Lukas 16,19ff  Der Reichen Mann und der arme Lazarus - Predigt Pfr. Mathias Rissi Ge

17.1.2016 in Schöfflisdorf

 

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag prächtige Feste feierte. Vor seiner Tür aber lag ein Armer mit Namen Lazarus, der war über und über bedeckt mit Geschwüren. Und er wäre zufrieden gewesen, sich den Bauch zu füllen mit den Brosamen vom Tisch des Reichen; stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoss getragen wurde. Aber auch der Reiche starb und wurde begraben. Und wie er im Totenreich, von Qualen gepeinigt, seine Augen aufhebt, sieht er von ferne Abraham und Lazarus in seinem Schoss. Und er schrie: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schicke Lazarus, damit er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge kühle, denn ich leide Pein in dieser Glut. Aber Abraham sagte: Kind, denk daran, dass du dein Gutes zu deinen Lebzeiten empfangen hast und Lazarus in gleicher Weise das Schlechte. Doch jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und zu alledem besteht zwischen uns und euch eine so tiefe Kluft, dass die, die von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können und dass die von dort nicht zu uns herübergelangen. Er aber sagte: So bitte ich dich denn, Vater, ihn in das Haus meines Vaters zu schicken. Ich habe nämlich fünf Brüder; die soll er warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagt: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Da sagte er: Nein, das werden sie nicht, Vater Abraham! Aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Da sagte er zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.                                                                                  Lukas 16, 19-31

 

Liebe Gemeinde,

Sind Sie arm oder reich?
Eine schwierige Frage: Wenn die Krankenkassenrechnungen kommen mit den gestiegenen Prämien, dann sind wir arm.
Wenn aber der Lohnausweis in den Briefkasten flattert und die Steuererklärung fällig ist, dann sind wir reich.

Es ist ein unbequemes Gleichnis! Vor Jahren habe ich von einem Gemeindeglied einen geharnischten Brief erhalten!!! Jene Frau hatte sich empört, dass ich über solch ein plattes Gleichnis vom Ausgleich zwischen dem irdischen und dem ewigen Leben predigte. Sie hatte sich offenbar als Reiche angegriffen gefühlt.

Nicht wahr, Wir lehnen solch ein Höllengleichnis gerne ab: die Bibel kennt doch die Auferstehung und das Reich Gottes und wir sprechen von der Gnade Gottes, der wir eben alle bedürfen.

Und da haben wir nun eine erregende Geschichte gehört, die statt im Neuen Testament genau so gut im Märchenbuch der Gebrüder Grimm stehen würde. Es wäre dann leichter sich dagegen zu wehren, dass diese Geschichte einem unter die Haut ginge. Aber nun läuft sie eben nicht unter der Bezeichnung Märchen, sondern unter dem Gattungsbegriff "Gleichnis".  Und für dieses Gleichnis zeichnen nicht die Gebrüder Grimm verantwortlich, sondern Jesus von Nazareth.
Arm und reich – das ist auch gar nicht die Hauptsache. In dieser Geschichte steckt ein ganzer Knäuel aufregender Elemente. Für manche ist es schon aufregend, dass man hier an den Tod erinnert wird. Zweimal heisst es "und starb". Ich habe von einer Familie gehört, die Ferien im Berner Oberland gebucht hatte. Als sie aber merkten, dass die Ferienwohnung gerade neben dem Friedhof lag und man vom Stubenfester aus auf die Gräber sah, beschwerten sie sich auf dem Touristenbüro und wollten eine andere Wohnung: man wolle doch nicht die ganzen Ferien über an den Tod erinnert werden. Dass einmal gestorben wird, weiss zwar schon jeder Erstklässler, auch ohne diese Geschichte.

Aber etwas anderes wüssten wir vielleicht ohne diese Geschichte nicht. Da steht nämlich, dass es mit Tod nicht einfach fertig war. Sonst ist es doch so, dass wir Menschen, wenn einer gestorben ist nichts mehr sagen können, als dass er begraben wurde, aber das ist dann das allerletzte.  Hier wird aber weiter erzählt. Zum Beispiel, dass der arme Lazarus von den Engeln in Abrahams Schoss getragen wurde. Das ist natürlich ein Bild, das niemand wörtlich zu nehmen braucht. Aber eben: Es geht weiter mit Lazarus! Und mit dem reichen Mann auch! Von ihm heisst es: Und wie er im Totenreich, von Qualen gepeinigt, seine Augen aufhebt, sieht er von ferne Abraham und Lazarus in seinem Schoss.

Es ist doch aufregend, dass Jesus offenbar der Meinung ist, dass es nach den paar Jährlein hier auf Erden offenbar nicht fertig ist, ja dass vielmehr das Entscheidende erst kommt. Natürlich kann niemand beweisen, dass das wahr ist. Man kann nur feststellen, dass Jesus es so meint. Es mag jemand sagen: Das lässt mich doch völlig kühl, was er meint. Das lege ich beiseite. Das ist jedoch mit Jesus wesentlich schwerer zu machen, als mit den Gebrüdern Grimm.

Das Unheimliche an der Sache ist, dass die Verhältnisse dieser beiden Menschen im Vorspiel und im Nachspiel so auffällig übers Kreuz gehen. Lazarus, der Arme war sicher bös dran mit seinem Hunger und seinen Schwären, und niemand hat sich um ihn gekümmert, nur die Hunde. Und er ist nachher bestens gebettet in Abrahams Schoss. Und der Reiche, für den gibt’s ein böses Erwachen. Er leidet an der entsetzlich hohen Temperatur. Das geht hier wirklich grad übers Kreuz. Das Schwierige dabei ist, man weiss eigentlich gar nicht recht warum. Es ist doch schliesslich kein Verbrechen reich zu sein. Und schöne Kleider sind auch keine Sünde. Er war, wie alle andern natürlich ein Jude, und das heisst, dass er vielleicht sogar, wie man das so sagt, ein frommer Mann war. Ein Ausleger meint, vielleicht habe bei seiner Beerdigung sogar der Stadtpräsident gesprochen, und seine soziale Einstellung gerühmt und der Pfarrer habe sicher eine besonders schöne Predigt gehalten und seine treuen Gottesdienstbesuche erwähnt. Auf alle Fälle steht das Gegenteil auch nicht da. Und der arme Lazarus. Es steht von ihm ja auch nicht da, dass er ein Ausbund von Tugend gewesen sei.

Um Missverständnisse zu vermeiden wollen wir ganz deutlich festhalten, was alles falsch verstanden wäre. Es wäre sicher falsch zu behaupten, dass Jesus meinte, Reichtum führe an sich in die Verdammnis. Es wäre ebenso sicher falsch Jesus zu unterschieben, er behaupte, den Armen sei schon von vorneherein der Himmel gewiss. Obwohl wir natürlich wissen, dass er immer sich auf die Seite der Armen stellte. Ein Missverständnis wäre es auch, wenn wir Jesus vertrete einfach den Gedanken einer ausgleichenden Gerechtigkeit. Das ist zwar ein netter Gedanke aber es ist nicht die biblische Botschaft

Nun sagt Jesus, dass er hier nicht einfach eine Geschichte erzählte, sondern ein  Gleichnis. Das heisst, dass jeder unter den Zuhörern Jesu, damals wie heute, einem dieser Menschen in der Geschichte gleichen könnte.  Ich möchte Ihnen eine direkte Frage stellen. Wenn Sie wählen könnten: Mit welchem von den 2 Männern möchten Sie sich wohl vergleichen? Nicht wahr, das ist eine verzwickte Sache. Man weiss nicht, was man sagen soll. Wenn die beiden Le-benslinien sich nicht kreuzen würden, wäre die Sache einfach. Zuerst möchten wir natürlich der reichen Mann sein, und dann am Ende der Lazarus. Aber wir haben natürlich keine Wahl. Wir sind, wer wir sind.

