1. April 2017 - Der Neue Abendgottesdienst, Niederweningen - Predigt Pfr. Mathias Rissi

 

Markus 10,46-52  Bitte einsteigen!

 

Liebe Gemeinde

Zunächst haben wir in unserm Bibelwort etwas ganz Einfaches aber äußerst Entscheidendes festzustellen. Viel Volk, heißt es da, strömt auf der Straße von Jericho nach Jerusalem. Darunter befindet sich ein blinder Bettler am Straßenrand.
Viel Volk aber nur von Einem, ausgerechnet von diesem blinden Bettler heißt es am Schluß: »Dein Glaube hat dich gerettet«.
Es gibt also in unserm Menschenleben Situationen, die Entscheidungen fordern, Situationen, die über Verloren- oder Gerettetsein entscheiden.

Kein Mensch kommt um diese Entscheidung herum. Heute entscheidungsreif?! Bootsflüchtlinge. Die Entscheidungsstunde gibt uns Gott!
Aber als kleine Kinder wurden wir zur Taufe getragen. Da hat Gott gleichsam von seiner Seite her die Entscheidung getroffen für uns. Ohne unser Zutun, ohne ein Verdienst von unserer Seite, einfach weil er es will, aus unverdienter Gnade! Und nun gehört es zum Mensch-Sein, daß wir in unserm Leben uns ganz bewußt für ihn entscheiden, nicht nur mit Gedanken und Worten: mit unserm Leben. Von da her wollen wir diesen Bericht hören.

Und sie kamen nach Jericho... Und sie kamen zum Gottesdienst. Bei Markus beginnt fast jeder Abschnitt mit »und«. Natürlich ist das die volkstümliche Art zu erzählen. Wir machen es im Dialekt schließlich auch so: und dann... und dann... und dann. Aber dahinter steckt eigentlich die Sicht, daß unser Leben etwas Zusammenhängendes sei. Wir kommen immer aus Verflechtungen, Verhaltensweisen. Aus Familien mit festen Beziehungen zur Kirche, zum Glauben, aus Familien, die am Rande der Kirche leben. Wir leben in einer bestimmten Gesellschaft, im christlichen oder sollen wir besser sagen: postchristlichen Kulturkreis. Und auf dieser Straße, auf der wir nun eben stehen, rollt vieles an uns vorbei.

Wir sagen etwa: wie schnell die Zeit vergeht! Kaum lag der Yannick im Stubenwagen und jetzt ist er selber Vater. Das war schon immer so. Neu aber ist, daß sich heute die Welt und die jungen Menschen in fünf Jahren mehr verändern als früher wohl in 50 Jahren. Wir stehen am Straßenrand und schauen den Veränderungen oft machtlos zu. Wir reden vom schmelzenden Eis in der Arktis und Genmanipulation und weiß ich was noch. Wir diskutieren darüber, wie man in 10 oder 20 Jahren diesen Problemen beikommen, die doch eigentlich heute brennen.

Eigentlich ist dieser Blinde am Straßenrand gar kein schlechtes Bild für uns Menschen des Jahres 2017. Stehen wir nicht auch in mancher Hinsicht blind am Straßenrand der Zeit, bettelnd um Glück und Hoffnung für Zukunft.
Die Menschen haben ihr Leben vielleicht verschieden gestaltet in ihren Zeiten, aber in dem einen sind sie sich gleich geblieben: Sehnsucht nach Hoffnung für die Zukunft.
Jede Generation hat es auf ihre Weise probiert:
Im Aufbau der Hochkonjunktur, dann die 68-er mit der Entlarvung der falschen Autoritäten, die grüne Bewegung, der Neoliberalismus in den 90-ern bis heute, die Wohlstands-»Generation Y«, die neu tieferen Sinn im Leben sucht.
Und ich meine, jetzt in dem Boom religiöser Strömungen im Zeitalter des Wassermanns ein neues Aufbrechen des Suchens nach Hoffnung zu sehen. Hoffnung, die nicht nur innerweltlich, materiell und innermenschlich gesucht, sondern auch bei Gott.

So sind die Menschen unterwegs. Und sie kamen zur Taufe, und sie kamen zum Gottesdienst. So habe ich den ersten Satz des Berichtes umgeformt und sie kamen nach Jericho. Und es ist mir ganz ernst dabei: Hier ist diese Straße, hier ist Jericho. Hier ist der Ort, wo wir Jesus begegnen. Hier ist der Geburtsort der Hoffnung des blinden Bettlers. Hier und überall dort, wo das Evangelium verkündigt wird. Darum lohnt es sich, am Sonntagabend, wenn andere schon mit Unlust dem Montagmorgen entgegenschauen, zum Gottesdienst zu kommen.

