Konfirmation am 24. Juni in Niederweningen - Predigt Pfr. Mathias Rissi Genesis 32,23-32

Herr, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.  Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht alles wüßtest. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir… - Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,  so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein – so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.                                            Aus Psalm 139

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Großeltern, Geschwister, liebe Festgemeinde

Da habe ich kürzlich etwas Lustiges erlebt. Ich war nach Wil zu meinem Bruder zu Besuch gefahren. Er war gerade in seiner Praxis. Den Weg dorthin kenne ich sehr gut, hatte aber dennoch am Handy das Navi eingeschaltet, um vor Staus gewarnt zu werden. Als ich nach unserem Gespräch das Haus verließ, meldete sich Google an meinem Handy und fragte: »Wollen Sie Doktor Rissi bewerten?« Da mußte ich etwas Lächeln, denn mein Bruder ist Psychiater, aber ich war ja nicht als Patient dort. Nur weiß das Google nicht. Bin ich dort jetzt gespeichert als Mensch mit einer psychischen Krankheit? Wird Google mir geistige Gesundheitsvorschläge unterbreiten oder Informationen ans Gesundheitswesen weitergeben?...

Unsere Jugendlichen nachgedacht übers Internet der Dinge und künstlichen Intelligenz. Das ist ein großes Thema in der Gegenwart und wird es noch viel mehr werden in der Zukunft. Die technischen Möglichkeiten sind eine große Chance und bieten tolle Perspektiven an:
Kürzere Wege, gute Vernetzung von Menschen und Gedanken und Geräten. Wenn Jesus in der Bibel sagt: Bittet, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan. So ist das passé. Neu heißt es: Ihr werdet finden, müßt nicht erst suchen. Euch wird gegeben, ihr müßt gar nicht lange fragen. Das ist gewiß sehr komfortabel.

Wir genießen es, verwöhnt zu werden. In ihren Gedanken haben die Konfirmanden eine positive Einstellung zu dieser Entwicklung gezeigt. Das finde ich gut, denn dieser Fortschritt läßt sich nicht aufhalten. Da ist es das Beste, wenn ihr euch, wenn wir alle, uns organisieren und so gut wir es können, mitgestalten.

Gewiß macht uns das eine oder andere auch nachdenklich. So fragte jemand, ob denn die künstliche Intelligenz auch echte Menschlichkeit abbilden könne. - Mit Gruseln denke ich daran, daß die Welt in der vergangenen Woche haarscharf an einer größeren militärischen Auseinandersetzung vorbeigegangen ist. Der amerikanische Präsident hatte bereits einen Gegenschlag für den Abschuß seiner Spionagedrohne angeordnet und im letzten Moment den Angriff abgeblasen, weil ihm 150 mögliche iranische Todesopfer nicht verhältnismäßig erschienen. Da hat die menschliche Emotion gewirkt.

Ja, es ist nicht nur angenehm sich vorzustellen, daß alles automatisch und unter Kontrolle ist. Die Kinder merken das schon: Seit dem Handyzeitalter sind sie eigentlich immer von den Eltern auffindbar. Im Internet werden Verhaltensmuster und Gewohnheiten gespeichert, aber auch Fehler. Da wird es schon unheimlich. Da ist auch Vorsicht geboten, was wir preisgeben, und es wird klug sein, manchmal auf Angebote zu verzichten! Wir kennen nicht die Interessen derer, die im Internet ihre Macht aufgebaut haben. Da spielen gewiß kommerzielle Interessen eine große Rolle. Auch daß Gesinnungen und Meinungen beeinflußt werden können. Das wollen wir nicht, aber können wir dem entrinnen?

