Gottesdienst am 22. November 2009 in der Kirche Meilen

Totensonntag/Ewigkeitssonntag -  Pfr. Mathias Rissi Offenbarung 21,1-7

 

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind
vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und die heilige Stadt, ein neues Jerusalem, sah ich vom
Himmel herabkommen von Gott her, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.
Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen:
Siehe, die Wohnung Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine
Völker sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein, ihr Gott. Und abwischen wird er jede Träne von
ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, und kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal
wird mehr sein; denn was zuerst war, ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er sagt: Schreib, denn diese
Worte sind zuverlässig und wahr. Und er sagte zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der
Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben,
umsonst. Wer den Sieg erringt, wird dies alles erben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir
Kind sein.
Johannesoffenbarung 21,1-7

 

Liebe Gemeinde
In der Zeit der dunklen Novembertage geht das Kirchenjahr zu Ende. In einer Woche beginnt
schon das nächste mit dem ersten Advent. Am Ende des Kirchenjahres aber gehen die Gedanken
zurück. Einige unter uns heute sind besonders zu diesem Gottesdienst eingeladen worden, weil
sie einen Menschen verloren haben, den sie mehr oder weniger betrauern. Ihr Blick wendet sich
noch einmal zurück zu dem Menschen, der nicht mehr unter den Lebenden ist. Sein Grab ist
frisch geschmückt. Oder es ist noch ganz frisch. Das Herz tut manchmal noch sehr weh und die
Tränen sind zuvorderst.

»Siehe, ich mache alles neu!« - Johannes, der Seher der Offenbarung, hat etwas gesehen, das kein Bild
festhalten kann. Eigentlich hat er nur in den heiligen Schriften geforscht – dort in der
Verbannung auf der Insel Patmos. Dabei ist er hinein geraten in die Macht der Worte. Er ist dem
Lebendigen begegnet. Am Anfang schuf ER Himmel und Erde. Der erste Himmel und die erste
Erde werden vergehen. Der Kosmos wird sich erneuern. Das Urchaos wird nicht mehr sein. Alle
Bedrohtheit wird ihr Ende finden. Im Bilde sieht er die Stadt Gottes herabschweben und ihren
Platz, die ganze Schöpfung ausfüllen. Die Stadt des Gottesfriedens. Die ewige, heilige Hochzeit
wird gefeiert.

»Siehe, ich mache alles neu!« - Der Seher ist auch ein Hörer. Er hört die Stimme seines HERRN. Er
hat viel gelitten. Und mit ihm haben viele gelitten in den grausamen Verfolgungen unter Kaiser
Diokletian. Unsägliches ist ihnen widerfahren. Unerträgliche Schmerzen haben sie sie erduldet. Jetzt
stellt sich eine Vision ein. Jetzt dringt durch alle Schreie die e i n e Stimme:

»Siehe, ich mache alles neu!« - Heute sind wir am Ende des Kirchenjahres angekommen. In unseren
Erinnerungen gehen wir zurück. Wer im zurück liegenden Jahr einen Menschen verabschieden
mußte, soll heute gewiß werden: am Ende tut sich das Tor auf in ein neues Leben. Die Toten
sind von uns gegangen. Die Toten sind uns voraus.

Jeder und jede heute hier hat sein und ihr eigenes Leid erfahren. Auch in unserem je eigenen Leid
sind wir unverwechselbar. Als einzelne Menschen und Familien seid Ihr gekommen. Leid
vereinzelt uns. Heute führt es uns zusammen. Es führt uns zusammen, weil es bei Gott
angekommen ist und immer noch ankommt. ER sieht. ER hört. Unser Leid. Mit unseren
Leidensgeschichten kommen wir heute vor IHN.

Wir kommen mit unseren Erinnerungen. Am Ewigkeitssonntag, an dem wir unserer Toten
gedenken. Der Gottesdienst heute ist die Mitte, die die Lücke ausfüllt zwischen zwei
Bewegungen, die uns erfassen: Die Trauer, das Vermissen ziehen uns in die Vergangenheit. Die
Worte christlicher Hoffnung, die wir hören, ziehen uns in die Zukunft des GOTT-MIT-UNS –
Immanuel – so nennt ihn die Bibel. Und dieser Name hat seine Erfüllung gefunden in Jesus
Christus: ER ist GOTT-MIT-UNS.

Wir sind heute mit den Namen unserer Verstorbenen gekommen. Sie wurden alle genannt. In der
Stille die Namen derer, die vor längerer Zeit gestorben waren, auch sie klingen manchmal noch
nach. Sie werden alle genannt. Wir vertrauen sie Gott an, der spricht: »Ich bin das A und das O, der
Anfang und das Ende.« - Der Ewige und der Allmächtige. Er ist der einzige Befreier. IHM allein
überantworten wir unsere Toten. Sie sind nicht einfach weg. Sie leben auch nicht nur weiter in
der Erinnerung derer, mit denen sie gelebt haben. Sie gehören auf ihre Weise dazu. Die
Gemeinde der Heiligen ist eine Gemeinschaft von Lebenden und Toten. Heute werden wir an
die Gegenwart unserer Toten bei Gott erinnert. Wir werden sie nicht aus unserem Leben
streichen, sie einfach vergessen. Wir sollen mit ihnen leben können. So mit ihnen leben können,
daß wir frei werden von den Mächten, die uns positiv und negativ mit ihnen verknüpfen.
»Siehe, ich mache alles neu!« - Unsere Toten sind in Gericht und Gnade bei Gott. Es kann sein, daß
sie uns dann und wann noch einmal aufsuchen. In Träumen, in Gesichten (d.h. Visionen). Auch
sie brauchen eine Weile, um sich verabschieden zu können. In Gottes Reich werden sie die
Macht über uns weitgehend verloren haben.

Die Toten sind bei Gott. Deshalb haben wir sie nicht mehr zu fürchten. Nicht nur eine eheliche
Verbindung besteht, »bis daß der Tod uns scheidet.«. Wir dürfen annehmen, was die Toten uns
hinterlassen haben. Wir dürfen auch verändern, was die Toten uns hinterlassen haben. Die
irdische Beziehung, die uns einmal zusammen gehalten hat, ist zerrissen. Für eine »kleine Weile«
sind wir voneinander getrennt. Wir werden nicht wieder zusammen kommen, wie es einmal für
uns war. Wir werden in dem geistlichen Leib, mit dem Gott uns überkleidet, wieder vereint sein.
»Siehe, ich mache alles neu!« - Dem Seher von Patmos eröffnet sich der Machtraum der Worte aus
den heiligen Schriften. Er hört, er sieht: diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! Für unsere Toten ist
das Erste vergangen. Ihre Tränen sind abgewischt von ihren Augen. Der Tod ist nicht mehr. Leid
und Geschrei und Schmerz sind nicht mehr. Sie sind weiter als wir.

Doch auch wir sollen weiter gehen können. Die Menschen, deren Namen wir heute vor Gott
aufrufen, sind jetzt bei IHM. In ihrem Grab sind sie uns ganz fern. In Gottes Welt stehen sie uns
ganz nah. Sie haben unser Leben mehr oder weniger stark bestimmt. Insofern werden sie uns
immer gegenwärtig bleiben. Aber wir dürfen sie einmal auch in Ruhe lassen. Wir dürfen einmal
ohne sie unsere eigenen Wege gehen. Gott schenkt ihnen den Frieden. Mögen sie uns in Frieden
unsere Wege gehen lassen !

Am Ende des Kirchenjahres wird uns Hoffnung verkündigt. Mit dem Tod ist nicht alles aus, wie
so oft zu hören ist. Der neue Himmel und die neue Erde – Gottes Auferstehungswirklichkeit –
warten auf uns. Durch die Taufe ist uns die Kraft zugeeignet, Tod, Leid, Geschrei und Schmerz
zu überwinden.
Der lebendige Gott wird uns führen in Widerstand und Ergebung. ER trägt und begleitet uns zu
allen Zeiten. Durch Jesus Christus.
Amen

 

 

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