Gottesdienst am 4. Februar 2017
im neuen Abendgottesdienst in Niederweningen   -  Pfr. Mathias Rissi

 

 

2. Korinther 6,1-10

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch auch: Empfangt die Gnade Gottes nicht vergeblich! Denn es heißt: Zu willkommener Zeit habe ich dich erhört, und am Tage der Rettung habe ich dir geholfen. Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit, jetzt ist er da, der Tag der Rettung. Mit nichts wollen wir Anstoß erregen, damit der Dienst nicht in Verruf komme; vielmehr stellen wir uns ganz und gar als Gottes Diener zur Verfügung: mit großer Ausdauer, in Bedrängnis, in Not und in Ängsten; unter Schlägen, im Gefängnis, in unruhigen Zeiten, in Mühsal, in durchwachten Nächten und beim Fasten; in Reinheit, in Erkenntnis, in Geduld, in Güte, im heiligen Geist, in ungeheuchelter Liebe, im Wort der Wahrheit und in der Kraft Gottes; mit den Waffen der Gerechtigkeit in der Rechten und in der Linken, ob wir anerkannt oder abgelehnt, verleumdet oder gelobt werden! Wie Verführer sind wir, und doch wahrhaftig,  wie Unbekannte, und doch wohlbekannt, wie Sterbende, und seht: wir leben, wie Gezüchtigte, und doch nicht dem Tod geweiht,  wie Trauernde, doch stets voller Freude, wie Bettler, die dennoch viele reich machen, wie Besitzlose, die alles besitzen.

2. Kor 6 1-10 

Liebe Gemeinde

Jetzt ist die ersehnte Zeit, jetzt ist er da, der Tag der Rettung! oder wie es in der Lutherübersetzung heißt: Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Das ist ein Bibelwort, das wunderbar in die ersten Januartage hineinspricht. So schreien es doch auch die Inserate und Schaufenster den Kunden entgegen: Jetzt ist die Gelegenheit! Jetzt zugreifen! Alles zum halben Preis!
Und es paßt auch dazu:  Jetzt zum Beginn des neuen Jahres schaffe ich es und setze meine guten Vorsätze auch wirklich in die Tat um.
Was meinen Sie dazu? Jetzt zugreifen bei der Januardiät! Werden Sie ohne Anstrengung die Festtagspfunde los: 30 kg weg in 6 Wochen! Und wenn man uns weismachen will, daß man dank diesem oder jenem Haarwuchsmittel statt der Glatze auf dem Kopf wieder Haare wie ein Affe haben könne. Wer will das schon glauben?

Halten wir einmal fest: Da gibt es also echte Angebote, die es zu packen gilt, aber auch andere, wo wir mit gutem Grund skeptisch sind und nicht darauf eingehen. Aber Achtung: die echten Chancen dürfen wir nicht verpassen. Jetzt, das heißt: es gibt den richtigen Zeitpunkt! zum Handeln

Paulus benützt darum für das Wort Zeit nicht »Chronos«, sondern das Wort »Kairos«. Jenes meint die Zeit, die unerbittlich und regelmäßig abläuft, dieses hingegen spricht von der Gelegenheit, vom rechten Zeitpunkt. Den gilt es nicht zu verpassen! Damit betont Paulus mit letzter Klarheit, worum es im Leben immer wieder geht: Zuerst und vor allem andern! Daß Gottes Gnade wirken kann, daß wir ihr nicht im Weg stehen sondern weitergeben, was wir bekommen haben! Sonst wäre die Gnade vergeblich gewesen!

Das mag uns heute schon etwas steil entgegen kommen: Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Ich denke an jemand, der Schmerzen leidet. Klingt es da nicht fast wie Hohn: Jetzt ist der Tag des Heils?
Oder jene, die bedrückt sind von Sorgen und Unfrieden: Jetzt ist er da, der Tag des Heils.
Man braucht ja nur die Nachrichten einzuschalten und zu hören von Gewalt, Hunger, Krankheit und Terror. Wenn dann der Nachrichtensprecher sagte: Jetzt ist der Tag des Heils  –  dann würden wir uns alle verwundert die Augen reiben. Nein, heute ist das doch nicht so: heute ist nicht der Tag des Heils.

Das war vielleicht früher besser, zur Zeit des Paulus!? –  Und schon tauchen die nostalgischen Erinnerungen auf. Ja, früher war es einfacher. Man lebte gesünder, es gab weniger Streß, die Leute waren solidarischer und frömmer und die Kirchen am Sonntag voll – aber jetzt geht’s nur noch bergab.

