«Gott und der Fußball»

Predigt in der Kirche Meilen am 24. Juni 2012

1. Kor. 9,24-27

 

Predigt Pfr. Mathias Rissi 

 

Ihr wißt doch: Die Läufer im Stadion, sie laufen zwar alle, den Siegespreis aber erhält nur einer. Lauft so, daß ihr den Sieg davontragt! Wettkämpfer aber verzichten auf alles, jene, um einen vergänglichen Kranz zu erlangen, wir dagegen einen unvergänglichen. Ich laufe also, aber nicht wie einer, der ziellos läuft, ich boxe, aber nicht wie einer, der ins Leere schlägt.                         1. Korintherbrief 9,24-26

 

Liebe Gemeinde

 

Interessieren Sie sich für Fußball? - Ich gebe zu, mein Interesse hält sich da eher in Grenzen. Aber in diesen Tagen ist es schwierig, sich dem Massenphänomen ganz zu entziehen.

Und der Fußball komme sogar ganz vorn in der Bibel schon vor, so behauptet es ein Witz. In der Sintflutgeschichte sagt Gott zu Noah: »Geh in den Kasten, ich will stürmen.« - Ich habe nachgeschaut und gesehen, so genau stimmt das leider nicht. In der Luther Übersetzung ist die Arche korrekt mit Kasten übersetzt, aber das vom Stürmen steht leider nicht: »ich will regnen lassen…« Nun ja, geregnet hat es für die Schweizer in der Ausscheidung letztes Jahr. Darum sind wir nicht dabei.

Also können wir ganz unvoreingenommen über Fußball und Glauben nachdenken. Manchmal habe ich den Eindruck: der Fußball ist Religionsersatz. Fast alles, was es im Fußball gibt, gab es schon längst auch in der Kirche. Früher waren die Städte stolz auf ihre Kathedralen, heute sind es die Fußballstadien. Wie in der Kirche, so gibt’s auch im Sport Hymnen, Rituale, Fans und Fanatiker, Schals und Kleider und sogar Pilgerfahrten. Und vielleicht entspricht der Trainer dem Pfarrer in der Kirche ;-) Aber da findet sich gewiß ein besser Geeigneter.

Das waren Äußerlichkeiten, aber auch die inneren Einstellungen stimmen in vielem überein: Nur wer ernst macht mit dem Training, wer eine Strategie hat und eine Taktik befolgt und wer von einer tiefen Überzeugung getragen ist, der kommt zum Ziel –  in der Kirche heißt das Nachfolge! Und beide, Fußballer und Christenmenschen, haben ein Ziel: Gewinnen! Ich finde es spannend,  wie heutzutage im Sport die beiden Welten wieder zusammenkommen: Heute gibt es Sportler, die machen keinen Hehl aus ihrem Glauben, wenn etwa einer auf die Knie fällt, sich bekreuzigt oder nach einem Tor das Leibchen wegreißt und darunter kommt ein Leibchen mit der Aufschrift »Gott ist treu« zum Vorschein.

Und wie sieht es im Glauben und in der Gemeinde aus? Paulus macht es in letzter Konsequenz deutlich: Ihr wißt doch: Die Läufer im Stadion, sie laufen zwar alle, den Siegespreis aber erhält nur einer. Lauft so, daß ihr den Sieg davontragt! Wettkämpfer aber verzichten auf alles, jene, um einen vergänglichen Kranz zu erlangen, wir dagegen einen unvergänglichen. Ich laufe also, aber nicht wie einer, der ziellos läuft, ich boxe, aber nicht wie einer, der ins Leere schlägt.

Da gibt es Leute die meinen: »Ich glaube schon irgendwie an eine höhere Macht…« Also, wenn Du im Sport nicht klare Vorstellungen vom Ziel hast, wirst Du nie den Viertel-Final erreichen. So wie im Fußball brauchst Du im Leben klare Orientierung! Wieviel ganz bewußtes Engagement verlangt der Sport. Gleichzeitig gehört dazu aber auch Verzicht auf schädliche Genüsse und Müßiggang. Paulus spricht ja davon, Körper und Geist zu zwingen. Da ist dann nichts mehr mit Schattenboxen!

Das sei einmal deutsch und deutlich gesagt: Es gab Zeiten genug, da die Kirche sich nur im Schattenboxen übte. Vielleicht ist heute auch wieder eine solche Zeit, wenn die Christen ihren Glauben nur noch ganz privat und innerlich leben. Wie vor 100 Jahren; die Kirchen waren sonntags fast leer. Das bürgerliche christliche Abendland war überzeugt, die beste Religion zu haben, sah aber nicht einmal die Not der Arbeiterschaft. Es meinte, auf dem besten Wege zum Paradies zu sein – und landete in der Hölle des ersten Weltkrieges, wo christliche Nationen mit Bomben und Gas aufeinander losgingen. Ja, sie hatten in ihrem theologisch liberalen Kulturprotestantismus aus dem Evangelium ein harmloses Gesäusel gemacht. Dietrich Bonhoeffer meinte 1937: »Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos. …man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört.«[1]

Von Einsatz, Zielstrebigkeit, Hoffnung spricht Paulus zu den Korinthern und zu uns. Vertrauen ist das Fundament! Ich muß erfahren, wer Gott ist, auch für mich, und was mein Leben soll. Damit ich lebe und nicht etwa bloß in die Luft schlage. Schauen wir auf Paulus: Er weiß, wo er nachgeben muß, aber auch, wo das Nachgeben ein fauler Kompromiß wäre. Und ganz sicher ist sein Glaube nicht billig. Seinen Glauben versteckt er nicht scheu, sondern er steht klar dazu.