Das Problem des reichen Mannes war gar nicht sein Reichtum. Im Grunde war sein Problem das Wort, Gottes Wort. Wir haben gehört, wie er bittet, dass man den Lazarus auf die Erde zurückschicken möchte, damit der seine 5 Brüder warne, damit sie sich recht entscheiden im Leben. Und er bekommt die Antwort, dass das nichts nütze, den was Lazarus ihnen sagen könnte, das wüssten sie ja bereits, oder sie könnten es wissen, wenn sie darauf wirklich hörten, sie hätten ja das Wort Gottes. Der reiche Mann meint, die Brüder brauchten doch eine sichere Kunde. Aber es wird klar, was ihnen in ihrem Leben fehlt, ist nicht eine sichere Kunde, sondern die Umkehr. Die sichere Kunde, die wir brauchen  – wir haben sie. Es ist unsere gewiss immer wieder armselige Predigt des Evangeliums.

Nun gibt es in diesem Gleichnis noch einen ganz wichtigen Punkt. Abraham sagt, es gebe eben ein Problem, und das sei die unüberwindliche Kluft, zwischen dem Jenseits und dem Diesseits. Wir ahnen es. Die unüberwindliche Kluft spielt schon in unser irdisches Leben hinein. Da war im Hause des Reichen Mannes eine Türe. Die Türe, vor der der Lazarus lag. Diese Türe hat der reiche Mann offensichtlich nie aufgemacht. Darum hat er Lazarus nicht gesehen. Diese Kluft ist allgegenwärtig. Die Kluft zwischen arm und reich, zwischen hoch und niedrig. Vielleicht haben wir alle eine solche Türe, die wir lieber nicht aufmachen. Es ist vielleicht auch die Kluft, die uns hindert das Wort zu hören.

Die Lösung des Problems kann nicht darin bestehen, dass der reiche Mann nun dem armen Lazarus eine Rente zukommen lässt. Die Kluft muss weg. Die Kluft, die uns vom Mitmenschen, aber auch von Gott trennt.

Und nun behaupte ich, dass es eine Hilfe für den reichen Mann gibt. Die Rettung für ihn und seine 5 Brüder, die noch leben, heisst LAZARUS. Der Lazarus, der vor der Türe liegt hat einen neuen Namen bekommen. Es ist einer gekommen, der vor unserer Türe lag, der unsere Schwären und unsern Hunger auf sich genommen hat. Sein Name heisst Jesus Christus. Er hat die Kluft, die uns vom Himmel trennt  abgebrochen.

Er hilft uns, dass wir verriegelte Türen aufmachen können. Türen zu unsern Mitmenschen. Es ist unfassbar gross und neu, wenn wir die Türe öffnen und Lazarus in seiner Not vor unserer Türe finden. Es gehen uns dann die Augen auf für unsere Schuld!  Aber. Wenn wir dann dem Lazarus ins Angesicht schauen. Dann werden wir mit Erstaunen feststellen, dass Lazarus die Gesichtszüge Jesu, unseres Erlösers trägt. Im Blick auf alle Nöte dieser Welt werden wir erkennen, dass es auch dem besten Menschen nicht gelingen kann, die Kluft, die uns vom Himmel trennt aus eigener Kraft zu überwinden. Aber der Jesus-Lazarus hat es für uns getan.

Ich habe Sie vorher gefragt, mit wem Sie sich am ehesten vergleichen möchten. Ich weiss mit wem wir uns vergleichen sollen: Mit einem der 5 Brüder. Wir sind genau in ihrer Situation. Wir stehen in der Entscheidung. Wir haben noch Gnadenzeit. Wir können noch das Wort hören.

Wir wollen die Türe öffnen. Und wir werden immer wieder einen Lazarus vor der Türe finden, einen Lazarus, der uns braucht. Nicht nur unser Geld, unsre Zeit, unsre Liebe.

Gott gebe es uns allen, dass wir auch jeden Tag wieder den     Lazarus finden, der für uns gestorben aber auch auferstanden ist, der die Kluft überwunden hat.

                                                     AMEN


Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

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Evang.-ref. Kirchgemeinde Niederweningen