Die Berufung des Simon Petrus Lukas 5,1-11

 

Gottesdienst mit Abendmahl und Segnungsfeier

6. März 2005, in der Evang.-ref. Kirche Meilen
Predigt: Pfr. Mathias Rissi, Meilen   Gen 1,26-28

 

Lukas 5,1-11  Die Berufung des Simon Petrus

 

Liebe Gemeinde

Ein ganzes Füllhorn von Segen hat sich über Simon, den Fischer, ergossen. Ja, das wäre etwas, einmal so wie er die Nähe und den Segen Gottes zu erleben!

Kein Wunder , daß sich sein Leben innerhalb eines Tages total verändert. Und doch, wer genau hinhört stellt fest: der Segen kommt nicht in einem Riesenschwall daher, sondern eher so, wie heute morgen der Schnee vom Himmel fällt: leise und sacht.

 

Am Anfang der Tages hätte das niemand erwartet, am wenigsten Simon: «Die ganze Nacht hindurch gearbeitet und nichts gefangen!» Und  als ob es nicht genug wäre: Dazu kommt doch der «Frust»: Die Netze putzen und ausbessern muß er dann auch noch! Wirklich kein glücklicher, kein gesegneter Tag!

Und all die Leute. Offensichtlich sind inzwischen auch die Normalaufsteher am Seeufer angelangt. Sie umringen Jesus, um das Wort Gottes zu hören. Ob Simon überhaupt recht zuhört, als Jesus und die Menge ihm so nahe rücken? Er wird nicht in himmlischen Gedanken voreingenommen gewesen sein.

 

Erst jetzt wird es für den Simon persönlich: Jesus bittet ihn darum, das Schiff als Kanzel zur Verfügung zu stellen. Immerhin, Simon läßt keinen Widerstand erkennen und tut Jesus den Gefallen. Und damit beginnt sein großer Tag.

Mit einer kleinen Gefälligkeit. Es gibt Christen – vielleicht  gehören wir manchmal auch dazu –  die träumen ihr Leben lang davon, einmal etwas hundertprozentiges für Christus zu tun, einmal dem Kompromiß zu entrinnen und ganz klar als Christ zu handeln. So wie die großen Vorbilder des Glaubens, etwa Martin Luther King jr. In der Bürgerrechtsbewegung oder die Flüchtlingsmutter Gertrud Kurz in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.  Wir möchten etwas Entschiedenes, Eindeutiges für Christus vollbringen, und dabei sollten wir nur „ein Boot ausleihen“ wie Petrus in unserer Geschichte und tun es dann nicht. Man könnte es fast überhören, so unscheinbar, alltäglich ist die Bitte. Es lohnt sich genau hinzumerken: Was könnte das bei dir sein, das der Herr brauchen möchte, etwas das gerade du hast oder kannst! Er kann und will es brauchen!

 

Es kommt aber gleich «dicker»! Nachdem Jesus die Menge entlassen hat bittet er Simon, zum Fischen auf den See hinauszufahren. Das ist eine rechte Zumutung. Jesus ist ein Zimmermann und kein Fischer, aber er ist am See aufgewachsen, er müßte wissen, weshalb die Fischer so früh aufstehen: In der Nacht sind die Fische leichter zu fangen, weil sie während der Hitze des Tages die kühle Tiefe des Sees aufsuchen. Jetzt soll Simon zur absolut falschen Zeit Fische fangen! Das kann ja nicht gut herauskommen!

Mir kommt jene Frau in den Sinn, die von einem handfesten Krach mit einer Nachbarin erzählte: 'Ich sehe sie schon, wenn sie vorbeikommt, aber ich hüte mich dann, ihr zu begegnen! Ich ziehe rasch den Vorhang vor, damit sie mich nicht sehen kann, und gehe erst hinaus, wenn die Luft wieder rein ist.' –  Als der Pfarrer sie ermunterte, genau das Gegenteil zu tun und gerade zur «Unzeit» der Nachbarin zu begegnen, lachte sie und meinte, er sei eben noch zu jung, um das zu verstehen. – aber einige Wochen später berichtete sie glücklich, wie sie sich mit ihrer Nachbarin jetzt wieder verstehe; wirklich, es stimme, sie sei dann einmal entgegen aller Erfahrung hinausgegangen und habe jetzt Frieden mit der Nachbarin.

