27. Februar 2011 - Passions-Predigtreihe Markus - Kirche Meilen - Predigt Pfr. Mathias Rissi Markus 14,53-65

 

III -  Das Abendmahl

 

Und während sie aßen, nahm er Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen und sprach: Nehmt, das ist mein Leib. Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und gab ihnen den, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele. Amen, ich sage euch: Ich werde von der Frucht des Weinstocks nicht mehr trinken bis zu dem Tag, da ich aufs Neue davon trinken werde im Reich Gottes.     Markus 14, 22-26

 

 

Liebe Gemeinde

Der »Grüne Heinrich« von Gottfried Keller war seinerzeit Pflichtlektüre im Deutschunterricht. Mir ist im Gedächtnis geblieben, daß der Dichter in diesem autobiographischen Roman auch über sein erstes Abendmahl schrieb. Und tatsächlich, ich fand die Stelle wieder: Eine Woche nach der Konfirmation mußte die Klasse nochmals zum Gottesdienst gehen zum ersten Abendmahl. Keller beschreibt dann genüßlich und distanziert die trockene Zeremonie: die trockenen Oblaten die erstarrte Feierlichkeit der reformierten Orthodoxie. Er empfindet rein gar nichts dabei – das Abendmahl ist sozusagen blutleer!

Ein Gegenstück: Ich steige die Treppe zum Pfarrhaus hoch. Mein Nachbar ruft von der Terrasse: »Komm, setz dich doch zu uns.« Um den Tisch sitzen das Ehepaar und seine Schwester und auf dem Tisch sind Brot, Kapern und Weißwein von seinem eigenen Weinberg. Wir trinken, essen und sprechen miteinander und vergessen die Zeit. Da denke ich: So sollte es eigentlich sein: ein Mahl unter Freunden.

Wie war das am Abend vor Jesu Hinrichtung? Jesus hat mit seinen Freunden das Passamahl gehalten. Es erinnert an die Nacht vor der Flucht aus Ägypten. Am Passamahl kommt nicht vorbei, wer das Abendmahl verstehen will. Dazu gab es Brot, das alltäglichste Lebensmittel damals. Aber auch Wein, der in Palästina nur bei festlicher Gelegenheit ausgeschenkt wurde. Wir erinnern uns an die Hochzeit zu Kana.
Brot und Wein haben das Essen umrahmt: Nach dem Tischgebet nahmen sie das Brot und am Schluß des Essens reichte Jesus ihnen den Becher mit Wein. Dazu sagte er laut Markus einfache Worte: Mein Leib, mein Blut des Bundes. 15 Jahre zuvor hat Paulus die sogenannten Einsetzungsworte im Korintherbrief
[1] festgehalten. Sie sind wahrscheinlich authentischer. Darum verwendete die Kirche beim Abendmahl immer die Worte von Paulus, dem ältesten Zeugen Jesus Christi: Der Herr, Jesus, nahm in der Nacht, da er ausgeliefert wurde, Brot, dankte, brach es und sprach: Dies ist mein Leib für euch. Das tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso nahm er nach dem Essen den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr dieses Brot eßt und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis daß er kommt. Die Forscher nehmen an, dass in der Folge innert kurzer Jahrzehnte die beiden Sätze vereinfacht und parallelisiert wurden, wie wir sie eben dann bei Markus finden: Das ist mein Leib, das ist mein Blut. 
Da ist übrigens noch gar kein magisches Verständnis dabei, wie es dann später aufkam, daß das Brot zwar aussehe wie Brot, aber eigentlich Fleisch sei, daß der Wein aussehe und schmecke wie Wein, aber eigentlich Blut sei. Logischerweise haben die Leute das nicht verstanden. Wenn der Priester später sagte: Hoc est corpus (Das ist Leib) – dann wurde das für die Menschen zum »Hocuspocus« verballhornt. Wir trinken kein Blut. Als Student in Marburg war ich im ersten Moment verwundert, als ich im Abendmahlskelch Weißwein entdeckte. Natürlich: es ist Wein und nicht etwa Blut. Auch in der Welschschweiz gibt es Reformierte, die das Abendmahl mit Weißwein feiern.

Was meinen wir denn wenn wir sagen: Das ist der Leib? – Schauen sie hier diese Hunderternote. Ich sage: Das sind 100 Franken. – Nein, das ist doch nur ein Stück Papier. – Aber wenn ich damit einkaufen gehe, dann bekomme ich für dieses Papier soviel wie für 100 Einfränkler (die bis 1969 ja als Silbermünzen ungefähr diesen Wert repräsentierten). Auf der Hunderternote garantiert die Unterschrift des Nationalbankpräsidenten den Wert. Beim Abendmahl garantiert Jesu Wort, daß gilt, wofür das Abendmahl steht. Drei Dinge nämlich stimmen bei allen Abendmahlsberichten überein:

Erstens verkörpert das Abendmahl, was Gott uns durch Jesus schon geschenkt hat: nämlich Jesus Christus selbst: Leib und Blut bedeuten für uns Leib und Leben. Das Blut ist ja auch ein besonderer Saft. Wenn ich sagte, Gottfried Keller habe das Abendmahl »blutleer« erlebt, weist dies doch gerade darauf hin, daß Blut für das Leben schlechthin steht. Und wenn schon Menschen Blutsbrüderschaft schließen können, dann wollen wir daran denken, daß Gott mit seinem Volk beim Bundesschluß am Sinai Blutsbrüderschaft geschlossen hat[2]. Oder ein paar Wochen zuvor beim Passa in der Nacht vor dem Exodus aus Ägypten. Interessant ist übrigens der Name Passa: Die Forscher sind überzeugt, daß Passa »Vorübergehen« bedeutet. Die Israeliten mußten bekanntlich ein Lamm schlachten und Blut an den Türpfosten streichen. Wie wenn Gott sagen wollte: »Ihr gehört mir, an euch geht der Strafengel vorüber.« Das Gericht geht vorüber an denen, die unter Gottes Schutz – wir sagen unter Jesu Christi Schutz – stehen.
Das nimmt Jesus auf. Er selber steht wie das Passalamm ein für die Menschen. So wichtig sind wir Gott, daß er sich ganz in die Gemeinschaft mit uns hineingibt, bis zum Letzten, bis aufs Blut. In Jesus Christus gibt Gott seine endgültige Erlösung vorweg und schenkt sie uns Menschen.
Ich weiß schon: Viele tun sich heute schwer mit dem Blut Christi. Sie denken: Was ist das für eine blutrünstiger Gott. Aber da passiert ein gravierender Fehler. Es muß einmal gesagt werden, laut und deutlich: im ganzen Neuen Testament wird nirgends gesagt, daß Gott versöhnt werden müsse, daß er ein Blutopfer brauche, um sich versöhnen zu klassen. NEIN! Gemäß des Neuen Testamentes müssen WIR versöhnt werden mit Gott. So wie das Kind, wenn es etwas angestellt hat, von der Mutter versöhnt, d.h. wieder in die Familie zurück geholt werden muß.
Genau dies bezeugt das Evangelium: Bis zum Letzten, bis zur Hingabe von Leib und Leben hat Gott die Gemeinschaft mit uns, die Liebe durchgehalten.

Zweitens verkörpert das Abendmahl den Bund. Da werden Menschen mit Gott und untereinander verbunden. Wie eine Seilschaft in der Nachfolge des sicheren Tourenführers. Mehr noch: Zusammengebunden sind sie, da kann man sich nicht dispensieren, auch wenn man es vielleicht gerne wollte. Schauen wir nur schon die Tischgemeinschaft Jesu an. Ehrenwerte Kleinbürger wie die Fischer zusammengebunden mit Prostituierten, oder der Zelot Simon, ein gewalttätiger Widerstandskämpfer zusammengebunden mit dem Zöllner Levi, der mit den Römern gemeine Sache macht. Sie sind verbunden und können nicht weg. Gar nicht so einfach: Der Gottesbund kann nur in einer Tischgemeinschaft Wirklichkeit werden, in der auch verknorzte Konservative sich dem öffnen, wofür sehr Linke sich so leidenschaftlich wehren - und umgekehrt.
Paulus kann im Blick auf das Abendmahl der Korinther etwa sagen: es muß ja fast Krach unter euch geben
[3].

Drittens ist es das fröhlichste Mahl und ein Vorgeschmack des Himmels. Jesus spricht im Bild von der Zukunft jenseits der irdischen Todesgrenze: da ich aufs Neue davon trinken werde im Reich Gottes Ein Mahl voller Hoffung über die menschlichen Grenzen hinweg.

So versuche ich zusammenzufassen:
Das Abendmahl ist die Erfüllung des Passamahles: Es ist das Zeichen der Vorweggabe der endgültigen Erlösung. Das Passa bedeutet erstens das Vorübergehen des Gerichts, endgültige Zusage des Bundes in Christus.

Zweitens ist es das Zeichen des Bundesschlusses: in der Tischgemeinschaft nimmt der Leib Christi Gestalt an.

Drittens ist es ein Mahl mit Perspektive. Es ist das Mahl für den Auszug und die Wanderschaft: Israel zog aus zum gelobten Land. Ohne das Ziel hätten sie nicht aufbrechen müssen und wollen. So gilt es für uns: Das Ziel, das Gottesreich, ermutigt uns zum Aufbruch: Hier und jetzt ist noch nicht alles.

So ist das Abendmahl für uns ein Pfand für die Vorweggabe und ein Ausschauen danach und Wegzehrung auf der Wanderschaft, bis wir einst ganz in die ewige Gemeinschaft mit Gott und darum auch miteinander eingehen dürfen.

Amen


 

[1] 1. Korintherbrief 11,23-26

[2] Ex 24,8 Als Symbolgeste besprengt dort Mose das Volk mit Blut

[3] 1.Kor 11,19

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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