Predigt am 1. März 2009 in Meilen ZH

Pfr. Mathias Rissi

 

Markus 9,23 und 24

 

In der Mitte der Geschichte von der »Heilung des besessenen Knaben«  stehen die Verse:

Jesus aber sagte zu ihm [zum Vater des Knaben]: Was soll das heissen: Wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt.

Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!

 

 

Liebe Gemeinde

Alles ist möglich, dem der glaubt! – Das ist ein Wort, das Millionen hungrig nach Glauben machen könnte, ein Satz bei dem man jede Silbe auskosten möchte: Wer glaubt, kennt keine Grenzen! Alles ist möglich!

Mit dem elektrisierenden Slogan: Yes, we can! hat Barack Obama die Mehrheit der amerikanischen Wählerschaft auf seine Seite gezogen. Nach acht Jahren ruinöser Bush-Politik und zusätzlich mit der durch den Neoliberalismus verursachten Weltwirtschaftskrise liegt fast alles in Scherben. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Resignieren oder  zu sagen: Es gibt viel zu tun, packen wir es an! Nur mit dieser Einstellung ist überhaupt etwas zu hoffen.

Den Urtyp für diese »Alles ist möglich«-Haltung finde ich in den Sagen des klassischen Altertums beim Helden Herakles. Er hatte bekanntlich zwölf Heldenstücke zu vollbringen. Eine davon war: Er sollte den Stall des Königs Augias in einem Tag ausmisten. Das Problem ist, daß Augias 3000 Rinder hatte und der Stall 30 Jahre nicht ausgemistet worden war… König Augias war sicher, daß Herakles mit der Mistgabel in der Hand an dieser unappetitlichen Aufgabe hoffnungslos scheitern und als Halbgott entehrt würde. Aber Herakles müßte nicht Herakles sein: Yes, we can! – kurzerhand riß er eine Seitenwand des Stalles auf und leitete zwei Flüsse aus der Umgebung um durch den Stall. Durch eine zweite niedergerissene Wand konnte die unappetitliche Brühe weggespült werden. Und schon hatte er Augias' Stall mit Bravour ausgemistet.

Solche Augiasställe gibt es zuhauf. Vielleicht sind es aber gar nicht sie, die uns heute am Krankensonntag die Gedanken beschweren: Vielleicht ist es nur schon der Wunsch nach weniger Schmerzen, oder das Verringern der Angst. Jemand trägt schwer an der Diagnose, die der Arzt gegeben hat, oder an einem Streit. Und es ist eine bange Frage: Habe ich die Kraft, schaffe ich es, komme ich da durch?

Schaffen wir's wirklich? Ist dem der glaubt, wirklich alles möglich? Wenn wir den Berg der Probleme anschauen, wachsen die Zweifel. Und im Zweifel sagen wir rascher mutlos: Nein, da hilft der stärkste Glaube nichts. Einen Berge versetzenden Glauben[1], von dem Jesus spricht, habe ich den? Der Glaube, daß ich es schaffe, nein, er reicht nicht. So geht es vielen.

Nun ist es freilich wichtig, auf den biblischen Bezug zu achten. Da liegt, nach den Symptomen zu urteilen, ein schwerer Fall von Epilepsie vor. Der Vater des kranken Knaben bittet Jesus, zu helfen. Nachdem alle andern Heiler, Ärzte, Fromme und Jünger nicht helfen konnten ist er Gott sei Dank an den Rich­tigen gelangt mit seiner Bitte: »… wenn du etwas vermagst, so hilf uns und hab Mitleid mit unsJesus aber sagte zu ihm: Was soll das heißen: Wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt. Dem Vater entfährt ein Schrei aus tiefster Verzweiflung: Ich glaube! Hilf meinem Unglauben! So glauben kann ich nicht, kein Mensch kann so glauben! Es ist menschenunmöglich.

Vor 28 Jahren in meiner ersten Konfirmandenklasse habe ich einer Konfirmandin diesen Spruch mit auf den Lebensweg gegeben. In der Jungen Kirche haben wir uns dann ein paar Jahre darauf über die Sprüche unterhalten. Sie erzählte: »Ich habe mich sehr über den Spruch gefreut: Alles ist möglich, dem der glaubt! – Ich glaube ja und bete, mache in der Jungen Kirche mit und nehme sogar gelegentlich am Gottesdienst teil.« Es sei dann vieles wirklich gut gelaufen in der Lehre und im Freundeskreis. Aber dann seien Rückschläge gekommen und damit auch die Zweifelsfrage: »Ich glaube doch, aber stimmt es jetzt doch nicht? Es ist ja doch nicht alles möglich!« Dann habe sie eine ganz erstaunliche Entdeckung gemacht: »Ich kann's nicht, aber der Glaube zeigt mir: Da ist einer, der mich begleitet und führt, wo es nicht nach meinen Wünschen geht: Christus. – Ich kann sogar Ja dazu sagen, wenn es nicht wie gewünscht klappte. Und ich kann hoffen, daß es trotzdem gut herauskommt. so habe ich wieder den Mut gefunden, ja, es stimmt: Alles ist möglich, dem der glaubt.«

Jetzt in der Passionszeit vergegenwärtigen wir uns, daß Gottes Weg zu den Menschen nicht an Weihnachten aufgehört hat. Er ist auf dem Weg weitergegangen, dem Weg des Leidens und der Finsternis. Christus kommt mir immer in den Sinn, wenn ich an die Worte des 23. Psalms denken: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Allein kann ich das nicht. Aber er ist im Schweren dabei, gibt Halt und Trost. Er ist dabei, mit ihm aber auch die ganze Verheißung und die Hoffnung – wegen der Auferstehung –, daß er aus dem finstern Tal zum Licht führt.

Am süffigen Satz: »Yes, we can!« ist eigentlich nur ein Buchstabe irreführend: statt des w braucht es ein h: »Yes HE can«. Ja, ER kann alles. Jesus kann's, durch sein Leiden und seine Auferstehung. Und als Zeichen dieses Heils, das einst die ganze Schöpfung umarmen wird, darf diese Heilung des epileptischen Knaben angesehen werden. Und als Zeichen dieses Heils dürfen wir all jene Geschenke Gottes ansehen, wo er uns bisher begleitet, getragen und Türen geöffnet hat.

Jene junge Frau hat mit ihrem Konfirmandenspruch entdeckt: Wenn ich auf IHN schaue, dann bin ich in Angst und Not nicht verloren, sondern ich weiß mich geborgen und geführt von Gott selber, von Christus. Dann will ich auch im finstern Tal vertrauen, nicht auf mich, weil es nicht an mir hängt, sondern auf Christus. An seinem Segen ist alles gelegen. Dann wage ich, zu tun und zu beten, worauf ich allein nie gekommen wäre. Dann erfahre ich den Berge versetzenden Glauben.

Er kann es – dann will ich ihn suchen, ihm vertrauen und es wagen: Alles ist möglich dem, der glaubt.

Amen


 

[1] mit diesem Jesuswort schließt der Parallelerzählung im Matthäusevangelium, Mt 17,20


 

Da die Ufwindpredigten jeweils schweizerdeutsch und frei gehalten werden, weicht die Druckversion vom gesprochenen Wortlaut ab und einzelne Vergleiche, Anekdoten können fehlen. Das gleiche gilt in geringerem Maße auch für die schriftdeutsch gehaltenen Sonntagspredigten.

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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