30. November 2008 - 1. Advent Predigt Pfr. Mathias Rissi Lukas 2,10-12
»Advent – Er kommt«
Und als sie sich
Jerusalem näherten und nach Betfage an den Ölberg kamen, da sandte Jesus zwei
Jünger aus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich
werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr. Bindet sie los
und bringt sie zu mir! Und wenn jemand euch Fragen stellt, so sagt: Der Herr
braucht sie, er wird sie aber gleich zurückschicken. Das ist geschehen, damit in
Erfüllung gehe, was durch den Propheten gesagt ist:
Sagt der Tochter Zion:
Siehe, dein König kommt zu dir,
sanft, und auf einem Esel reitend,
auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.
Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen befohlen hatte, brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf. Eine riesige Menschenmenge hatte auf dem Weg ihre Kleider ausgebreitet, einige schnitten Zweige von den Bäumen und breiteten sie auf dem Weg aus. Und die Scharen, die ihm vorausgingen und die ihm folgten, schrieen:
Hosanna dem Sohn
Davids!
Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn,
Hosanna in der Höhe!
Matth 21,1-8
Liebe Gemeinde
Die Adventszeit ist eine wunderbare Zeit. Wenn es sie nicht schon gäbe, dann müßte sie erfunden werden.
Zwar ist die
wirtschaftliche Lage sehr ungemütlich, die sorgenvollen Nachrichten stürmen auf
uns ein – aber ein feines Änischräbeli oder ein Zimtstern lassen einen auf
andere Gedanken kommen.
Zwar sind die Medien voll von Berichten über Terror, Entführung und Gewalt – da
lenken uns die Weihnachtseinkäufe etwas ab.
Zwar sind die Probleme der Völker in jeder Hinsicht gewachsen im neuen
Jahrtausend, Hunger und Krankheiten – aber wir zünden Lichter an, ein wahres
Meer von Lichtern, »Santaclauses and raindeers« und Sternen und fühlen uns schon
fast in einer Oase des Friedens.
Aber auch ganz ernsthaft: Die Adventszeit erinnert uns an unsere Sehnsucht nach
Wärme, Geborgenheit, Frieden und Licht – Die Finsternis gegen die sie ankämpfen
muß, scheint mir dieses Jahr sogar dunkler als sonst. Im Jahr 2008 wurden wir
radikal herausgefordert, desillusioniert, »Blasen« sind definitiv geplatzt. Da
sehnen sich nicht wenige nach der starken Hand, nach einem König oder
Heilbringer
Haben da die USA nicht ein
Riesenglück: Denn dort kommt einer, wie ein König: Barack Obama. Er soll alles
wenden und heilen. Er soll den Trümmerhaufen beseitigen, den ihm der Vorgänger
beschert hat.
Obama kommt wirklich daher wie ein König. Die Medien berichten zwar, er käme
lieber etwas bescheidener daher mit seinem eigenen Auto mit Hybridantrieb – als
Präsident geht es dann nur noch im Konvoi von über dreißig Fahrzeugen. Die
gepanzerte Präsidentenlimousine, mehrere Tonnen schwer, fährt gleich in
doppelter Ausführung mit, um allfällige Attentäter zu verwirren. Wenn der
Präsident der USA vorfährt, dann werden Straßen und Autobahnen gesperrt und ein
handverlesenes Publikum darf ihm nahekommen, allenfalls sogar die Hand
schütteln.
Auch im unserem heutigen Evangelium zum ersten Advent kommt ein König, auf den sich alle Hoffnungen projizieren: er soll Frieden unter den Menschen bringen und Frieden mit Gott, die Römer vertreiben und alle Not wenden - »Advent«[1] heißt »er kommt«. Er kommt. Nun ist das schon lange her. Wir wissen: Er ist schon gekommen. Heute erinnern wir uns mit dem Palmsonntagsabschnitt daran, daß seine Fleischwerdung ein Ziel hat: Mensch werden ohne Wenn und Aber und bis zum bittern Ende!
Ein seltsamer König allerdings, wie er auf einem Esel dahergeritten kommt. Oder sogar auf zweien: einer Eselin und ihrem Fohlen. Es gehe darin ein Prophetenwort in Erfüllung, weiß der Evangelist. Um des falsch verstandenen Prophetenwortes willen, muß Jesus im Bericht von Matthäus so unbequem sitzen und erst noch die Tierschützer auf den Plan rufen. Dabei hat Matthäus nur kein Hebräisch mehr gekonnt, sonst hätte er nur von einem Esel berichtet.[2]
Er kommt also auf einem
Esel daher. Und die Menschenmenge jubelt ihm zu. Sie wird innerhalb einer Woche
merken, daß sie eigentlich einen andern erwartet haben, und sie werden statt
»Hosanna« dann »Kreuzigen« rufen.
