Ufwindgottesdienst   8. Mai 2004

und Kirche Meilen, 9. Mai 2004 - Muttertag

Apostelgeschichte 16,1   -  Pfr. Mathias Rissi  Apg 16,1    Acts 16:1

 

Er gelangte aber auch nach Derbe und nach Lystra. Und siehe, dort war ein Jünger mit Namen Timotheus, der Sohn einer  gläubigen jüdischen Frau, aber eines griechischen Vaters. Apg 16,1

 

 

Liebe Gemeinde

 

Dieser kleine Vers offenbart wohl ein Schicksal, wie es nicht selten anzutreffen ist. Lassen wir uns darauf ein – der Muttertag ist eine treffliche Gelegenheit dazu.

 

Lystra lag an der Handelsstraße von Antiochia am Mittelmeer quer durch die kleinasische Halbinsel nach Griechenland. Paulus war dort auf der ersten Missionsreise vorbeigekommen und hatte zuerst bei Seinesgleichen, eben in der Synagoge Anschluß gefunden und das Evangelium vom Messias Jesus verkündigt. Eunike[1], die jüdische Frau eines Baumwollhändlers, hat ihn auch gehört und ist von seiner Botschaft berührt. Er nimmt kaum je an den Gottesdiensten Teil und nimmt ihren Sohn Timotheus jeweils mit. (Das ist bei uns bis heute so geblieben, daß eher die Frauen sich um die Religion kümmern.) Ihr Mann ist Grieche, das kommt noch dazu. Die Griechen achten die Ansichten der Juden sehr, da diese eine moderne, zeitgemäße Religion vertreten: nur ein Gott, der für alles zuständig ist, keine Götterbilder, hohe ethische Werte! Aber sie halten trotzdem Distanz. Es ist eben schwierig, bei den Juden Mitglied zu werden: zu schwerwiegend sind die Konsequenzen im Alltag (Sabbat, Speisegebote….)

Hören wir einmal hinein in ein nächtliches Gespräch der Eltern von Timotheus:

Sie: Es geht uns gut: der Familie und geschäftlich. Alle sind gesund, auch Timotheus ist wieder wohlauf nach dem gefährlichen  Fieber, das ihn vor zwei Monaten an den Rand des Todes gebracht hat. Es geht uns wirklich gut. Aber eines ist für mich schwierig. Du weißt, ich bin Jüdin. Ich kann nicht anders, als meinem Gott danken und zu ihm beten. Ich kann nicht anders, als in die Synagoge gehen. Komm doch auch mit. Es macht mich traurig, zu sehen, daß wir uns im Bereich des Gottvertrauens nicht gefunden haben.

Er: Ich habe dich lieb. Ich will dir alle Freiheit geben, die du brauchst. Aber ich bitte dich, auch das anzunehmen, daß ich mit meinem Glauben zufrieden bin. Auch schon bin ich mitgekommen. Es war interessant; aber ich bin kein Jude.

Sie: Aber durch Jesus Christus ist das etwas ganz anderes: seither ist Gott für alle zugänglich – für Juden, wie Griechen, ohne Unterschied: Glauben, Hoffnung, Liebe. Das ist wie ein neues Leben! Dein Glauben ist doch eher folkloristisches Brauchtum. Das hast du selber schon gesagt.

Er: Ja, und wenn schon. Ich muß planen, Verträge abschließen, mit der Teuerung rechnen, sonst stehen wir plötzlich ganz daneben. Da kann ich nicht noch viel Religiöses wollen.

Sie: Aber weißt du, speziell, seit damals der Zeltmacher Paulus aus Tarsus bei uns war und vom Messias Bericht gebracht hat - weißt du, seither haben die alten Verheißungen angefangen in Erfüllung zu gehen.

Er: Nein! ich will das nicht. Laß mich! Es wäre sowieso füs Geschäft besser, du würdest dich etwas zurückhalten. Seit jenem Aufruhr wegen des Apostels Paulus stehen die Juden und wie man ihnen neuerdings auch sagt die "Christen" nicht mehr hoch im Kurs. - Gute Nacht! gute Nacht.

Sie: gute Nacht.     Sie schlafen ein.

 

Trotzdem ist Eunike regelmäßig bei den Christen. Hört die Textlesungen, sie wächst mehr und mehr hinein in die noch kleine christliche Gemeinde. Und sie hofft auf Verständnis beim Ehemann.

 

An einem Sabbat in der Synagoge spricht eine Freundin sie an:
Kommt dein Mann nicht mehr mit? Schon lange nicht mehr gesehen hier.

Sie: Nein, er will nicht. – Es ist gar nicht leicht für mich, ich komme mir so alleingelassen vor. Und das was meinem Leben Sinn, Freude und Halt gibt, das kann ich nicht mit ihm teilen,  mit dem Menschen, der mir am vertrautesten ist.
Er nimmt alles für selbstverständlich und ich habe das Gefühl, den Karren ganz allein zu ziehen. Und es macht mir zu schaffen, daß er mich nicht verstehen kann, daß er unsere Ehe und unsere Familie nicht vor dem einen lebendigen Gott tragen kann. Geht das auf die Länge überhaupt. Wir ziehen nicht am gleichen Strick.

Freundin: Du, da war doch letzthin ein Brief, den Paulus geschickt hat:
Wenn eines in der Familie die Familie vor Gott trägt, dann darf es mit Gottes ganzer Liebe für alle rechnen und muß nicht verzweifeln, wenn die andern nicht eins sind im Glauben.

Sie: Ja, genau so ist es eigentlich immer. Manchmal muß ich den Karren ziehen, ganz allein, und er kommt wieder zu laufen. – Was würde ich ohne die Hoffnung machen!.

