17. Dezember 2006- 3. Advent Gottesdienst in Meilen  
Predigt Pfr. Mathias Rissi   Phil 4:4-7  Philipper 4,4-7

Freuet euch im Herrn allezeit; nochmals will ich sagen: Freuet euch! Lasset eure Freundlichkeit allen Menschen kundwerden! Der Herr ist nahe. Sorget euch um nichts, sondern in allem lasset im Gebet und Flehen mit Danksagung eure Bitten vor Gott kundwerden. Und der Friede, der allen Verstand überragt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus. Philipperbrief 4,4-7

 

Liebe Gemeinde

Freut Euch! – das ist ein Befehl. Kann man das sagen? Muß man das vielleicht gar sagen?

Nachrichten aus England und der Schweiz haben in diesen Tagen viele verunsichert: In England sollen Weihnachtsdekorationen von Straßen und Schaufenstern verschwinden und hierzulande hat der Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes geäußert, Adventskränze und Weihnachtsfeiern hätten in den Schulhäusern nichts verloren. Gewiß hat er diese Empfehlung verstanden als »political correctness« gegenüber den andersgläubigen Schulkindern, welche Weihnachten nicht kennen. Und wenn auch nur die Hälfte dieser Medienberichte wahr wäre, uns befremdet das. Advent heißt doch Ankunft. Gerade weil wir gewiß sind, daß es Gottes Ankunft in dieser Welt ist, macht uns das froh. Stellen wir uns einmal vor, wie die Welt aussähe ohne die Menschen, die  in den vergangenen 2000 Jahren sich aus ihrer Glaubensfreude für die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes eingesetzt haben. Gleichzeitig wollen wir eingestehen, daß es auch den Mißbrauch der christlichen Religion für Machtgelüste gab. Aber daran orientieren wir uns doch nicht. Und nun sollen wir verschweigen, was unsere Kultur an Offenheit und Nächstenliebe dem Advent Gottes verdankt. Unsere fremdländischen Nachbarn sollen das nicht erfahren?

Wir hören das Wort von Paulus und nehmen es an: Freuet euch! Denn der Herr ist nahe.
Wir wollen es im Wissen um die Gefahren eben gerade nicht trotzig tun, sondern an die Freude denken, die der Advent ausstrahlt auch in den Schulhäusern. Ich erinnere mich ans Balgristschulhaus meiner Kindheit, wo wir mit jeder Woche ein Adventslied mehr in der Eingangshalle sangen. Wie die Eltern und Geschwister sich Weihnachten entgegen mitfreuten an den froh machenden Worten und Melodien.

Freuet Euch! – diese Worte stehen jedoch in einem Brief aus einem Gefängnis. Dieses Gefängnis stand in Ephesus in Kleinasien, in der heutigen Türkei. Das war eine lebhafte Hafenstadt am Mittelmeer. Fast drei Jahre lang hatte Paulus für das Evangelium gekämpft, wie er gerade voraus schreibt (Phil. 4,3).  Er hat Erfolg gehabt, aber auch Mißerfolg, und er hat Feindschaft auf sich gezogen. Er wurde geschmäht, verfolgt, er wurde verprügelt und zuletzt ins Gefängnis gesteckt. Und nun wartet er im Gefängnis auf seine Verhandlung. Dabei ist alles möglich: frei gelassen zu werden, oder das Todesurteil zu empfangen. Aus diesen Tagen der Ungewißheit in der Gefangenschaft stammen die Sätze, die Paulus an seine Freunde geschrieben hat: Freuet euch!

Freut euch! Seit Wochen werden wir darauf eingestimmt: durch Lichtergirlanden, Santaclaus und seine Rentiere. Die abendliche Kirchgasse unten der warm beleuchtete Kirchturm. Und die Menschen wünschen einander: »Schöni Wiehnacht! En guete Rutsch! Ein gesegnetes neues Jahr! Schöne Festtage!« – Ja, »freut euch!« ist wohl etwas einfacher zu sagen bei uns. Wir sitzen nicht wie Paulus im Gefängnis und sind auf Gedeih und Verderben irgendwelchen Richtern ausgeliefert.

Wie kann er das, aus dem Gefängnis so denken und schreiben? Wie kann jemand das mit einer schlechten Diagnose des Arztes? Oder mit Streit? Oder mit Angst und Sorge um den Arbeitsplatz? Braucht es dazu eine gewisse Portion Unverfrorenheit? Ist Paulus ein unverbesserlicher Optimist? Oder lebt er, wie bestimmte sektiererische Endzeitpropheten, schon jetzt so sehr im Jenseits, daß ihm das Diesseits nichts mehr anhaben kann? Oder ist es Methode, positiv zu denken? Freue dich, und du wirst sehen, es ist alles halb so schlimm wie du meinst. Unsere Tochter hat seinerzeit einen Kurs besucht »Ohni Angscht a jedi Prüefig«. Der Lehrmeister hat den Kindern eingetrichtert: »Was nützt es, wenn du sagst: Jetzt hab’ ich nur noch zwei Stunden Zeit und sollte 20 Seiten im Biobuch lernen für die Prüfung von morgen. Das schaffe ich doch nicht! ? Gar nichts nützt das, im Gegenteil - du blockierst dich nur. Bewahre Ruhe, geh’ an die Arbeit und mach das, was du kannst.«
Ist es das, was Paulus will: Das Gejammer löscht nur die Motivation aus? Das könnte sogar gefährlich sein. Ich keinen einen jungen Menschen. Wenn ich ihn frage: »Wie geht es?« - antwortet er: »Ich habe es schaurig streng«. Ich möchte ihm sagen: 'Das glaub ich dir. Aber wenn du das jedesmal sagst, denken alle, sie müßten dich schonen. Niemand kommt mehr zu dir. ' Anderseits ist das auch etwas gefährlich. Wie oberflächlich werden dann unsere Begegnungen. Wenn jemand mich nach dem Befinden fragt und ich antworte jedes Mal: »Gut!«. Wie oberflächlich wird das Leben, wenn wir Freude vorspielen und den Ernst der Lage den Andern und uns selber nicht mehr zumuten können.

