Ufwindpredigt, 17. November 2007, Pfr. Mathias Rissi, Meilen
1. Könige 19,1-18

(Niederschrift in der Fassung für den Segnungsgottesdienst in Meilen am 25.11.2008)

 

Kurz zusammengefaßt: Der Prophet Elija[1] hat nach dem Sieg über die Baalspriester vom Racheschwur der Königin Isebel erfahren. Völlig entmutigt flüchtet er in die Wüste und wünscht zu sterben. Am Gottesberg Choreb begegnet ihm Gott

 

Liebe Gemeinde

So rasch kann das gehen: Eben noch dieser Triumph: Er, Elija, allein gegen 450 Propheten des Gottes Baal, die erst noch von der Königin Isebel protegiert waren. Und er hat obsiegt! Aber jetzt hat sie Rache geschworen – und der Siegesrausch ist mit einem Schlag vorüber. Elija flieht. Er mag nicht mehr. Er will sterben. Er legt sich unter einen Ginsterbusch und möchte am liebsten nie mehr erwachen – ein wenig naiv, dieser Elija, so einfach geht das nicht – aber eines ist klar: es ist genug!

Viele Menschen kennen solche Momente, da alle Hoffnung zerronnen, alle Kraft entschwunden ist. Die Erinnerung an vergangene Erfolge vermag da nichts auszurichten. Man kann nur noch heulen. Wir sprechen in solchen Situationen von Frustration oder von Burn-out. Darum mag diese Elija-Geschichte für nicht wenige zum November mit seinen trüben Tagen passen, wenn sich oft eine schwere Wolken- oder Nebeldecke über die Landschaft legt und gerade so auch eine Sorgendecke über kraftlose Menschen. Alles wird etwas schwerer als sonst. Vielleicht gehörten Sie ja auch schon zu denen, die an einem Morgen nicht aufstehen mochten.

Schauen wir in die Geschichte. Gott hat die Not Elijas gesehen. Er schickt einen Boten. Der weckt Elija auf: »Steh auf und iß!«  Und siehe, Elija findet köstliches geröstetes Brot und frisches Wasser und stärkt sich daran. Ja, vor allem Aufpäppeln der Seele brauchen wir Menschen manchmal eine leibliche Nahrung. Die eigene Erfahrung weiß davon zu berichten, wieviel besser eine schwierige Nachricht zu ertragen ist, wenn der Magen nicht knurrt. Das »geröstete Brot und das frische Wasser« stärken und erinnern uns daran, daß Gottes Fürsorge nicht einseitig vergeistigt ist. Der Psalmbeter weiß es auch: Du deckst mir den Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, übervoll ist mein Becher.[2]
Diese Wahrheit erfährt auch der ermattete Prophet Elija in der Wüste. Und wir – wir feiern heute das Abendmahl, zwar nicht mit geröstetem Brot und frischen Wasser, aber mit Brot und Wein, den Gaben die Jesus Christus uns zur Stärkung darreicht. Sie sind die materiellen Zeichen der ganzheitlichen Sorge Gottes für uns Menschen.

Nach der ersten Stärkung schläft Elija nochmals ein. Ein zweites Mal weckt ihn der Bote. Abermals gestärkt bricht Elija zum Gottesberg auf. Ich sehe ihn vor mir, wie er trotzig durch die Wüste stampft: Sterben, nein, das will er nun nicht mehr, aber er ist festentschlossen, seinen Auftrag an Gott zurückzugeben. Er bringt die bittere Erfahrung zum Choreb mit: Es nützt nichts! Die Menschen sind verstockt, sie wollen nicht hören! Wie gut kann ich Elija verstehen. Heutige Menschen beten zwar die Baalsgottheiten nicht so offensichtlich an. Aber ist es gar so anders, als bei Elija? Ist der Glaube bei uns ein Erfolgsartikel? Die Menschen hören auf anderes.  Die skurrilsten religiösen Praktiken werden kritiklos übernommen. Ach, da wünschte ich mir, daß diese Menschen wenigstens soviel kritischen Geist aufbringen, wie sie dem christlichen Glauben entgegenschleudern. Auch auf die zwischenmenschliche Ebene bezogen drängen sich Erfahrungen aus dem Alltag vor: An der Arbeitsstelle, wo du spürst: ich komme nicht durch. Oder daß du darunter leidest: Mein Anliegen wird nicht einmal gehört!

