Die Hochzeit in Kana

Predigt von Pfr. Mathias Rissi
über Johannes 2,1-11
in Niederweningen am 18.1.2015

Liebe Gemeinde

Vom Theologen und Kirchenvater Hieronymus, der im 5. Jahrhundert lebte, wird eine hübsche Anekdote überliefert, welche diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana betrifft. Eines Tages kam ein Spötter zu ihm und sagte, er habe ausgerechnet, daß jene Krüge, von denen die Geschichte erzählt mindestens 600 bis 700 Liter faßten. Er frage ihn nun, ob denn die Hochzeitsleute diese ungeheure Menge Weins alle ausgetrunken hätten. Hieronymus habe darauf geantwortet: Nein, wir trinken alle noch davon. Das ist's, liebe Gemeinde, und mit dieser Erwartung, daß auch für uns alle auch heute noch genug da ist, wollen wir nun an die Geschichte herangehen. Darum hat es sich schließlich gelohnt zum Gottesdienst zu kommen.

Im letzten Vers heißt es: Das tat Jesus als Anfang der Zeichen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn. Natürlich haben jene zwei jungen Leute damals wohl geheiratet, weil sie sich gern hatten. Sie hatten das Fest organisiert, damit ihre Freunde sich mit ihnen freue sollten. Aber Jesus sagt nun, der letzte Sinn dieser Hochzeit sei, daß seine Herrlichkeit offenbart werde. Das gibt eine ganz neue Sicht unsres Lebens. Warum sind sie heute morgen aufgestanden? Dumme Frage, denken sie wohl! Warum sind Sie letzte Woche zur Arbeit gegangen? Ich kann weiterfahren. Das ist doch alles ganz klar. Aber man könnte es auch anders sehen: All das soll geschehen, damit die Herrlichkeit von Christus offenbar werde. Gott kann auch unser Leben brauchen, um seine Herrlichkeit sichtbar zu machen. Ich fürchte, daß manche denken, das sei ein frommer Spruch.

Noch kritischer wird es, wenn jemand, der krank ist und Schmerzen hat, zur Antwort geben soll. Das ist so, damit die Herrlichkeit Jesu offenbar werden soll. Wir alle haben wohl schon Situationen mit ansehen oder gar mit erleben müssen, die uns in einen Abgrund grauenhafter Sinnlosigkeit stürzten. Wir fragen dann Warum? Und warum gerade ich? Aber nun kann es geschehen, daß Jesus diese Not gleichsam umfunktioniert, oder sagen wir doch viel besser, neu macht, sodass ein Mensch tatsächlich sagen kann: Das ist geschehen, damit die Herrlichkeit Jesu offenbar wurde. Ich denke mit Ehrfurcht an Menschen, die sagen konnten, daß sie gerade in der Tiefe Christus finden durften und so ein neues Leben.

Sehen Sie, wenn Jesus in ein Leben hereinkommt wird vieles anders und neu. Wir tun vielleicht die gleichen Dinge, wir stehen am Morgen zur gleichen Zeit aus und gehen am Abend zur gleichen Zeit ins Bett. Und doch ist alles anders, weil nun Christus unser Leben ist.

Jesus hat hier also sein erstes Zeichen getan. Jesus hat keine Wunder getan. Er war kein Wundertäter. Sie werden in den Evangelien vergeblich nach dem Wort Wunder suchen. Das heißt: ganz genau genommen kommt das Wort Wunder 1 x vor, nämlich negativ, dort wo Jesus dem Volk vorwirft: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht. Jh 4,48 Wunderglaube ist eben kein wirklicher Glaube. Jesus hat Zeichen getan für seine Herrlichkeit, die wir jetzt in der Gebrochenheit des irdischen Daseins eben als Zeichen erleben, dafür, daß er bei uns ist, und hilft uns schließlich alles zum herrlichen Ende hinausführen wird. So wir Jesaja es schon in seinem Gesicht vom Ende der Welt verkünden durfte.