Halt: hier geht es weder um eine gloriose Vergangenheit, noch um künftige himmlische Perspektiven
Hören wir doch auf Paulus: Er ist gewiß kein Träumer. Im zweiten Teil seiner Ausführung spricht er unverblümt davon, was er kennt: Er spricht von Schwierigkeiten, von Mühsal, von durchwachten Nächten, von Bedrängnis und Schlägen, von Not und Ängsten. Aber er sagt nicht: Wartet nur auf den großen Tag des Menschen­sohns, wartet doch auf den Tag der Herrlichkeit, dann wird alles gut. – Nein! das sagt er nicht!
Er sagt: Jetzt  ist er da, der Tag des Heils! Wie kann er so etwas sagen? Ist es die Kraft des positiven Denkens? Sind es gute Vorsätze? Ist er ein unverbesserlicher Optimist? – Sicher nicht! Sein Orientierungspunkt ist die Gnade Gottes. Und die ist für ihn genau und exklusiv faßbar in Christus Jesus!

Diese Gnade nicht vergeblich empfangen zu haben, heißt, sie aufleuchten zu lassen, damit wir gegenseitig im Glauben an den gestärkt werden, der die Menschen »gratis« und kompromißlos begleitet und annimmt, der durch seinen Tod die Versöhnung stiftet und durch die Auferstehung eine Hoffnung geweckt hat, welche Tod und Zerstörung in die Schranken weist: Christus! – Gratis: Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit, jetzt ist er da, der Tag der Rettung.

Denken wir nochmals zurück an die Worte der Seligpreisungen. Warum preist Jesus diese erbarmenswerten Menschen glücklich? Weil nichts im Weg steht zwischen ihnen und Gott: kein Konto, keine Leitungen mit denen sie sich brüsten. Sie haben schlicht nichts, mit dem sie sich behaupten könnten, sie leben automatisch aus Gottes Gnade! An ihnen wird Gottes Gnade sichtbar. Das ist wahrscheinlich das wichtigste Ziel, daß auch wir stolzen und starken Menschen demütig werden und erkennen, wie sehr wir diesen Bedürftigen der Bergpredigt gleichen, und, daß wir uns so wie sie für die überreiche Gnade Gottes öffnen.

In den vergangenen bald 2000 Jahren war dieser Satz von Pauls an jedem einzelnen Tag für jeden, der ihn las oder hörte, eine unerhörte Herausforderung und Ermutigung: Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit, jetzt ist er da, der Tag der Rettung. Heute ist er das gewiß auch für Sie und mich. Das heißt, daß es sich lohnt unverzüglich mit Phantasie, Liebe und Einsatz ans Werk zu gehen. Denn eine große Segensverheißung liegt auf jedem Tag.

Und gleichzeitig entlastet Gott uns von einem gnadenlosen Krampfen. Das Wort Gnade hilft uns dabei auf die Spur. Schon als Kind hat mich das Wort »gratis« fasziniert. Es bedeutet bei uns: hier bekommst du etwa, ohne dafür zu bezahlen! Dieses Wort wurde nicht von Landi, Coop oder Migros erfunden, sondern es stammt aus der Bibel und Kirche vom lateinischen Wort Gratia, die Gnade. Im der grammatikalischen Form im Dativ und Plural »gratiis«  heißt: »aus Gnaden«!
Diese kleine Wort gebietet Halt: Du mußt nicht noch mehr und mehr und noch mehr leisten, um gerettet zu sein! Sondern nur eins: der Gnade Gottes stillhalten und die unerhörte Verheißung für diesen Tag und für jeden Tag deines Lebens der folgt aufnehmen!

Wir sind Menschen, die Gott mit seinen Augen gnädig anschaut, Gott, der sich verbindet mit den Schwachen, damit sie den starken Beistand haben.
Gott, der sich in Christus verbindet mit den Kranken, mit den Leidenden, damit sie selbst im Leid und Leiden nicht verloren sind.

Im letzten Gedanken kehren wir zum Anfang zurück. Wir hätten alles mißverstanden, wenn wir meinten: Wir haben es ja jetzt – wir sind gerettet, es ist alles schön und gut. Nein, diese Gnade soll nicht vergeblich empfangen sein. Christus, das Licht der Welt, will weiterleuchten in unseren Leben und unseren Tagen.
Darum hat Paulus einen Katalog von Tugenden angefügt. Die empfangene Liebe Gottes will und wird konkret werden! Mir wird fast schwindlig ob der Perfektion, die Paulus von sich und von uns erwartet: Da müßte man ja ein Übermensch sein und einen Heiligenschein tragen. Aber trotzdem kann Paulus es in Anspruch nehmen. Und wir dürfen es auch. So reden und leben dürfen eben alle, die von sich weg auf Christus sehen und von ihm – er ist das Licht – selber das Licht empfangen.

Amen

 

Pfr. Mathias Rissi

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite