Ein Kommentar zur immer wieder aktuellen Diskussion um Meinungs- und Pressefreiheit und Mohammedkarikaturen und "da Vinci Code"
Mohammed ist nicht der erste, der in Karikaturen verhöhnt wird. Wir haben uns längst daran gewöhnt, daß man unsern Jesus durch den Kakao zieht. Schon im ersten Jahrhundert hat sich einer lustig gemacht über seinen Soldatenkameraden, der offensichtlich schon ein Christ war. Die Ritzzeichnung aus dem Palatin, Rom, zeigt einen gekreuzigten Esel. Kommentar: «Alexamenos betet seinen Gott an.» Es tut uns weh, aber wir bleiben tolerant.
In diesen Maitagen
(das war 2006) kommt der
"da Vinci Code" in die Kinos - eine Story süffig gemixt aus Tatsachen,
Halbwahrheiten und Fiktion.* Der Vatikan protestierte, was natürlich die Werbung
beflügelt. Der Film wird gezeigt werden, ob er christliche Empfindungen verletzt
oder nicht. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe ein solches effekthascherisches
Stück über den Propheten Mohammed mit irgendwelchen Weibergeschichten - die
muslimische Welt würde Amok laufen. Da wäre der Streit um die
Mohammedkarikaturen wäre nur ein fades Vorspiel gewesen...
Der Kampf der Kulturen ist in aller Munde.
Wenn verletzte Muslime und Europäer miteinander diskutieren, klingt es, als
kämen sie von verschiedenen Planeten. Für uns sind Freiheit, Gleichheit,
Geschwisterlichkeit so selbstverständlich und verpflichtend. Wir vergessen
rasch: unsere Aufklärung hat diese Vision
im Neuen Testament gefunden: Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder
Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in
Christus Jesus (Paulus in Galater 3,28).
Leider haben die Kirchen früher diese Werte gegen besseres Wissen oft selber
bekämpft. In leidvoller (Kirchen-)Geschichte wurden unsere Werte errungen. Bei
aller Bewunderung für die Verdienste anderer Kulturen, ich schätze mich
glücklich, hier zu leben und bewusst unseren Glauben zu pflegen. Mir ist klar
geworden, welchen Riesenunterschied es macht, ob ich den heiligen Zorn einer
Gottheit fürchten muss oder vertrauensvoll mit Jesu Liebe rechnen und frei sein
kann.
Mathias Rissi, Pfr., Evang.-ref. Kirchgemeinde Niederweningen
* Daß Jesus mit Maria Magdalena verheiratet gewesen sein soll, gilt als sehr unwahrscheinlich. Dan Browns wichtigste Quelle, das "Philippusevangelium" im 20. Jahrhundert in Nag Hamadi (Ägypten) gefunden, wurde erst ein- bis zweihundert Jahre nach den neutestamentlichen Evangelien geschrieben. Es zeichnet sich aus durch eine grundsätzliche Weltverachtung, dazu gehört auch die Verachtung der Sexualität. Auch ist nicht einmal ansatzweise eine körperliche Beziehung zwischen Jesus und Maria beschrieben. Deshalb muß zumindest die Frage erlaubt sein, wie Brown seine These ausgerechnet mit dem nicht kanonischen Philippusevangelium belegen will.
Gewiß, ob Jesus verheiratet war oder nicht - beides läßt sich nicht beweisen. Aber die Evangelien schreiben von Geschwistern Jesu - weshalb hätten sie eine Ehe verschweigen sollen?
Eines ist klar: Jesu Zivilstand interessierte die Menschen damals überhaupt nicht, im Unterschied zu seiner Lehre, seiner Heiltätigkeit und natürlich vor allem andern wegen seiner Kreuzigung und Auferstehung, durch welche ihn die Christenheit als Erlöser und erkennt, der ganz zu den Menschen steht, selbst in ihrer Fragwürdigkeit und Vergänglichkeit.