Aber die Menschen könnten es schon beim Einzug erahnen: Dieser König hat eine
andere Mission. Schon das Reittier weist darauf hin: ein Esel – mit einem
Erwachsenen Menschen drauf – das sieht für uns lustig aus. Ein Pferd wäre doch
viel eher standesgemäß für einen König.
Aber der Esel ist Programm. Gott ist auf den Esel gekommen. Nicht nur auf das
Tier. Hatte nicht schon Emil in seiner berühmten Nummer als Telegrafenbeamter
ausgerufen: »Ich Esel!« Gott hat uns Menschen wirklich erkannt. So will Gott
ganz bei den Menschen ankommen - sogar die Augenhöhe stimmt beim Mann auf dem
Esel. Zu einem Reiter hoch zu Roß hätten sie aufblicken müssen.
So fragt er uns: Wollt ihr
mich? Nicht als Wunderarzt oder Modeprediger, sondern als den nahen,
verletzlichen Mensch gewordenen Gott – es geht um nicht weniger als um die
Entscheidung für oder gegen Gott selber! Christus ist nicht gekommen, um nur als
Bild im Kirchenfenster verewigt zu werden. Er ist nicht gekommen um abzulenken
und zu vertrösten. Es geht mit dem Advent Jesu genau darum, daß sein Bild uns
fragt: Nimmst Du mich auf?
Schon der bekannte Mathematiker Blaise Pascal meinte, daß es sich lohnt genau
bei Jesus hin zu schauen: Wir können Gott erkennen, ohne unser Elend zu
erkennen, oder unser Elend, ohne Gott zu erkennen, oder gar Gott und unser
Elend, ohne das Mittel zu erkennen gegen unser Elends. Aber wir können nicht
Jesum Christum erkennen, ohne zugleich alles zu erkennen: Gott und unser Elend
und die Heilung unseres Elend, weil Jesus Christus nicht bloß Gott ist sondern
ein Gott, der unser Elend wieder gut macht.[3]
Also geht es darum, daß uns am König auf dem Esel die Augen für alle drei
aufgehen.
Jesus weiß, daß ihm in
Jerusalem der Tod droht. Aber er läßt sich davon weder abschrecken noch beirren.
Er reitet dem Tod entgegen, von einem ängstlichen Zögern ist nichts zu hören.
Gott will eben ganz bei seinen Menschen sein.
Pra’üs heißt das Codewort. pra’üs heißt sanft. Dieses Wort ist im
Matthäusevangelium schon einmal vorgekommen:
Kommt zu mir, all ihr
Geplagten und Beladenen: Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und
lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig; und ihr werdet Ruhe finden für
eure Seele[4].
Das ist eine großartige Einladung: Gott selber trägt das Joch mit. Jesus spricht
vom Doppeljoch, wo zwei Tiere die Last gemeinsam tragen. Christus trägt also mit
und ermutigt uns. Er lockt uns aus unserer Angst, unseren Krankheiten,
gesellschaftlichen Zwängen und unserer Lieblosigkeit heraus. Und verheißt
Frieden damit unsere Nacht und Dunkelheit ein Ende hat!
Wir brauchen nicht mehr
vor dem Leben in eine Glitzerwelt zu flüchten. Mit Christus an unserer Seite
stellen wir uns den Fragen und Herausforderungen: den kleinen im Alltag und die
riesigen, auch wenn wir finden, daß unser Handeln nur ein Tropfen auf einen
heißen Stein sei. Denn wir sind gewiß, daß Gott diese Welt liebt.
Ja, wir erwarten Jesus Christus, den König, der nach der biblischen Verheißung
einmal zur Vollendung erscheinen wird, der aber schon gestern, heute und morgen,
jeden Tag bei uns ist. Das haben die Menschen damals vor Jerusalem noch nicht
verstanden, zu gewaltig war die überwältigende Nähe und Gnade Gottes. Da sind
wir heute besser dran, die wir Christi Weg bis hin zu Karfreitag und Ostern
kennen. Noch ganz anders, auch mit unserem Leben wollen wir es voll Freude
sagen: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosanna in der Höhe!
Amen
[1] lat.: advenit
[2] In Sacharja 9,9 steht nämlich: …demütig und auf einem Esel reitend, auf einem Fohlen, einem Eselsfohlen. Im Hebräischen ist es üblich eine Gattung durch ihr Junges zu bezeichnen. Jeder alte Esel war einmal ein Jungtier. Sogar im Deutschen kennt man den Ausdruck Menschenkinder und meint damit auch Erwachsene. Schön läßt sich das auch in den nordischen Sprachen sehen, z.B. Johannsson.
[3] Pascal's Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Berlin 1840, S. 337
[4] Matthäus 11,28f
Zum Predigtverzeichnis Zur Hauptseite
Ufwind - Gemeindeaufbau der Evang.-ref. Kirchgemeinde Meilen