Bei Paulus liegt es an etwas anderem, daß er Freude kennt und Freude weitergeben will. Im fünften Vers steht ganz einfach der Grund für seine Freude: Der Herr ist nahe!  Da liegt es ganz nahe, das ist es. Keine Durchhalteparolen, um sich Mut zu machen in verzweifelter Situation. Nein, ganz nahe, neben dir, da ist der Herr. Paulus muß nicht spekulieren und denken, wenn einer glaube, dann behüte ihn Gott vor dem Schlimmsten. Sondern er weiß, er ist gewiß, daß Gott ihn sogar im Schlimmsten trägt und festhält. Der Herr ist nahe!

Genau darum hat dieser Abschnitt seinen festen Platz in der Adventstradition der Kirche: Der Herr ist nahe! Der Advent lenkt unsere Blicke zur Geburt des Kindes in Bethlehem, dieses Kindes, in welchem die auf Gott vertrauen, Gott selber entdecken. Gott, der seine Macht beiseite schiebt und sich der Welt ausliefert. Gott, der keinen Umweg um die Sorgen und um das Leid macht. Sein Weg von der Geburt bis zum Kreuz ist ein einziges großes Zeugnis dafür. Da ist einer, der nicht verdrängt, einer der annimmt, was zum Leben, zum Menschsein gehört. Und dadurch wird er zur Quelle des Lebens für Paulus. Und für uns. Wir mögen einwenden: »Alles andere ist näher!« Tausend Gründe sprechen dafür, daß wir uns Sorgen machen. Paulus weiß: Vieles ist bedrängend nahe, das ist wahr, aber der Herr ist noch näher. Und weil das so ist, kann man nicht gut anders als vier einfache Konsequenzen ziehen.

Die erste ist: Freut euch im Herrn allezeit! Oder, wie es in der Luther-Übersetzung meiner Meinung nach besser ausgedrückt heißt: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! ...  der Herr ist nahe! Keinen Meter auf deinem Lebensweg sollst ohne diese Gewißheit gehen müssen und keinen Schritt!

Sorgt euch um nichts! ist das zweite, was er sagt. Ja, die Sorgen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir machen sie selber. Und es geht mit den Sorgen so wie mit den Kindern, die uns mit der Zeit über den Kopf wachsen bis sie sich von uns nichts mehr sagen lassen, von denen, die sie auf die Welt gestellt haben. So sind die Sorgen auch: Wir züchten sie, lassen sie groß werden, und sie lassen sich nicht mehr in die Schranken weisen. Paulus sagt: Sorget euch um nichts, sondern in allem lasset im Gebet und Flehen mit Danksagung eure Bitten vor Gott kundwerden.

Das dritte, was er sagt: Laßt die Menschen eure Freundlichkeit spüren! Da ist es einmal interessant, verschiedene Bibelübersetzungen anzuschauen: Zwingli hat schon in der Zürcher Übersetzung von 1531 mit Freundlichkeit übersetzt. Bei Luther stand damals Lindigkeit, heute steht Güte. Und in anderen Bibelübersetzungen steht Milde. Selten trifft man bei einer Bibelstelle so vielfältigen Varianten in den Übersetzungen. Doch sie zeigen genau, worum es geht: Freundlichkeit, Milde, Lindigkeit, Güte. Das ist es, was Paulus durch Christus widerfahren ist. Darum: Laßt den Herrn durch euch wirken!

Und das letzte, das vierte, ist wohl für uns heute besonders wichtig. Viele fühlen sich auf der Schwelle zu einer neuen Zeit. Da rät Paulus, unsere Vernunft unter den Schutz des Friedens Gottes zu stellen. Es ist wahr, daß unsere Zeit den Fortschritt in einem schwindelerregend sich beschleunigenden Tempo weitergebracht hat. Eine Konfirmandin meinte kürzlich, das mit dem Fortschritt sei eine zweischneidige Sache. Jede Entwicklung und Erfindung hätte eben neben den guten auch schlechte Seiten. Ob wir es wirklich besser hätten als die früheren Generationen. Paulus sagt uns: es ist höchste Zeit, daß wir unsern Verstand dem Schutz des Friedens Gottes anbefehlen. Das ist zeitgemäß. Alles andere steht »neben den Schuhen«.

So möchte ich schließen, mit diesem Gedanken: Paulus weiß, welche Zeit es jetzt ist: Zeit der Freude. Die Zeiten kommen und gehen. Auch Weihnachten 2006 wird vergehen. Aber wie schon Kurt Marti pointiert gesagt hat: »Die Herren dieser Welt kommen und gehen. Unser Herr kommt!«   Amen

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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