9. Februar 2003 - Predigt Pfr. Mathias Rissi


Jesus heilt den Knecht des Hauptmanns in Kapernaum. Matthäus 8,5-13

 

Liebe Gemeinde

 

Die Spitze dieses Berichtes steht wohl in der Mitte der Geschichte, wo Jesus sagt: Bei keinem in Israel habe ich so großen Glauben gefundenauch nicht bei denen die den ganzen Tag vom Glauben reden! Das ist eine Ermutigung für alle, die manchmal im Zweifel sind, ob sie auch recht glauben können.

 

Doch, beginnen wir vorn: Auf wie manchem Haus lastet solch ein Schicksal:

Mein Knecht liegt daheim gelähmt darnieder und leidet große Pein. Der Hauptmann spricht von seinem Burschen. Die griechische Sprache verwendet dafür das Wort pais (=Kind). Das zeigt, welche Verbundenheit und Verantwortung er  für den Knecht fühlt. Für seinen Burschen läßt er nichts unversucht. Wohl dem Kranken, der solche Fürsprache hat.

 

Der Offizier sucht Hilfe. Er kommt auf Jesus zu. Was ist sein Motiv? Am Ende das ewig gleiche: Not lehrt beten? Es ist eben tatsächlich oft so, daß wir erst in der Not uns wieder an Jesus erinnern und erst in der Sackgasse Gott anrufen. Mir kommt jener Mann in den Sinn, der bekannte: «Ja, es ist schon lange her. Das letzte Mal habe ich damals vor der Operation gebetet, da wird jeder weich.» – Aber wir wollen nicht rechthaberisch sein und zum Hauptmann sagen: Die Krankheit wird schon für etwas gut sein. So herzlos haben schon die Freunde Hiobs geredet und sind total falsch gelegen. Der Hauptmann hat recht, wenn er Hilfe sucht.

 

Ohne Umschweife gelangt er an Jesus – dorthin, wo er Hilfe erwartet. Er ist sich nicht zu schade. Dabei ist er ein heidnischer Offizier, ein Römer oder Syrer in römischen Diensten. Soweit wir erkennen, wußte sich Jesus aber in erster Linie nur zu den Juden gesandt (mit ganz wenigen Ausnahmen). Dennoch verspricht Jesus: Ich will kommen und ihn heilen.

Oder ist es eher eine Frage? Eine Gruppe von Handschriften des Matthäusevangeliums überliefert die zusätzlich die Frage Jesu: Antworte mir, soll ich kommen und ihn heilen?  Dies würde die Reaktion des Hauptmanns noch mehr  erhellen: Herr, ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach hineingehst… Ähnlich hat auch Simon der Fischer bei jenem wunderbaren Fischzug mit Jesus abgewehrt: Geh weg von mir, Herr! Denn ich bin ein sündiger Mensch. Vielmehr noch gilt es für den heidnischen Hauptmann: er weiß, für einen Juden ist es bemühend, unter dem Dach eines Heiden einzukehren, denn dadurch würde er kultisch unrein!

 

Der Hauptmann könnte das als arrogant empfinden und sich aufregen, aber er fährt fort: Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht geheilt werden! Er denkt und spricht wie ein Militär, dessen Alltag klare Strukturen bestimmen. Oben in der Hierarchie wird geplant und Befehle ausgegeben. Und dann setzt sich der Befehl von oben nach unten durch – über alle Stufen – bis er ausgeführt ist. Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Vorgesetzten steht, und unter mir habe ich Soldaten. Was befohlen ist geschieht. Das ist mein täglich Brot. Meine Macht ist klar umschrieben und begrenzt. Aber du gebietest aber noch ganz anderen Mächten. Darum komme ich jetzt, wo mein Bursche krank ist, zu dir.

 

Jesus reagiert verwundert und überrascht. Erstaunt sagt er: Bei keinem in Israel habe ich so großen Glauben gefunden  und er verheißt dem Hauptmann Tischgemeinschaft im Reiche Gottes. Und er spricht das lösende Wort für den Knecht.