Als Elija den Choreb erreicht, tut er etwas sehr menschliches: er geht schlafen – kein Wunder nach diesem Gewaltmarsch. Aber wo er schlafen geht, das spricht Bände: er verkriecht sich in einer Höhle. Wir heutige Menschen tun das auch, einfach in etwas anderer Form. Vor den heutigen Höhlen hängt das Schild »Bitte nicht stören« oder ein Zettel »abwesend«. Laßt mich allein, die ganze Welt kann mir gestohlen bleiben.
Für einen kurzen Moment ruft dieses Bibelwort uns in Erinnerung, daß wir Menschen uns gern verkriechen – um die nicht dem Leben zu stellen. Es fragt uns: Gibt es diese Höhle nicht auch bei Dir? Wo fliehst du hin, um nicht mehr dazusein? Oder deckst Du Dich mit etwas anderem ein oder zu?

Aber wir moderne Elijas sollen uns der Gegenwart stellen. Gott aber fragt Elija: Was tust du hier? Natürlich, Elija will ja kündigen. Darum holt er aus und klagt sein ganzes Leid. Zum Schluß sagt er: Ich allein bin übrig geblieben, sie aber haben danach getrachtet, mir das Leben zu nehmen.
Doch Elija soll vor die Höhle treten und Gott begegnen. Geheimnisvoll sagt der Erzähler: Und sieh - da ging der Herr
[3] vorüber. Und vor dem Herrn her kam ein großer und gewaltiger Sturmwind, der Berge zerriß und Felsen zerbrach, in dem Sturmwind aber war der Herr nicht. Und nach dem Sturmwind kam ein Erdbeben, in dem Erdbeben aber war der Herr nicht. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, in dem Feuer aber war der Herr nicht.

Sturm – Erdbeben – Feuer – lauter Attribute der Macht und Gewalt. Elija muß wohl staunen: Gott ist da nicht drin. Da wo ich ihn am liebsten sähe: überwältigend wie ein Sturmwind, oder wie ein Erbeben die Selbstsicherheit der Menschen erschütternd und läuternd wie das Feuer.  Nein, der Herr ist nicht darin. In Überwältigung, Spektakel und Massenveranstaltungen suchen wir ihn vergebens. Wo begegne ich Gott?
Nach dem Feuer aber kam das Flüstern eines sanften Windhauchs.
Ja, das ist es. Gott sei Dank! Wer von uns könnte diesem Gewaltigen standhalten. Die Macht und der Sturmwind würden uns den Atem rauben. – Die Stille Gottes jedoch gewährt Menschen zu bestehen, sie ermutigt uns, aus uns heraus zu treten, uns zu zeigen, wie wir sind, und Gott zu begegnen.
Da bricht noch einmal die Klage aus Elia heraus. Aber dann schmilzt sein Zorn dahin – und er wird bereit für Gottes neuen Auftrag: Geh, kehre zurück auf deinen Weg in die Wüste, nach Damaskus, und geh und salbe Chasael zum König über Aram.…

Es ist das Flüstern eines sanften Windhauchs, das Elia neu vor Gott treten läßt, das ihm wieder Boden unter den Füssen gibt, ihn aufbrechen läßt aus Frustration, Enttäuschung und Angst, - zu neuen Horizonten, zu einem neuen Auftrag, zu einem neuen Sinn in seinem Leben.

