Ufwind-Predigt vom 12. Januar 2008, Pfr. Christian Scharpf

 

Gott ist die Liebe. So heisst es in den Briefen des Johannes.

Was heisst das? Ich möchte heute von schenkender Liebe sprechen, von bedürftiger Liebe, von Formen von Verliebtheit, wie man Verliebtheit vergöttern kann und davon, was es konkret für uns heisst, dass Gott die Liebe ist.

 

Man kann die Liebe also einteilen und sagen:

Gott ist die Überfülle, er ist die schenkende Liebe, die grosszügige nicht bedürftige Liebe.

Wir Menschen haben eine bedürftige Liebe zu Gott, wie ein Kind, das zu seiner Mutter flüchtet.

 

Vielleicht protestieren sie und denken:

Menschen können sich manchmal zu wahrhaft schenkender Liebe erheben. Heilige können das. – Ja, das stimmt. Teilen wir aber nicht oft ein, dass die schenkende Liebe besser ist und die bedürftige Liebe defizitär?

Das ist aber zu kurz gedacht. –

 

Nur die schenkende Liebe für gut zu halten und die bedürftige Liebe zu verachten, kann geistig ungesund sein. Wenn jemand anderen viel geben kann, ist er in Gefahr, irgendwann zu sagen, er habe andere nicht nötig. Oder der Mensch steht Gott gegenüber und findet, er sei kein Bettler. Ich kann deiner Liebe zu mir auf Augenhöhe begegnen. Das wäre nicht wahr.

Gott ist glückselig, allmächtig, souverän, schöpferisch; in einem gewissen Sinne bilden deshalb Glück, Kraft, Freiheit und Fruchtbarkeit (des Geistes oder des Körpers), wo immer sie in einem Menschenleben vorkommen, eine Ähnlichkeit und damit eine Nähe zu Gott. Aber niemand glaubt, dass der Besitz dieser Gaben automatisch einen Einfluss auf unsere Heiligung hätte. Keinerlei Reichtum ist ein Freipass zum Himmelreich.

 

Handkehrum ist es geistig sehr gesund, sich nach Gott zu sehnen, und unser Leben als einen Weg zu ihm zu sehen. Wir sollen versuchen, ihm ähnlicher zu werden. Wir sollen versuchen Jesus nachzuahmen. Mitten im Leben. Unser Vorbild ist Jesus, nicht nur auf Golgatha, sondern auch in der Werkstatt, im Büro, im Zug, auf der Strasse, in grossen Menschenmengen, bei lauthalsen Forderungen, in harter Opposition, im Mangel an Ruhe und Privatsphäre, in dauernden Unterbrechungen.

 

Die schenkende Liebe gleicht einer Nähe zu Gott in Ähnlichkeit und die bedürftige Liebe gleicht einer Nähe zu Gott im Suchen.

Ich will das an einem Bild verdeutlichen. – Auf einer Wanderung kann es sein, dass wir hoch oben an einer Wand stehen und unten im Tal liegt unser Ziel. Das Haus, wo das Bad, das Abendessen und das Cheminée warten. Der Weg führt uns aber einen Grat entlang in einem weiten Bogen langsam hinunter.

Das heisst, alle Gaben auf der Höhe unseres Seins sind gut und nahe bei Gott. Wer aber stehenbleibt und sagt: Jetzt bin ich gut. Bleibt eben stehen. Nichts nimmt uns den Weg ab.

Der Weg, das bedeutet: Beten, die Bibel lesen, mit anderen sich besprechen, eine Beziehung pflegen, Freundschaften pflegen, arbeiten, verändern, neu aufbauen, korrigieren, - kurz, leben, nicht einen bestimmten Zustand einfrieren.

Auf das Ziel unseres Lebens hin, zu Gott, um ganz und gar erfüllt zu werden mit ihm. Denn auch wenn wir an der Goldküste leben: Wer will behaupten, er sei schon durch und durch mit göttlichem Leben erfüllt?

 

Die schenkende Liebe gleicht einer Nähe zu Gott in Ähnlichkeit und die bedürftige Liebe gleicht einer Nähe zu Gott im Suchen. – Manchmal sind wir ihm schon sehr nahe, aber wir wandern weiter zu ihm hin.

 

Wieso jetzt der Satz von der Liebe als Dämon?

Den Satz: Gott ist die Liebe kann man umdrehen. Die Liebe ist Gott. Das halte ich für falsch.

