Der Missionsbefehl

Sonntag Trinitatis, 18. Mai 2008 

Predigt in der Kirche Meilen ZH - Pfr. Mathias Rissi

 

Matthäus 28,16-20  (alle Bibelzitate sind der Neuen Zürcher Bibel von 2007 entnommen)

 

16 Die elf Jünger aber gingen nach Galiläa, auf den Berg, wohin Jesus sie befohlen hatte. 17 Und als sie ihn sahen, warfen sie sich nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat zu ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. 19 Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, 20 und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende     

 

Liebe Gemeinde

 

Darum sind wir heute überhaupt hier zusammen gekommen. Jene elf Jünger damals haben den Befehl angenommen. Sie haben das Evangelium von Jesus Christus hinausgetragen in die weite Welt. Und das Evangelium hat diese Welt verändert.

 

Heinrich Böll wurde gefragt, weshalb er immer noch regelmäßig sonntags zur Kirche gehe, wo er doch aus der Kirche ausgetreten sei. Auf seine Inkonsequenz angesprochen, soll er gesagt haben, er sei ausgetreten, weil er all das Unrecht, das die Kirche in 2000 Jahren begangen habe, nicht ertragen könne. Die Christen ließen sich immer wieder von der Angst überwinden. Eine christliche Welt müßte anders aussehen. Aber die andere Vorstellung fände er noch »weit gespenstischer: wie diese Welt aussähe, hätte sich die nackte Walze einer Geschichte ohne Christus über sie hinweggeschoben.«

Und Böll fährt fort: »Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen. [...] Ich glaube an Christus, und ich glaube, daß 800 Millionen Christen[1] auf dieser Erde das Antlitz dieser Erde verändern könnten.«[2]

 

Ja, Jesus verteilt bei seinem Abschied nicht nette Worte, oder Orden und Geschenke, wie das beim Abschied gerne getan wird. Nein, er erteilt einen Befehl - einen Auftrag, der die Welt verändert hat. Und Gott sei Dank haben die Jünger gehorcht.

 

Sie hätten klein beigeben können: Wer sind wir denn? Das alles ist ein paar Schuhnummern zu groß für uns. Petrus mußte gewiß unweigerlich an sein Versagen denken. Nicht einmal sein Versprechen hatte er halten können, wie wollte er das mit dem Auftrag Christi dann schaffen?

Heißt es nicht: einige zweifelten? Aber Christus traute es ihnen und er traut es uns zu!

 

Zuerst fokussiert er ihren Blick auf die Gewißheit: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Das haben seine Menschen immer wieder zu buchstabieren. Denn das fällt uns oft ganz schwer: Nicht den Naturgewalten und Erdbeben, sondern Christus,  nicht den Mächtigen, nicht den Diktatoren ist sie gegeben, sondern Christus. Nicht den Sachzwängen und der Marktwirtschaft, sondern Christus. Ja, nicht einmal der Kirche, den Aposteln oder den Gläubigen, sondern Christus ist sie gegeben: alle Macht im Himmel und auf Erden.

Wenn wir um uns her schauen: Da bereitet uns so vieles echte Sorge. Wenn wir hinunter schauen auf unsere Hände und Füße, wohin sie uns tragen, wie wir handeln, so entdecken wir Unvermögen und Schuld. Darum lenkt Jesus Christus unseren Blick zurück: Es ist schon geschehen in seinem Ostersieg. Davon gilt es auszugehen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.

 

Darum: Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern. So lautet Jesu Missionsbefehl. »Missionsbefehl« klingt ein bißchen militärisch, wie »Marschbefehl«. So sollen die Jünger eben ausschwärmen und was sie erlebten weitersagen. Sie haben in Christus Gott vertrauen gelernt. Sie haben seine Liebe und Versöhnung erfahren. Sie haben Anteil an seinem Sieg über den Tod bekommen. Das muß weitergegeben werden. Dieses Evangelium macht ihr Leben hoffnungsvoll.

Bei ihrer Mission überschreiten sie immer wieder auch Grenzen. Dank dieser Grenzüberschreitungen sind wir in Europa überhaupt erst zum Evangelium gekommen. Hätten die Jünger gedacht – so wie es heute viele irrtümlich meinen – Religion sei Privatsache, dann wäre ihr Glaube eine Sonderform des Judentums geblieben. Mission, Aussendung gehört dazu.

Ganz gewiß sollen wir dabei nicht vergessen: Christus ist alle Macht gegeben. Es kommt immer schlecht heraus, auch bei Christen, wenn sie meinen, sie hätten die Macht. Da ging es in der Geschichte oft um das Ausdehnen der Wirtschaft und Kultur, aber nicht um die Verkündigung des Glaubens.