Wir wissen aus dem Neuen Testament, daß sich Gott letztgültig in Jesus Christus gezeigt hat. Nicht in Kraft und mit Gewalt, sondern zerbrechlich. Jesus Christus endete in Schwachheit, im Scheitern, im Tod am Kreuz.[4] Denn Gott ist in der Schwachheit und in der Verletzlichkeit gegenwärtig. Aber das war und das ist nicht das Ende: Da war es dann noch einmal ganz still. Nicht mit Pauken und Trompeten ist Jesus Christus auferstanden, sondern es war still, so still, daß die römischen Wachen, die Jüngerinnen und Jünger erst hinterher innewurden, was da in der Stille unglaubliches geschehen war.
Und wenn im Kirchenjahr heute am Totensonntag an diesen toten Punkt erinnert wird, an unsere Vergänglichkeit – dann bekennen wir Christen fröhlich: Gottes Antwort ist die Adventszeit. Die »lauten« Adventslichter lenken wohl ein wenig davon ab: Still und leise bahnt sich Gottes Kommen an. Wenn der Totensonntag unser Ginsterbusch oder unsere Höhle wäre, dann stehen wir heute auf und treten heraus und schauen als Christen nicht fixiert auf die Vergänglichkeit, sondern vorwärts auf Gottes Kommen und die Erneuerung, die von ihm ausgeht. So hat er es in der Menschwerdung und in der Auferstehung verheißen. Das ist wohl auch der Grund, weshalb im Kirchenjahr der Totensonntag auch den andern Namen kennt: Ewigkeitssonntag!

Doch gehen wir zu Elia zurück. Gott klärt ihn auf: und Elischa, den Sohn des Schafat, aus Abel-Mechola, sollst du zum Propheten salben an deiner Statt. Siebentausend aber werde ich in Israel übrig lassen.
Gott erinnert ihn daran: Es sind noch siebentausend, die zu mir gehören. Du bist nicht allein. Und zum ersten Mal kann Elia das glauben: Es gibt einen, der deine Aufgabe weiterführt und schau auf all die Menschen, die mit Dir unterwegs sind. Schau Dich um: du bist nicht allein. Schauen wir uns um, wir sind beileibe nicht ganz Meilen heute im Gottesdienst, nicht siebentausend, aber auch nicht allein: in der Gemeinde sind wir alle Menschen, die von Gottes Zuwendung im Gottesdienst leben. Unsere Gottesdienste verkörpern im Vergleich zu den spektakulären Angeboten unserer Zeit viel eher etwas vom Flüstern eines sanften Windhauchs. Ist doch gut!

Gott tritt immer wieder dort auf leisen Zehen in unser Leben, wo wir Sturm, Erdbeben und Feuer an uns vorbeiziehen lassen, wo wir mitten in den Schwierigkeiten des Lebens dem Flüstern des sanften Weinhauchs Raum geben, aus unserer Höhle heraus vor Gott hintreten und ihn unser Leben gestalten lassen.

Auch wir dürfen darum fröhlich und getrost hinaustreten aus der »Höhle« und weitergehen auf unserem Weg. Denn auch uns gilt die Verheißung: »Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende«[5].  Amen


 

[1] Alle Schriftzitate sind der Neuen Zürcher Bibel entnommen. Neue Namensschreibung nach der Neuen Zürcher Bibel Elija anstelle von Elia, Choreb anstelle von Horeb, Elischa anstelle von Elisa. Die neue Schreibweise orientiert sich am Hebräischen Alten Testament, die vertraute frühere dagegen richtete sich nach der »Septuaginta«, der alten griechischen Übersetzung des Alten Testaments.

 

[2] Psalm 23,5

[3] die Neue Zürcherbibel setzt konsequent Herr ein, wo im Hebräischen Urtext der Gottesname JHWH steht

[4] 1. Korintherbrief  1,18-25

[5] Matth 28,20

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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