Der Psalmdichter König David kennt noch kein Internet, aber er kennt Gott: Herr, du erforschest mich und kennest mich. Von allen Seiten umgibst du mich … wohin soll ich fliehen – Gott ist ihm unheimlich, er will weg von Gott. So viel Überwachung und Nähe hält er nicht aus. Vielleicht möchte ja nicht immer brav sein und auch einmal ausbrechen. Vielleicht geniert er sich für seine Fehler, die ihm bewußt sind. Jedenfalls will er fliehen. Wohin? Staunend stellt er fest: Es gibt keinen Ort, wo du, Gott, nicht schon wärst. Nicht einmal die traurigste Finsternis oder der Tod können mich von dir trennen.

Ja auch an einem Festtag wie heute mit der Konfirmation wollen wir nicht schönfärben, denn es gibt das dunkle, die Defizite in unserem Leben.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden. Ihr seid im Begriff, das Elternhaus zu verlassen. Es geht ums Selbständigwerden, aber auch darum, daß ihr euch selber der Realität stellt. Daß ihr dies in jeder Beziehung tut, auch in Beziehung mit Gott, das wünsche ich euch. Daß ihr Menschen seid, denen Gott immer nah ist. Manchmal meinen wir Menschen, wir könnten uns dem entziehen. Aber wo du auch hin kommst: Gott holt Dich ein, wo und wenn Gott will.

Woher weiß der Psalmdichter König David, daß Gott uns nicht ein schlechtes Gewissen machen oder Angst einjagen will? Wie kann er das wissen? Wir haben es einfacher: Wir kennen das Neue Testament. In eurem Elternhaus und im kirchlichen Unterricht, auf dem Hausboot und im Konf haben wir diese Geschichten vorwärts und rückwärts durchbuchstabiert. Sie verkünden eines glasklar den Gott, der weiß was wir brauchen. Diesen Gott, der an uns glaubt. Vor dem wir nicht weglaufen müssen, denn er kommt mit uns in unseren Erfolgen und sogar im schweren oder wenn wir versagen. Auch da läßt er uns nicht im Stich. Schon damals hat Gott die Lichtscheuen nicht gemieden und die Schuldigen nicht in den Schmutz gestoßen, sondern ihnen die Hand entgegen gestreckt und sie aufgerichtet. Damit die Menschen ihr Mißtrauen ablegen, ist er in Jesus Christus als unser Bruder zu uns gekommen. Einer von uns – uns wir seine Schwestern und Brüder. Das finde ich einzig im christlichen Glauben, daß Gott uns eine großartige Freiheit gewährt und doch immer und überall da ist, auch da, wo die Götter in anderen Religionen längst kneifen, weil sie nur für die Sonnenseiten des Lebens zuständig sind.

Ihr kennt vielleicht die Hymne des Fußballclubs von Liverpool: »You'll never walk alone«. Es ist toll, wenn die Fans ihrer Mannschaft das zusingen »You'll never walk alone«, denn es gibt nicht nur gewonnene Spiele, sondern auch Niederlagen. Genau das sagt uns der Psalmdichter: Daß Gott ein Fan von uns ist. Und er kommt nicht aus dem Staunen heraus. Staunend erkennt er Gottes Gegenwart und Nähe.
Es tut in unserer bekenntnisarmen Zeit gut, dieses Bekenntnis zu hören, und die Freiheit, welche Gott uns durch seine Nähe gibt, zu spüren. Daß wir nicht mehr Menschen auf der Flucht vor großen Aufgaben, vor schwierigen Begegnungen, auf der Flucht vor uns selber und vor Gott sein müssen.

Ich hoffe, Sie haben diese Erfahrung und dieses Erlebnis auch schon gemacht und werden es immer wieder haben. In einem ganz glücklichen Moment genauso, wie in einer schlaflosen Nacht, vielleicht auf der Kirchenbank, oder draußen in der Natur, wo sie Gott begegnet sind. Ich hoffe es auch für euch liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, daß dies nachempfinden könnt: Gott hat mich auf der Flucht eingeholt und geborgen und es macht mich ruhig und stark daß er mich von allen Seiten umgibt und mir sagt:  You'll never walk alone!

Amen


 

Pfr. Mathias Rissi

 

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