3. März 2002  Das letzte der sieben Sendschreiben - an die Gemeinde von Laodizea  - Predigt Pfr. Mathias Rissi

Offenbarung 314-22 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Dies sagt der «Amen», der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich weiß deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. O daß du kalt oder warm wärest! So aber, weil du lau bist und weder warm noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Munde. Weil du sagst: Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts, und nicht weißt, daß du der Elende und Bejammernswerte und arm und blind und nackt bist, rate ich dir, von mir Gold zu kaufen, das im Feuer geglüht ist, damit du reich wirst, und weiße Kleider, damit du dich bekleidest und die Schande deiner Blöße nicht offenbar wird, und Augensalbe, um deine Augen zu salben, damit du siehst. Ich strafe und züchtige alle, die ich liebhabe. So sei nun eifrig und tue Busse! Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich verleihen, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde

Eine zutiefst beunruhigende Szenerie malt uns Christus mit der Gemeinde von Laodizea vor Augen. So könnte es auf der Titanic gewesen sein: oben im Salon der 1. Klasse tanzen sie vergnügt, dinieren und scherzen und wissen nicht, daß das Schiff dem Untergang geweiht ist.

Gewiß niemand möchte eine Gemeinde wie Laodizea sein: Laodizea ist reich, nicht nur materiell. Sie feiern schöne Gottesdienste und fühlen sich im Glauben stark. Sie reiben sich die Hände: es ist alles bestens, für alles ist gesorgt! Laodizea hält sich für glücklich in seinem Wohlstand. Die Gemeinde hat alles nötige. Ja, mehr noch: Sie hat Überfluß – aber dieser Überfluß verdrängt oft genug das Gespür für die wichtigsten Grundbedürfnisse: Liebe, Gemeinschaft.

Christus wird darum sehr deutlich: Laodizea, du meinst genug zu haben! Darum kannst du nicht sehen, daß du nichts bist. Deine Einbildung macht dich blind für Einsicht. Du läßt nichts mehr an dich herankommen. Du glühst nicht! Du hast keine Mission mehr. Du kreist um dich selbst. Dich vermißt niemand.

Sie sei lauwarm, sagt er. Lauwarmes Cola, eine lauwarme Bratwurst - zum Speien ist das! Du meinst alles zu haben! Und merkst du deine Armut nicht! Du zeigst ein unentschiedenes, unengagiertes Verhalten – wie läßt sich das mit dem Glauben an den Lebendigen vereinbaren?

Mir kommt es vor, als habe Laodizea seinen Wohlstandspudding mit einem Frömmigkeits-Sahnehäubchen verziert.

Und das hält er ihnen jetzt alles vor.  O je,  in der Haut der Leute von Laodizea möchte ich jetzt nicht stecken. So wie Laodizea sind wir zum Glück nicht und möchten es nie und nimmer sein. Oder ähneln wir vielleicht doch ein bißchen Laodizea?

Dann gäbe es allerdings nur eins: Wie kommen wir da heraus?

Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Laodizea und der Titanic. Jene war zum Untergang verurteilt. Laodizea aber erlebt einen Moment der Gnade: Nicht zum Gericht und zur Abrechnung steht er vor der Tür! Sondern der liebende Christus spricht die Gemeinde an! Weil er sie liebt, legt er den Finger auf den wunden Punkt: auf die blinden Augen. Und weil er sie heilen will.

Ein Blick in die Geschichte: Das kleinasiatische, damals griechische, Laodizea war eine selbstbewußte Handelsstadt mit Banken, mit Wollindustrie im Lykos-Tal und einer berühmten medizinischen Akademie. Dazu gesellte sich eine Pharmaproduktion, welche bekannt war für ihre Salben bei Augen- und Ohrenleiden.

Diesen Branchen entsprechend bietet Christus dieser Gemeinde wie ein Händler an: Laß das andere, nimm das, was bleibt !!! (V18+19)
Die Goldwährung eines geläuterten Glaubens.
Weiße Wollkleider eines gerechten Lebens.
Augensalbe (Kollyrium – steht auch heute auf jeder Augensalbetube) für Erkenntnis und Umkehr. Die macht für die eigene Lage einsichtig. Sehende Augen helfen, sich am Ziel zu orientieren.

Orientierung heißt: Wie bringen wir unsere Lage in Ordnung? Wie kommen wir wieder an den Tisch Jesu – zur Gemeinschaft mit ihm? Ganz verblüffend bemerken die Laodizeer: "Wir sitzen dran, aber Jesus steht draußen!!"  Das darf doch nicht sein: der Gastgeber draußen vor der Tür. Aber sogar in Laodizea wartet er noch vor der Tür!

Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir. (V20) Das Mahl, in der Bibel immer wieder der Inbegriff des Festmahles im Reiche Gottes, wenn die ganze Schöpfung von Gottes Frieden erfüllt ist. Unweigerlich denken wir an das Abendmahl! – ein Zeichen des Gottesreiches.

Alle dürfen den Frieden und die Herrschaft Gottes mitfeiern und an seinem Segen teilhaben.

Aber noch sind wir nicht da, sondern in der Welt. Wofür sollen uns da die Augen aufgehen? Die Augensalbe will uns die Augen öffnen, daß wir erkennen, wer wir sind – vor Gott. Daß wir uns da keinen Selbsttäuschungen und Beschönigungen hingeben, die sind nämlich am gefährlichsten. Was wir wirklich sind: Kinder Gottes, verwöhnt wie Gäste an Gottes Tisch. Begnadigte Menschen. Allerdings gehören manch andere auch dazu: zweifelhafte Gestalten, die ebenfalls Kinder und Gäste sind. Wir mögen sie vielleicht nicht besonders leiden. Aber wir sollen und können zusammenspannen!

Wer mit der geistlichen Augensalbe richtig sehen kann, dem können wir kein sorgloses Leben versprechen, wohl aber ein spannendes, voller Überraschungen, mit neuen Freundschaften wie mit ungewollten Feindschaften.

Dann wird das Leben nicht mehr so lau verlaufen, klimatisiert und steril. Vor Jahren verkündete ein Spruch in der Bfa-Agenda: Wer andern die Tränen abwischt, bekommt nasse Hände. Es ist wahr, wir riskieren etwas. Wir geraten in schwierige Entscheidungen, welche keine elegante Lösung haben. Es kann sein, daß wir auch einmal scheitern.

Aber selbst dann wird der Gastgeber von Laodizea sein Meilen, oder wie Laodizea heute auch immer heißen mag, nicht im Stich lassen. Hat er doch auch da uns die Augen geöffnet mit seinem vorbehaltlosen Einsatz durch Tod und Auferstehung. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden. Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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