«Das könnte den Herren der Welt ja so passen...»

Osterpredigt am 27. März 2005 in der Kirche Meilen - Predigt Pfr. Mathias Rissi 

 

 Offb 21,5  Rev 12:5
«Siehe, ich mache alles neu» Offenbarung 21,5

 

Liebe Gemeinde

 

Wir haben eben das Osterlied des Berner Dichterpfarrers Kurt Marti gesungen: «Zum Aufstand gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren.»  [1]

Das ist ein heiliger Trotz. Anders kann man auch mit den Herren nicht umgehen, die mit dem Tod uns regieren, als ihnen frech ins Gesicht zu singen, ihnen eine lange Nase zu machen und zu sagen: «Das könnte euch so passen!» Denn da ist der Befreier vom Tod auferstanden und der sagt: «Siehe, ich mache alles neu.» Er verändert alles. Wir schauen – obwohl auch wir sterben werden - nicht mehr vorwärts in den Tod, sondern ins Leben!

 

Ich erinnere mich an den eindrücklichen Film «Cry freedom» von Richard Attenborough in den 80-er Jahren. Er schildert das Südafrika der dunkelsten Apartheid: die Ermordung des Studentenführers Steve Biko durch die Folterer der Polizei, die blutige Niederschlagung des schwarzen Protestes in Soweto. Da bekehrt sich ein weißer Journalist zum Kampf gegen den Rassismus. Er wird «gebannt» – so nannte man den Hausarrest. Soldaten patrouillieren vor seinem Haus. Seiner Frau gelingt es ihn herauszuschmuggeln, im Auto unter Decken versteckt. Er kann ins Ausland fliehen, feiert die Befreiung mit einer Pressekonferenz. Dann schwenkt die Kamera zurück zum Haus des Journalisten – die Bewacher bewachen es kaugummikauend weiter, bis sie aus dem Autoradio hören, daß der Vogel ausgeflogen ist! Da schauen sie schön dumm drein… In diesem Moment hat das ganze Kino vor Begeisterung gebrüllt und gelacht! Das war eine Art Osterlachen! – Noch regierte die Apartheid, aber einer hat sie überlistet. –  Natürlich ist Ostern viel mehr. Aber ist nicht nur schon dieses weltliche Osterlachen ermutigend? [2]

 

Wir erleben Sterben, das Sterben anderer Menschen und das eigene Sterben, oder das Verzichtenmüssen, das Sterben, das heute gestorben werden muß – und Sterben tut weh. Und in dieses Sterben hinein kommt Gottes Leben. Leben in Fülle und mit Erfüllung, unerwartet. Und wir strecken unsere Hände aus, damit Gott sie fülle, damit Gott sie fülle mit seinem Leben. Mitten in dieser Welt voller Sterben. Er führt uns zusammen und in der Hoffnung sind wir gewiß: Christ ist erstanden.

 

Oder jemand ist einsam und fühlt sich verlassen, schließt sich ab und fällt immer tiefer in die Dunkelheit, die Hoffnung schwindet. Und Gott reißt diesen Menschen heraus, reißt ihn mit ihm heraus, der am Kreuz verzagter war als wir je, und er schenkt uns Freunde und Freude, und wir beginnen zu singen, die einen eher unsicher, die andern wie ein prächtiger Chor voll Hoffnung, beschwingt, denn Christ ist erstanden.

 

Und wir erleben Streit, Streit in der Familie, Streit im Beruf.

Streit, der trennt und nicht verbindet: über Kindererziehung und Emanzipation und das rechte Bibelverständnis. Wir erleben, wie im Streit die Leidenschaft durchbricht, sich auf jeden Fall durchzusetzen, koste es, was es wolle, koste es auf jeden Fall die anderen, was es wolle. Und da kommt er, schenkt uns Liebe, lehrt uns Geduld, gibt uns den Humor, daß wir uns nicht mehr so todernst nehmen, nimmt uns an der Hand und zieht uns in den Kreis hinein zu den anderen und wir tanzen, gemeinsam und ökumenisch, noch nicht alle im gleichen Takt, aber er gibt sich Mühe mit den Ungeübten, denn Christ ist erstanden.

 

Und ich sehe die geschundene und gestörte Schöpfung, Wälder sterben und Flüsse, Krankheiten wachsen. Und ich erlebe bei mir und anderen die Resignation: Es hat ja doch keinen Zweck, die Herren der Wirtschaft sehen auf den Profit, die anderen Menschen spielen nicht mit und die Gipfel richten nichts aus.

Aber er kommt, verheißt immer wieder die neue Schöpfung, öffnet mir und anderen die Augen für die Schönheit und den Reichtum. «Siehe, das ist alles für euch und Gott hält seine Hand darüber.» Und ich mache wieder weiter, mit geöffneten Augen für die Geschöpfe und das Lob Gottes auf den Lippen und sammle mein Papier und trenne meinen Abfall und versuche mit weniger auszukommen und achte darauf, wo sich etwas ändert und bekomme neuen Mut und suche die anderen, die mit auf dem Wege sind, denn Christ ist erstanden.

 

Und wir lesen Zeitung, hören und sehen Nachrichten: Kinder sterben, Krebs und AIDS sind nach wie vor nicht heilbar, im Irak wird gebombt und geschossen. Die Mächtigen zählen die Zahl der eigenen Toten, die anderen interessieren weniger. Die Herren der Wirtschaft zählen ihren Gewinn, zucken hilflos mit den Schultern und verweisen auf die Sachzwänge der Globalisierung und weniger auf die Zahl der Arbeitslosen – die Herren dieser Welt regieren mit dem Tod ob sie es wollen oder nicht – und oft genug erschrecke ich, denn ich bin ja auch ein Teil dieser verlorenen Welt, bin auch verstrickt in tödliche Handlungsmuster.

 

Und hier stocke ich, frage ob ich denn jetzt so weiter sprechen kann wie vorhin. Aber dann sag ich's doch, denn ich höre Christi Wort vom neuen Himmel und der neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, von der Entmachtung der Herren, die mit dem Tod regieren. Und ich bekomme Mut zum Verändern, daß nicht alles so bleibt. Und ich strecke den Herren (und mir) die Zunge heraus, mache ihnen eine lange Nase und nehme sie nicht mehr so ernst, die todernsten, und zaghaft beginne ich zu hoffen und zu handeln, denn der neue Himmel ist schon auf der Erde, denn Christ ist erstanden.

 

Liebe Gemeinde: Auferstehung ist Gottes Aufstand gegen die Resignation und gegen ein Leben, das diesen Namen nicht verdient, denn er sagt: «Ich mache alles neu! Schreibe, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr».

Amen


 

[1] Reformiertes Gesangbuch 487 Das könnte den Herren der Welt ja so passen

[2] Und - wer hätte damals gedacht, auf welch großartigen Weg sich Schwarz und Weiß in Südafrika nur wenige Jahre später machen würden? Mit Gleichberechtigung und Wahrheitskommission und dem Prozeß der Versöhnung.)

 

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