kann, daß ihre Begeisterung nachlassen kann und daß zum Christsein auch ein gewisses Durchhaltevermögen gehört. Es reicht eben nicht, irgendwann den Glauben entdeckt oder sich bekehrt zu haben oder irgendwann einmal getauft und konfirmiert worden zu sein. Das sind wohl wichtige Punkte, sozusagen Meilensteine in der Vergangenheit. Stellt euch einmal ein Ehepaar vor, das sein Hochzeitsfotoalbum anschaut und dann feststellt: «Wie haben wir uns damals lieb gehabt…» Davon haben wir heute nichts. Wenn sich die Liebe nicht bewährt und jeden Tag neu wird, ist sie verloren.

So möchte die alljährliche Adventszeit die Freude wachhalten. Aber stumpft sie vielleicht auch ab, ohne es zu wollen?

Wissen wir noch, worauf wir warten? Auf die Lichter in den Straßen und Schaufenstern, die immer früher auf die Weihnachtszeit vorbereiten? Auf die Geschenke? Auf Frieden? Im Januar hat uns dann der Alltag wieder, dann sind die Lichter weg…

Ist Advent am Ende ein «Warten auf Godot», wie es Samuel Beckett in seinem Stück beschreibt? Da unterhalten sich die zwei Schauspieler auf der Bühne, ob sie jetzt weggehen oder immer noch auf Godot warten sollen. Der Name Godot ist nicht zufällig gewählt. God läßt auf sich warten – ja kommt er überhaupt? Die Existentialisten sagen: nein.

 

Viele Menschen sind schläfrig geworden. Sie glauben nicht so recht an das Kommen des himmlischen Bräutigams oder besser gesagt des Erlösers. – Das paßte früher viel besser ins Weltbild, als heute. Wir sind so unserem materialistischen Weltbild verhaftet, daß wir uns gar nicht vorstellen können, wie das mit der Wiederkunft überhaupt geschehen könnte.

 

Anderseits: Wir schöpfen unsere Kraft aus dieser Hoffnung: Er der damals gekommen ist und sich mit uns verbunden hat, er der seither uns begleitet, versöhnt und ermutigt – er wird einst kommen «in Herrlichkeit». Wer den Glauben an das Kommen Jesu verliert, schließt sich selbst vom Fest aus.

 

Die Ölfunzelchen in Palästina gaben zwei Stunden Licht – Es war also grob nachlässig, nicht einen Vorrat mitzunehmen! Denn auf den Nachschub kommt es entscheidend an! Unser Glaube, unsere Hoffnung und unsere Liebe sind das Öl, womit diese Lampen gespeist werden.

 

Glücklich, wir die Gemeinschaft pflegen, glücklich wir, die auftanken können. Wir können zehren davon. Jede Stunde, die die du dir Zeit nimmst für Gott, für sein Wort, für seine Kinder, für seine Schöpfung, jeder Moment der Dankbarkeit, der Freude, die du in deinem Leben zuläßt, jedes fröhliche Lied, das wir singen singe, kann im Leben irgendwann zu dem Öl werden, das deine und meine Lampe wieder zum Brennen bringt, kann dir Licht spenden, wenn du eines Nachts erwachst und merkst, daß alles um dich herum dunkel ist.

 

Und dann sind wir auch dabei, wenn die Stimmen der Wächter ertönen: Wacht auf, der Bräutigam kommt, seid bereit, mitzufeiern, das Fest beginnt.

Wie werden nach der Predigt das schöne alte Kirchenlied Wachet auf singen. Entstanden ist es in einer Pestzeit. Philipp Nicolai war damals Pfarrer in Unna, einer Stadt im östlichen Ruhrgebiet. Im Jahr 1597 wütete die Pest und raffte mehr als die Hälfte der Einwohner dahin. In jener Zeit, als er wöchentlich bis zu dreißig Beerdigungen hatte, dichtete der Pfarrer dieses Lied von der Hoffnung auf die herrliche Wiederkunft Christi. Christliche Hoffnung läßt sich eben nicht zerstören, weil sie auf Jesus Christus gründet. Er der einst gekommen ist, ist mit seinem Leben dafür eingestanden, daß alles zu einem guten Ende führt, weil er einst kommt in Herrlichkeit.

Amen

 

Pfr. Mathias Rissi
 

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