 

Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Die Taufe gehört dazu. Zu Beginn war die Taufe das Zeichen: Gott hat Ja zu mir gesagt. Und ich will zu diesen Menschen und zu Gott gehören. Ich verabschiede mich vom alten Leben. Ich habe jetzt im Leben eine andere Perspektive für die Gegenwart und fürs Leben nach dem Tod. Taufe ist wie das Seil eines Bergführers in tödlicher Umgebung von Fels und Eis. Wer sich an dieses Seil bindet, ist gerettet und wird die Gefahren überwinden und heil ans Ziel kommen.

 

Inzwischen taufen wir seit Jahrhunderten Kinder. Wir nehmen sie sozusagen an der Hand mit hinein in die globale Gemeinde der Christen. Dabei können die Jüngsten nicht einmal Ja oder Nein dazu sagen. Das ist nicht ganz unproblematisch. Es gibt deshalb viele Stimmen, die dafür sind, nur mündige Menschen zu taufen.

Heute Morgen werden wir dieses Problem aber letztinstanzlich nicht lösen können. Hingegen geht uns im Missionsbefehl ein Licht auf: Ihr Eltern und Paten, ihr Gemeindeglieder, Pfarrer und Lehrer, tut das Eure dazu, daß eure Kinder zu Jüngerinnen und Jüngern werden und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe.

Das ist ein ermahnendes Wort. Die einen verstehen darunter ganz klare Vorschriften zum Leben, ob man als Christ etwa Kartenspielen oder tanzen dürfe und daß Frauen keine Hosen tragen dürften. Darüber konnten sich vor hundert Jahren unsere Vorfahren noch ereifern. Heute macht es uns eher schmunzeln. Solche Ermahnungen brauchen wir heute nicht mehr. Allerdings hat sich im Verlauf der Jahrhunderte in unserer Kultur und in der Folge auch in der Kirche die irrige Meinung eingeschlichen, jeder könnte grad machen, wie er will. Selbst Paulus, der ganz radikal die Freiheit vom menschlichen Gesetz verkündete: »Alles ist mir erlaubt!« er wußte ebenso radikal: »aber nicht alles ist zuträglich. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf.«[3] Es gibt das Gesetz Christi, das der Liebe. Und wenn das nicht verbindlich ist, können wir gleich zusammenpacken. Ich bin sicher, daß gerade unsere Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich, also die Menschen darin, die Jüngerinnen und Jünger, also Du uns ich!, wieder Verbindlichkeit des Christseins und Verbindlichkeit im Glauben lernen müssen. Sonst sind wir nutzlos, weil man uns schlicht nichts anmerkt von unserer neuen Perspektive. Lehrt sie halten, macht es vor, sprecht davon, was ich euch geboten habe!

 

Und seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Dieser letzte Satz im Matthäusevangelium – Matthäi am Letzten genannt – faßt nochmals alles zusammen:

Mir ist alle Macht gegeben – sagt er den zweifelnden Jüngern und richtet unsere Blickrichtung zurecht.

Macht alle Völker zu Jüngern – gewiß, aber ob der Größe und Schwierigkeit des Auftrags könnte einem schwindlig werden, aber fangen wir an, wo Christus uns heute hinschickt, vielleicht in unserer nächsten Umgebung.

Tauft sie auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes – erfahrt sie als Zeichen, daß wir zur Seilschaft Christi gehören.

Lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe – und wir könnten verstummen, weil wir unsere eigenen Schwächen erkennen, und versuchen es dennoch, weil er vergibt und ermächtigt.

Und seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende – da atmen wir auf: Es ist nicht unsere Idee, sondern Jesus Christus wird uns begleiten.  Gottes Geist wird uns stärken und korrigieren und mitkommen in die Familien, an den Arbeitsplatz, in die Schule, ins Spital, in den Zug oder ins Auto und wir dürfen und können gesandte Gemeinde sein, eine Kirche unterwegs. Eine Kirche die nicht die Wahrheit besitzt, aber eine Kirche von Menschen, welchen Gott seinen Geist schenkt alle Tage bis zur Vollendung seines Reiches.

Amen


 

[1] Inzwischen wesentlich mehr: 2,1 Milliarden gemäß Encyclopædia Britannica  (2005), siehe  http://de.wikipedia.org/wiki/Weltreligionen

[2] Aus: Heinrich Böll, Eine Welt ohne Christus. In: Karlheinz Deschner, Was halten Sie vom Christentum?  München (List) 1957, S. 21 f.

[3] 1. Korintherbrief 10,23 

Pfr. Mathias Rissi

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