 

Zwei Dinge, liebe Gemeinde irritieren uns an dieser Geschichte:

Zuerst: Da kommt ein  Heide daher. Er ist nicht unterwiesen im rechten Glauben, geschweige denn kennt er das Glaubensbekenntnis.
Im Sport gibt es so etwas wie den Heimvorteil. Die Mannschaft, die vor ihrem eigenen Publikum spielt ist besser dran. Der Heimvorteil hat zwar bisher in St. Moritz nicht viel genützt.
Auch kirchlich nützt der Heimvorteil nichts. Ja. Es gibt ihn nicht einmal: Unsere Vorfahren haben das Evangelium in die Welt hinaus getragen. Heute kommen Menschen aus aller Welt zurück und machen uns abendländischen Christen vor, was lebendiger Glaube ist. Wo wir mehr und mehr in unserer klassischen Art zu versteinern drohen.

Und das Zweite: Ist die berichtete Fernheilung nicht auch gefährlich, das grenzt an einen magischen Wunderglauben. Von so etwas distanzieren wir uns gewöhnlich mit klaren Worten. Darf sich rechter Glaube auf so etwas einlassen. Man müßte doch die Grenzen zwischen Jesus und einem fernheilenden Magnetopathen ernstnehmen!

 

Diesen zwei Irritationen entsprechen zwei faszinierende Züge, welche uns freuen und ermutigen.

Da ist der Hauptmann. Wie gesagt, was weiß er schon von Jesus? Von seinem Hintergrund, seiner Mission? Nichts! Aber er hat begriffen, daß hier die Person ist, die das lösende Wort hat! Das spürt er, darauf vertraut er und sagt es klar und gerade heraus
In dieser einfachen Klarheit ist er eine einladende Gestalt für uns, die wir uns gerne durch alle Eventualitäten hindurch absichern – und dann eben stecken bleiben in den Zweifeln und Vorbehalten – weil wir uns nicht loslassen können.

Und das Zweite: Es geht nicht in erster Linie um die Fernheilung, sondern tiefer darum, daß Jesus gekommen ist, sein lösendes Wort in die Welt hinein zu sagen. Seine Gegenwart zielt darauf, daß wir Menschen nicht nur gesund, sondern heil werden. So heil wie der Offizier. Ihm hat der Glaube das Heil geöffnet: Jesus sieht ihn schon an der Festtafel im herrlichen Gottesreiche sitzen neben Abraham, Isaak und Jakob, neben den Großen des Glaubens. Er, der namenlose heidnische Hauptmann sitzt dort auf einem Platz, den ihm die Frommen und Gesetzesfürchtigen nie gewährt hätten. Ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die 'den Heiland im Sack haben' und ganz genau Bescheid wissen, wer gerettet sei und wer verloren.


Dieser Hauptmann ist gewissermaßen unser Stellvertreter am Tische des Herrn. Nicht durch Geburt als Erbe, sondern durch Gottes Gnade und Einladung ist er dort. Wenn er dorthin gehört, dann dürfen auch wir uns freuen.

 

Hier ist die Heilung geschehen – aber nicht immer geschieht ein Wunder. Wo Jesus vorbeigekommen ist, hat er eine Spur von Heil und Hoffnung hinterlassen. Aber Jesu Wirken damals war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Alle Heilungen haben Krankheit und Tod nicht besiegt. So ist es bis heute geblieben. In manchem Haus und manchem Krankenbett liegt ein Mensch unheilbar krank. Und auch für ihn glaubt jemand und bringt ihn in der Fürbitte zu Jesus. Wir aber wissen ganz genau, daß unser menschlicher Weg nicht um Krankheit und Tod herumführt.

 

Jesus traut dem Glauben des Hauptmanns schön viel zu und verheißt: Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Der Hauptmann hat vorerst nur einmal das Wort Jesu. Daß es in Erfüllung geht, das sieht er im Augenblick noch nicht. Gewiß gehört er zu den Glücklichen, wenn er schon nach seinem kurzen Nachhauseweg vom Glauben zum Schauen kommt.

Unser Glaube wächst nicht auf dem Boden der Wunder, sondern er ist schon vorher da, so wie beim Hauptmann. Unser Glaube weitet unseren Blick, daß wir Gottes Herrschaft und seine Wunder in unserem Leben bereits wahrnehmen können, auch wenn es vordergründig oder oberflächlich nicht zu erkennen ist.

Wenn nun der Hauptmann, der von Jesus so wenig wußte, vertrauen konnte, wieviel mehr  wird es uns bedeuten, wenn wir uns an den Herrn halten, von welchem wir wissen, daß er nicht nur Heilung, sondern Leben und Heil bringt.

Der Hebräerbrief faßt es in 11,1 so zusammen: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Amen

 

Pfr. Mathias Rissi

 

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