Denis de Rougemont, ein Genfer Schriftsteller hat sinngemäss gesagt: Die Liebe wird ein Dämon, wenn sie ein Gott wird.
Wieso das denn? – Wenn man einen Verliebten fragt, was er will, wird er sagen: Ich will immer an sie denken.  – Verliebtheit ist völlig eingenommen vom anderen, man will sich gegenseitig wertvoll machen, will sich schön machen, will einander die unbedingte Wertschätzung ausdrücken. Ja. Und dieses unbedingt einander wertschätzen und gefallen wollen.... – da kann die Verliebtheit dann kippen.

Und wenn es kippt, macht das Paar die Verliebtheit zu einem Gott. Zu Gott Amor oder Eros.

Eros, die Verliebtheit will dann zur Religion werden.

Die Verliebtheit schafft sich schnell eine gemeinsame Geschichte. Vergleichbar mit dem Alten Testament. – Und die verliebten stehen gemeinsam unter einem neuen Gesetz der Liebe, vergleichbar mit dem neuen Testament.

Aber wieviel Schaden ist schon angerichtet worden, weil man Dinge nur aus Liebe getan hat?

Da wird betrogen, gestohlen, gelogen, gekniffen, und allgemein unglücklich geschmachtet...

Wieviele bestehende Beziehungen sind zerbrochen, weil sich zwei gesagt haben: Aber wir sind doch soooo verliebt? – Wieviele Paare haben gesagt, lieber unglücklich, dafür mit dir zusammen unglücklich.

Ist es nicht auffällig, dass sich die Verliebtheit oft unmögliche Konstellationen aussucht? Oft schwierige Konstellationen?

 

Man hört manchmal, die Liebe führe eben Menschen zusammen, deren Seelen sich früher schon gekannt hätten. – Mag sein, dann herrscht an jenem Ort aber keine besonders gute Ordnung...

Oder die Biologen sagen, die Liebe sei auch ein Produkt der Evolution und führe die Partner zusammen. Seltsamerweise führt Amor oft Leute zusammen, die im Sinne der Zucht nicht unbedingt am besten passen. Die Evolution scheint auch nicht so gut zu planen...

 

Und was am bittersten ist. Gerade die Verliebtheit ist ja soooo vergänglich.

Die Welt ist voll der Klagen, dass die süssen Gefühle so schnell aufhören.

Gott sei Dank, wir würden vor Müdigkeit und Hunger zitternd alle irgendwann zusammen brechen.

 

Ja, Amor darf nicht der einzige Gott sein, sonst wird er zum verzehrenden, schädigenden Dämon. – Amor braucht Gott. Wenn wir mit Gottes Hilfe die Werke der Verliebtheit tun, kommt auch das Gefühl der Verliebtheit wieder. Ich denke da besonders an bestimmte Briefchen oder Blumen oder Berührungen, die man sich abgewöhnt, aber mit Vorteil nach ein paar Jahren wieder hervor nimmt.

 

Ich fasse das bisherige zusammen:

Die schenkende Liebe gleicht einer Nähe zu Gott in Ähnlichkeit und die bedürftige Liebe gleicht einer Nähe zu Gott im Suchen. – Manchmal sind wir ihm schon sehr nahe, aber wir wandern weiter zu ihm hin.

Die Liebe ist Gott? Nein, das enttäuscht. – Gott ist die Liebe.

 

Nachdem ich ein paar Vorstellungen von Liebe ein wenig systematisiert habe, komme ich zum Kern. Was heisst: Gott ist die Liebe? – Ich verstehe das so, dass Gott in sich eine Beziehung pflegt. Wir versuchen das mit den Worten zu umschreiben; der Vater liebt den Sohn, der Sohn den Vater und das zwischen ihnen, ihre Essenz, was sie ausmacht, ist der heilige Geist. – Gott ist in sich liebevolle Beziehung. Gott ist die Liebe.

Und diese Liebe will weitere Beziehung. Will lieben. Und Geliebt werden.

Dazu hat der französische Dichter Paul Valéry einen traurigen Satz geschrieben:

„Tief geliebt zu werden ist das meiste auf der Welt. Es war Gottes unerreichbares Ziel.“

Er hat zum Teil Recht. Gott wird nicht von allen Menschen geliebt. Denn Liebe kann man nicht erzwingen. – Liebe kann man nicht erzwingen. Manipulieren vielleicht, aber nicht erzwingen. Es verlieben sich Geiseln in ihre Geiselnehmer, aber das ist keine echte Liebe. Liebe kann man nicht erzwingen. – In den Folterkellern dieser Welt haben Menschen andere Menschen dazu gebracht, sich mit ihren Exkrementen zu übergiessen und sie zu fressen...