Er kann ganz ehrlich sagen: Nicht daß ich es schon erlangt hätte oder schon vollkommen wäre! Ich jage ihm aber nach, und vielleicht ergreife ich es, da auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin.[2] Er weiß: Ich bin ergriffen! Jesus hat seine Hand nach mir ausgestreckt und er führt mich und birgt mich in seiner Hand. Mit der Taufe unserer sechs Täuflinge wurde uns dies heute als Eltern, Paten und Gemeindeglieder im Zeichen neu zugesprochen.
Kennen Sie die Hymne des FC Liverpool? »You’ll never walk alone«. Das gibt Kraft und Mut! Das ist es, das glauben wir felsenfest: »You’ll never walk alone« - »Nie wirst Du allein unterwegs sein«. Es ist zutiefst berührend, wenn die Fans ihrer Mannschaft zu Beginn des Spiel dies singen und der Gesang die größten Stadien füllt: »You’ll never walk alone«. – Wir sind ergriffen von Jesus: Er ist immer da. Er hat dazu seinen Geist gesandt.

Eines gibt es im Fußball allerdings nicht. Und das wiegt schwer: Die Vergebung! Gewiß wird jeder Sportler bekennen: zuerst kommt die Fairneß, Mitspielen ist wichtiger als Gewinnen… Aber wehe du verlierst! Die Verlierer werden bestraft: Gnadenlos! Als »Judas« tituliert, wie es schon vorkam, oder ausgepfiffen. Nach der WM 1994 wurde der kolumbianische Unglücksrabe, der ein Eigentor geschossen hatte, zuhause erschossen. – Gnadenlos! Schrecklich!
Aber unversehens reiten wir auf dieser Welle mit. Wie rasch sagten wir vor einem Monat: Wir haben die Deutschen 5:2 besiegt in Basel. Wir haben gewonnen. – Aber wenn die Schweizer Nationalmannschaft mal aufs Dach bekommt, dann heißt es gleich: Sie haben verloren…

Unser Glaube sagt etwas anderes und kann darum gnädig sein: Jesus hat gewonnen – indem er verloren hat! Nicht eine WM gewonnen, sondern die Welt! Indem er sein Leben uns schenkte. Er ist unser Coach. Es ist notwendig, mit ihm auf Tuchfühlung zu bleiben, mit ihm zu reden, zu beten und danach zu fragen, wie er unsere Möglichkeiten einschätzt, welchen Posten er für uns vorsieht. Jesus nimmt sich Zeit für die »Loser«, für die Verlierer. Das sind wir nämlich alle, nüchtern betrachtet, denn kein Erfolg kann darüber hinwegtäuschen, dass das letzte Hemd einmal keine Taschen hat. Gott wird in Jesus Christus Mensch, er zieht seine Göttlichkeit ab, wird ganz Mensch. Er kennt unsere Niederlagen wie kein zweiter. Er wendet sich aber nicht ab von den Verlierern, wie es alle Welt sonst tut! – Nein, er kommt mit, mittendurch! In seinem Sieg in der Auferstehung dürfen wir den unsrigen erkennen!
Er hält die »Penalties«! Für uns ist das ja nur ein fußballtechnischer Begriff. Als ich einmal eine englische Übertragung anschaute, da ging es mir ganz anders auf: Penalty ist Strafe. Der Goalie muß herhalten, wenn seine Mannschaft Fehler macht. Der Goalie Jesus hat ausgehalten und das Schlamassel ausgebadet. Schon die ersten Christen haben das gespürt. Für sie war klar, daß der Prophet Jesaja 600 Jahre zuvor schon von Jesus gesprochen hat:
Fürwahr er trug unsere Krankheit und die Strafe lag auf ihm.[3]

Gegen den Schluß möchte ich jene amüsante Begebenheit erzählen, von der ich einmal las. Zwei Buben hatten einen Fuchsbau entdeckt und darin junge Füchse vermutet. Der eine wollte nun hinein kriechen, oder wenigstens mit dem Arm weit hinein greifen. Da rief er ganz aufgeregt: »I hanen, i hanen«, um einen Augenblick später zu schreien: »Er hät mi!« - Einer wütenden Füchsin zu begegnen ist gewiß unangenehm. Mit Christus ist es zum Glück anders. Da möchten wir rufen: »Er hät mi!«

Mit dem großartigen Wort von Paulus wollen wir ans Ziel kommen: Ich jage ihm aber nach, und vielleicht ergreife ich es. Ich möchte christusförmig werden und habe keine Angst, obwohl ich das noch nicht geschafft habe und in Perfektion nie schaffen werde. Ich probier’s und habe keine Angst, da auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin.

Das macht es aus: Wir haben Gottes bedingungsloses Ja, seinen Zuspruch erhalten – und in Dankbarkeit wollen wir es als Anspruch umsetzen. Denn der Herr traut uns da durchaus viel zu.

Mit so viel Hoffnung und Mut dürfen wir ans Leben heran gehen und unsere Tage gestalten: Denn wir sind auf Siegeskurs! Er hat uns schon ergriffen.

Amen


 

[1] Sabine Dramm: Dietrich Bonhoeffer: Eine Einführung in sein Denken. Gütersloh 2001, S. 104f.

[2] Philipper 3,12-14

[3] in Jesaja 53,5  im Lied vom leidenden Gottesknecht. Rund 600 Jahre vor Christus verfaßt

 

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