Jesus tat also sein erstes Zeichen – wohl zum Ärger aller frommen Finsterlinge – ausgerechnet an einem Hochzeitsfest und dabei erst noch mit Wein, und zwar mit gutem. Die neutestamentliche Wissenschaft hat sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte ganz besonders eingehend mit dieser schwierigen Geschichte auseinandergesetzt. So entdeckte man, daß der Evangelist Johannes offensichtlich viele geheimnisvolle Anspielungen in diesem Text gefunden hat. Zum Beispiel: Es ist wohl kein Zufall, daß Jesus sein erstes Zeichen, das erste Wunder ausgerechnet in Kana tun mußte und nicht im religiösen Zentrum Jerusalem. Kana lag im wenig frommen Galiläa. Jesus tat sein erstes Wunder also bei den Unkirchlichen. Er ist nicht einfach der Heiland der Frommen, sondern der Heiland der Welt.

Dann stehen da sechs Wasserkrüge. Dahinter steckt ganz bestimmt eine Anspielung auf die sechs Tagewerke der Schöpfungsgeschichte. Alles muß von Christus neu gemacht, erlöst werden, so wie dieses abgestandene Wasser zu gutem Wein verwandelt wird. Paulus sagt im Römerbrief, daß die ganze Kreatur seufzt und sich sehnt nach dem Offenbarwerden der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Gott ist der Gott, der verwandeln, der neu machen kann. Der Gott der die Welt verwandeln kann und wird. Und daß dieses erste Zeichen auf einer Hochzeit geschieht, ist auch kein Zufall. Gott will unsere Freude. Und eine Hochzeit, eine Ehe ist schon im Alten Testament ein Gleichnis für die Gemeinschaft, die Gott mit uns Menschen haben will. Und der Wein ist schon in der Bibel ein Zeichen der Gemeinschaft, so wie wir heute noch bei einem Glas Wein mit einem Menschen «Duzis» machen.

Wir hörten in der Lesung am Anfang des Gottesdienstes, wie der Prophet Jesaja, wenn er davon reden darf, daß Gott seine Schöpfung dem großen Ziel entgegen führt, daß er dann von einem großen Fest spricht. Wo Gott dann wirklich der Herr ist für alle Menschen, der große Erlöser. Am Ende der Offenbarung steht, daß dann der Tod besiegt ist und alle Tränen von unseren Augen abgewischt werden. Da wird es, sagt er den ganz guten, alten, gelagerten Wein geben. Jesus sagt bekanntlich den Jüngern beim Abendmahl, er werde von diesem Wein nun nicht mehr trinken, bis er wiederkomme. Dann werden wir eingeladen sein zum großen Festmahl, zum königlichen Hochzeitsmahl.

Aber das ist nun aber nicht nur Zukunftsmusik, das ist es auch und dazu sollten wir als Kirche fröhlich stehen. Aber eben es ist auch und zuallererst jetzt Realität. Unsere Geschichte will uns sagen, daß wir heute in der Gemeinschaft mit Christus leben dürfen. Wenn wir miteinander Gottesdienst halten, wenn wir im Stillen die Bibel lesen und beten. Gemeinschaft mit Gott, auch in der Vorläufigkeit unseres vielleicht oft armseligen Christenlebens, ist schon ein Stück Hochzeitsmahl.