Aber kein Folterknecht kann sein Opfer dazu bringen, ihn zu lieben.

Der preussische König Friedrich Wilhelm I. , der Soldatenkönig hat mit härtester Arbeit Preussen aufgebaut. Aber geliebt wurde er nicht. – Er ist einmal einem Mann nachgerannt, hat ihn mit dem Stock geprügelt und gebrüllt: Lieben sollt ihr mich, ihr Kanaillen.

Liebe kann man nicht erzwingen.

Das ist das Geheimnis unserer Freiheit, die Gott uns lässt. Er zwingt uns nicht, ihn zu lieben und damit nach seinem Willen zu leben. Er wartet. Und er bittet und er fleht. Bei Jeremia und Jesaja fleht er sein Volk an wie eine Braut. Du, Du hast mich verlassen, hast dich mit anderen eingelassen, rennst jedem Trottel nach, nur mir nicht. – Wissen sie, wie sich das anfühlt? Mir hat einmal ein Bekannter von einer Frau erzählt, die er sehr gern gehabt hat. Und weinend hat er gesagt: Sie macht sich willentlich kaputt. Sie schluckt dieses und jenes Zeug, weil sie es toll findet und es ihr egal ist, ob sie drauf geht. So sind wir manchmal auch.

Und was hat Gott getan? Er hat sich für usn geopfert. Aus Liebe hat er alles weggeräumt, was uns von ihm trennen kann. – Finden sie das Kreuz seltsam oder langweilig?

 

Dann brauchen wir andere Bilder. Vielleicht kennen sie den Film Pearl Harbor. Er spielt im 2. Weltkrieg

Ein Pilot und eine Krankenschwester. Sie verlieben sich. Und dann meldet er sich freiwillig nach England. Um den hoffnungslos unterlegenen englischen Piloten gegen die deutschen Angriffe beizustehen. Und ich glaube, er tut es für sie. Für die freie Welt.

Und bei den japanischen Angriffen auf Pearl Harbor startet er mit seinem besten Freund, um der Übermacht entgegen zu treten. Während sie im Krankenhaus einem Offizier das Leben rettet, weil sie mutig seine angerissene Aorta abklemmt, bis sie genäht ist.

 

Natürlich sind die Filme pathetisch. – Trotzdem. Sehnen wir uns nicht nach jemandem, der sich einmal so für uns einsetzt? – Okay, okay. Wir müssen nicht gleich Drachen erschlagen, für den durchschnittlichen Mann ist ein Tanzkurs schon eine Heldentat. – Und für die durchschnittliche Frau vielleicht ein Hockeymatch.

Um zurückzukommen, Gott hat sich ganz gegeben, er sehnt sich nach uns, aber er zwingt uns nicht. – Das heisst: Gott ist Liebe.

Was können wir tun? – Ein konkretes Beispiel. Krisen führen uns gerne ins stille Kämmerlein. Wir können uns hinsetzen und sagen: Lieber Gott, hier bin ich. Ich bin ganz müde. Ganz leer, mag nichts machen, ich bin jetzt einfach hier. Bitte berühre mich. Durchström mich.

Und dann schweigen wir ein paar Minuten. Vielleicht kommt dann Schmerz hoch, vielleicht bitten wir für etwas um Vergebung, vielleicht danken wir. Und dann schweigen wir wieder.

Und dann löst sich der Druck auf dem Magen, die Angst im Solarplexus schwindet.

Man schläft danach sehr gut. Oder man ist sich bombensicher. Ja, es gibt ihn, er hat mich unglaublich lieb.

 

Ich fasse zusammen:

 

Die schenkende Liebe gleicht einer Nähe zu Gott in Ähnlichkeit und die bedürftige Liebe gleicht einer Nähe zu Gott im Suchen. – Manchmal sind wir ihm schon sehr nahe, aber wir wandern weiter zu ihm hin.

Die Liebe ist Gott? Nein, das enttäuscht. – Gott ist die Liebe.

Gott ist in sich Beziehung und will eine Beziehung zu uns. – Wir können uns in der Stille von ihm berühren lassen.

Wir hatten das Zitat von Paul Valéry: „Tief geliebt zu werden ist das meiste. Es war Gottes unerreichbares Ziel.“

Dem möchte ich ein Zitat von Corrie ten Boom entgegen stellen.

„Gott ist ein heiliger Gott und Gott ist die Liebe. Ein Ozean von Liebe und Erlösung steht durch Jesus zur Verfügung. „

Amen

 

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