Diese Straßenecke und die Kirche ist immer eine schwierige Sache. Das zeigt der Bericht ganz deutlich: Da ist der eine, der schreit nach Hoffnung und Hilfe. Da sind die Vielen, die haben lieber Ruhe und Ordnung. V 48 Aber da sind auch noch die andern: als Jesus den Blinden ruft, da helfen sie mit: V49 Sei getrost, steh auf, er ruft dich. Das ist Kirche, daß wir so füreinander schauen.
So ist aber eben auch unsere ref. Kirche ein fragwürdiges Gebilde. Sie ist sogar eine sog. Volkskirche. Das heißt, daß eben sehr viel Platz drin ist. Solange Gott uns die Volkskirche läßt, betrachte ich sie als Geschenk, denn die Volkskirche bewahrt uns letztlich immer wieder vor falschen Fanatismus. Sie hält die Türen weit auf und vergißt weniger, daß Gott nach Jesu eigenen Worten nicht nur die Frommen, sondern auch die Welt geliebt hat, damit alle, die an ihn glauben, gerettet werden. Verschiedenartigkeit, Vielfalt, aber verbunden, gehalten durch den Bund der Liebe Gottes in Christus.

Es gibt eine klare Grenze. Sie wird in diesem Bibelwort deutlich. Jesus stellt Bartimäus zunächst eine merkwürdige Frage: Was willst du? Ist doch klar!? Natürlich, es wäre klar. Wir müssen alle gesund werden, gerettet werden. Kein einziger ist von sich aus sehend. Aber wir müssen wollen!
Lassen sie mich zur Anschauung von Charles Blondin berichten. Er war ein französischer Hochseilakrobat, der in den USA Furore machte. Berühmt sind seine Auftritte über den Niagarafällen! Am 30. Juni 1869 war es, Tausende schauten zu, wie er mit der langen, schweren Balancierstange hoch über den schäumenden Wasser Schritt für Schritt vorwärts ging.
Er hat gerne Wetten abgeschlossen, ob er’s schaffe oder abstürze
Es klappte. Zum Spaß stieg er in Weidenkörbe hinein und wanderte auch so über das ganze Seil. Einmal schob er eine Karrette vor sich her, in der er auf dem Hochseil Omelett zubereitete. Das Publikum war hingerissen! Auch als er sagte, er würde nun jemanden hinübertragen! Riesenapplaus – »Dann kommen sie doch gleich«, sagte Blondin zu einem laut klatschenden Mann… Der wollte aber partout nicht. Schließlich mußte der Manager von Blondin dran glauben und sich huckepack hinüber tragen lassen!

Gott will, daß wir uns hineinnehmen lassen in seinen Bund. Gott will, daß wir einsteigen, und uns nicht bloß mittreiben lassen, daß wir den Mantel, der uns hindert, zu ihm zu kommen, wegwerfen, daß wir Ballast abwerfen. So wie für Bartimäus lohnt es sich für uns Prioritäten zu setzen.

Jesus macht ihn sehend. Das war für Bartimäus ein ganz persönliches großes Wunder; wir erahnen es daraus, was es für uns bedeutet aus einer Krankheit geheilt oder aus Not gerettet zu werden. Eins ist aber ganz klar, wenn Jesus Menschen sehend macht,  dann bezieht sich das nicht nur auf ihr eigenes Problem und ihre eigenen Möglichkeiten, sondern immer und sicher macht er auch sehend für die Welt, für die andern!

Es kommen viele Leute in unserer Geschichte vor. Aber haben Sie beachtet: nur einer hat einen Namen. Einen Namen haben bei Gott! Darum geht es. Was soll man einmal im Rückblick auf unser Leben von uns sagen können? Sie war eine hervorragende Abteilungsleiterin, er führte seine Firma von Erfolg zu Erfolg, sie war eine begnadete Musikerin, eine liebevolle Mutter, oder er war ein geschickter Handwerker, ein echter Lebenskünstler. Das kann alles sehr gut und wertvoll sein. aber es führt uns nur dann zum Ziel, wenn es vor Gott heißen kann: Steh  auf, du hast Glück. Er ruft dich.

Das führt bei Bartimäus zum Ziel, weil Bartimäus Jesus als Sohn Davids anrufen kann. Damit stellt er sich hinein in das Wunder der Heilsgeschichte. Wir dürfen das auch. Die Welt läuft nicht einfach ab, wie ein Uhrwerk, bis es seine Energie verbraucht hat.

Die Welt ist nicht einfach der ewige Wellenschlag vom Leid und Glück von Menschen, die kommen und gehen. Gott hält diese Welt in seiner Hand! Gott ist den rätselhaften Weg gegangen mit uns, indem er einmal einen Mann bei der Hand nahm: Abraham. Aus ihm wurde das Gottesvolk. Ein Nachkomme war der König David. David wurde Träger der Verheißung des Gottesreiches. Und diese Verheißung fand ihre Erfüllung in dem Wunder, daß Gott seinen eigenen Sohn als Davidssohn, wie er hier heißt, Mensch werden ließ: das Unfaßbare, und völlig unerklärbare, vor dem wir nur staunend still werden können. Gott ist unser Bruder geworden. Diese feste Verankerung und Vertäuung der Welt in der Liebe Gottes ist das Kreuz und die Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi. Diese Verankerung hält auch im Zeitalter der Gentechnologie. Darum darf es auch von uns heißen:

Und alsbald wurde sie oder er sehend und folgte Jesus nach. 
Vom Straßenrand mitten ins Leben! Amen.

 

Pfr. Mathias Rissi

 

Zum Predigtverzeichnis            Zur Hauptseite

 

Ufwind - Gemeindeaufbau der Evang.-ref. Kirchgemeinde Meilen