So steht jetzt Simon Petrus vor der Frage, soll ich wirklich in der Tageshitze den ganzen Krampf noch mal machen, ohne realistische Aussicht auf Erfolg? Erstaunlich: «Meister, wir haben die ganze Nacht hindurch gearbeitet und nichts gefangen. Aber auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen»

Simon will es wagen, gegen alle Vernunft, gegen alle Erfahrung. Er hätte sitzen bleiben und weiter an seinem Netz putzen und flicken können. Er hätte Jesu Predigt hören können, wie viele andere auch. Er hätte dann ab und zu beiläufig mit dem Kopf genickt, um dann aber Jesu Herausforderung mit guten Gründen abzulehnen. Aber dann hätte sich in seinem Leben gar nichts verändert. Dann wäre er ein Fischer geblieben und hätte seinen grauen Alltag nie durchbrochen. Jedoch auf Jesu Wort hin geht er den Weg, geht er das Wagnis ein und erlebt dabei, daß Gott ihn segnet. Gott beschenkt ihn mit einem Erfolg, mit einem Netz zum Platzen gefüllt mit Fischen. Und wenn es nur dies sein sollte, auch das gilt: Gottes Liebe kennt auch die leibliche Not und sorgt auch für das leibliche Wohl. So erleben es Simon und seine Kollegen. Gott sieht, was er braucht: er braucht Fische: das ist sozusagen das äußere Zeichen des Segens.

 

Und wie reagiert Simon? Er erschrickt und fällt auf die Knie: «Geh weg von mir, Herr». Warum bloß? Endlich bekommt er doch den Lohn für seine harte Arbeit. Auch diese Boote voll vom Fang zeugen von seiner Anstrengung. Warum bittet er Jesus, wegzugehen? Ist ihm der Fang ungeheuer? Befürchtet er, daß je größer das Glück, desto tiefer der Fall sein könnte?

Nein. Petrus erschrickt: «Wer bin ich denn, daß Gott mir so nahe kommt?» Er erschrickt so, wie die Hirten auf dem Feld in der Weihnachtsgeschichte erschraken; sie haben gemerkt: wir sind im Brennpunkt des Interesses Gottes. Wir haben nicht mit Gott gerechnet und erschrecken, daß er so nahe gekommen ist. Das macht uns klein. Petrus erschrickt ob dem Graben, der ihn von Gott trennt. Und er hält diese Furcht nicht aus. Darum sagt er: «Geh weg von mir, Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch» Das kann nicht gut herauskommen, wenn Gott zu mir kommt. Die Fischer erschrecken ob ihrer Naivität: Sie sind ausgelaufen in der unklaren Hoffnung auf einen Erfolg. Und jetzt, da der Erfolg da ist, erschrecken sie, weil sie dem lebendigen Gott begegnen. Jesus ist in ihr Leben getreten. Der Evangelist wünscht es jedem Leser, jedem Hörer dieser Geschichte, er wünscht es uns allen, daß wir mit Petrus zutiefst betroffen reagieren, daß Christus sich ausgerechnet uns zuwendet.

 

Im Verlauf meiner Jahre in Meilen habe ich eine gewisse Unsicherheit in der Gemeinde festgestellt. Daß wir Pfarrer zum Segen die Arme ausbreiten, daran hat sich die Gemeinde gewöhnt und das ist willkommen. Aber wenn der Segnungsgottesdienst gefeiert wird, dann sind wir immer eine kleinere Gemeinde. Ob genau dies einigen etwas fremd ist, daß hier der Segen mit Berührung und Nähe verbunden ist?

 

Anders als die Moralapostel zeigt Jesus nicht genüßlich auf die Wunde der Sünde. Gerade die Passionszeit, in welcher wir jetzt unseren Gottesdienst mit Abendmahl und dem Angebot der persönlichen Segnung feiern, macht uns klar, daß Jesus keine Berührungsängste hat und es mit seinem Ganz-bei-uns-Sein ernst meint. Das Kapitel der Sünde soll unsere Beziehung zu Gott nicht drücken. So sagt er einmal mehr auch zu Petrus: «Fürchte dich nicht!»

So lädt er auch uns heute ein, uns an seiner Gegenwart zu stärken im Abendmahl und im Segen.

 

Dieser Segen hat den Petrus neu ausgerichtet. Er ließ die Boote am Ufer zurück und wurde ein Menschenfischer. Denken wir nochmals an den frustrierten Fischer am Anfang des Morgens zurück! Welcher Unterschied!

Wahrscheinlich müssen die äußerlichen Veränderungen nicht bei allen Menschen gleich radikal sein. Aber wie schon Paulus schrieb: «Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.» (2. Kor 5,17)

Amen

Pfr. Mathias Rissi

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite

 

Ufwind - Gemeindeaufbau der Evang.-ref. Kirchgemeinde Meilen