Aber wir müssen nun auf eine Gefahr hinweisen, die in unserm Bericht aufleuchtet. Die Gefahr nämlich, daß wir, wenn wir mit Christus Gemeinschaft haben, über ihn verfügen möchten. Das mußte Maria lernen, wenn es heißt: Und als der Wein ausging, sagt die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Und Jesus sagt zu ihr: Was hat das mit dir und mir zu tun, Frau? Meine Stunde ist noch nicht da. Dieses merkwürdig harte Reagieren Jesu, das uns vielleicht zu schaffen macht, zeigt uns: Auch Maria kann nicht über ihn verfügen. Wie auch wir nicht. Maria aber ließ sich nicht abhalten, sie fährt weiter: Seine Mutter sagt zu den Dienern: Was immer er euch sagt, das tut. Ihr Vertrauen zu Jesus bleibt, auch wenn sie weiß, daß sie nicht über ihn verfügen kann. Sie war bereit zu warten, bis die Stunde Gottes gekommen ist. Vielleicht haben wir das einmal erlebt. Wir haben gebetet, vielleicht inbrünstig gebetet. Aber wir mußten warten. Noch war nicht Gottes Stunde. Das kann schwer sein.

Auch ein moderner Ausleger hat sich einmal den Spaß gemacht auszurechnen, wieviel Wein wohl in jenen sechs Krügen war. Er kam zu Resultat, daß die Menge gut und gern für 1000 Mann gereicht hätte. Was für ein Reichtum war das doch. Jesus schafft Neues. Aber, seien wir ehrlich, was ist das schon, diese sechs Krüge Wein, die Jesus aus Wasser gemacht hat. Es gibt auf dieser Welt doch Ozeane von abgestandenem Wasser. Ist alles, was Jesus tut nicht auch heute noch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ganz abgesehen davon, daß bei uns Christen das Wasser so oft Wasser bleibt und nicht zu Wein verwandelt wird. Wir müssen von Maria lernen, daß es ein «noch nicht» gibt in unserm Leben. Wir leben noch im Glauben und nicht im Schauen. Die Herrlichkeit Gottes ist uns so oft nur zeichenhaft erkennbar, obwohl wir Gemeinschaft haben mit Jesus. Aber wir haben seine Zeichen. Und die entscheidenden Zeichen sind das Kreuz und die Auferstehung Jesu. Dort hat er das abgestandene Wasser unserer Sünde in den Wein seiner Gnade verwandelt. Vielleicht scheint uns das oft wenig angesichts der riesigen Not auf dieser Welt. Wir könnten oft fast verzweifeln, wenn wir die Zeitung lesen. Vielleicht auch in unserem eigenen Leben. Und doch haben wir die Zeichen, die auf die verheißene, kommende endgültige Gottesherrschaft hinweisen.

Eines dieser Zeichen ist die Kirche, die christliche Gemeinde. Sie soll gleichsam die Anzahlung auf das Hochzeitsfest sei, das Jesus uns im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl verheißen hat. Auch in der Kirche – seien wir ehrlich – werden heute noch nicht sechs große Wasserkrüge in Wein verwandelt. Manchmal leiden wir unter der Armseligkeit und Unvollkommenheit der Kirche. Aber vielleicht ist es doch ein kleiner Becher voll, für den wir dankbar sein wollen. Ein Zeichen dafür, daß Jesus der Herr ist und bleiben wird.

Nun wollen wir an die Anekdote von Hieronymus zurückdenken. Ja er hatte recht! Wir leben alle heute noch von den sechs Krügen mit Wein, den Jesus verwandelt hat damals in Kana in Galiläa. Wir leben vom Herrn Jesus, der neu schaffen kann. Der auch unser Leben verwandelt und es schließlich ganz neu machen will und wird.

Wir dürfen viel erwarten von Christus. Der Mystiker Johannes Scheffler, der unser dem Namen Angelus Silesius in die Geschichte eingegangen ist hat das gute Wort geprägt »Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben. Ach, daß wir Armen nur so kleine Herzen haben.« Wenn wir nur etwas ahnen vom Reichtum der Liebe Gottes, dann wird uns das neuen Mut machen, zu vertrauen, daß Gott auch in unserm Leben noch etwas mit uns vor hat. Daß er auch von uns etwas erwartet und wir darum immer wieder unser Leben mit Zuversicht anpacken dürfen, daß auch in unserm Leben ein Stücklein von seiner Herrlichkeit sichtbar werden darf.

Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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