 

Eunike nimmt regelmäßig ihren Sohn Timotheus mit. Er interessiert sich dafür, mehr zu erfahren, und begleitet die Mutter gerne zur Versammlung der Christen.

Dann eines Sonntagmorgens lassen sich Timotheus und Eunike in aller Frühe taufen, bei Sonnenaufgang, zur Erinnerung an die Auferstehung in der Frühe des Ostermorgens.

 

Als Paulus auf seiner zweiten Reise wieder nach Lystra kommt, entdeckt er den Timotheus und nimmt ihn als Begleiter mit: den Sohn einer gläubigen jüdischen Frau, aber eines griechischen Vaters.

 

Der kleine Nebensatz ist vielleicht sehr typisch für viele Frauen. An ihnen blieben lange Zeit die drei K =Kinder, Küche, Kirche hängen. (Es kann schon auch anders sein, daß er statt sie, oder daß beide diese Verantwortung wahrnehmen, wie ein köstliches Beispiel unten zeigt[2]). Früher waren sie der Bereich der Frauen und Mütter. Heute im Zeitalter des www (World Wide Web) gelten die drei K als veraltet und unemanzipiert. An ihre Stelle sind Karriere, Kompetenz, Kohle getreten!

 

Die Küche ist aus der Mode gekommen. Man kauft «convenience food», vorgekocht, abgeschmeckt und portioniert – das muß man nur noch wärmen und anrichten. Der Geschirrspüler macht nachher wieder sauber. Etwas wehmütig erinnere ich mich an all die Gespräche, welche früher beim «lästigen» Abwaschen Zeit fanden, oder an die Begegnungen in der WG, wo die Küche der wichtigste Treffpunkt war. Küche ist nämlich Heimat.

Auch die Kinder sind aus der Mode gekommen. Mit Kindern riskiert man, sich nicht selber verwirklichen zu können und in die Armut abzurutschen. Dabei bedeuten Kinder Zukunft.

Ebenso ist die Kirche in Mißkredit geraten, als langweilige ewiggestrige Tante. Sie verkörpert Gemeinschaft und Hoffnung! Aber wenn wir die Kirche(n) fallen lassen, wo ist dann die «Stadt auf dem Berg» (Matth. 5) welche die Liebe Gottes zu den Menschen widerspiegelt? Und wer mahnt dann noch Solidarität mit den Schwachen an in der globalisierten Welt? Wer vertritt dann noch den Glauben, die Liebe und die Hoffnung, welche Menschen zu einem sinnvollen Leben und Miteinander ermutigen und ausrüsten? Kirche vertritt nämlich einen weiteren Horizont als die Quartals- und Monatsabschlüsse.

 

Die alten drei K sind also allesamt Beziehungsbegriffe, wogegen, etwas einfach gesagt, in der www-Welt der Ego und der kurzfristige Gewinn lauern – es ist eben etwas anderes ob die Jasspartner Menschen sind oder ein Computer, um nur ein Beispiel zu nennen.

 

Nun wollen wir aber nicht Gegensätze aufbauen. Es ist die Herausforderung des Lebens beides zu integrieren: damit Weltliches und Geistliches nicht einander ausschließen, sondern einander gegenseitig unterstützen. Damit nicht der Alltag gottlos und der Glaube unrealistisch wird, sondern im Gegenteil der Glaube mit beiden Füssen auf dem Boden der Wirklichkeit von Familie, Beruf und Gesellschaft steht und der Alltag durch Glauben, Liebe und Hoffnung in den Dimensionen vorstößt.

 

Eins aber bleibt gewiß: Ein Christ trägt die ganze Familie durch. Wir tragen andere - andere tragen uns. So hat es der Christ getan: Jesus Christus, er hat gedient, weil seine Liebe nötig ist, wenn wir nicht zugrunde gehen sollen, und nötig ist, auch wenn keine Anerkennung damit verbunden war. Ihm tun es ungezählte Menschen, Frauen und Männer, Mütter und Väter nach: Im Einsatz für die Mitmenschen, ohne großes Aufheben, selbstverständlich.

 

Die oft undankbare Welt hat den Frauen den Muttertag beschert. War es aus schlechtem Gewissen? Immerhin soviel! Es soll den Frauen und Müttern von Herzen gegönnt sein! Aber das stille Dienen (und manchmal auch Leiden) könnte bitter machen. Zum Glück wissen wir etwas Besseres: Es steht unter der Auferstehungshoffnung: Wir kennen das Leben, welches aus Dankbarkeit für Gottes Gnade seine Augen und Hände öffnet für die Menschen und Aufgaben, die uns begegnen. Und in ihm täglich den Glauben gründet, die Liebe stärkt und die Hoffnung erneuert.

Amen.

 

Pfr. Mathias Rissi  

 

 

[1] Eunike, dieser Name wird in 1. Timotheus 1,5 genannt

[2] Im Interview berichtete Jeannette von einer glücklichen Begebenheit: Ihre beiden Buben himmeln der Vater an. Klar, er ist so selten zuhause. Alles war er tut und sagt, hat das doppelte Gewicht.  Von Jeannette hören die Kinder die biblischen Geschichten, mit ihr beten und singen sie. Mit dem Vater nie. Logisch dass der Ältere, Martin (5) eines Tages fragte: «Papi betest du eigentlich auch?» - Schrecksekunde für die Mutter "Wenn er jetzt bloß nicht NEIN sagt!" Alle sind auf Papis Antwort gespannt: «Ja, ich bete auch, aber im Stillen für mich.» Wie glücklich war die Mutter über diese Unterstützung.

 

 

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