Auf den Spuren der Hugenotten

Familienferien in Südfrankreich 5.-12. Oktober 2002   

Etwas mulmig war's uns schon beim Gedanken, nur einen Monat nach dem schlimmen Unwetter nach Sommières zu fahren. Aber achtzehn unentwegte Expeditionsteilnehmer nahmen das Risiko auf sich. Bei bei schönstem, warmem Herbstwetter kamen sie in der einfachen Herberge an - ein ehemaliges stattliches Bürgerhaus im Besitz der Reformierten Kirche Frankreichs. Spuren des Unwetters waren nicht zu übersehen. Aber in den vier Wochen seit der Katastrophe war intensiv geräumt und geputzt worden. So fanden wir gastliche Aufnahme und wurden mit köstlichen Speisen und anspruchsvollen Picknicks verwöhnt. Der große als Park angelegte Garten hinter dem war willkommenes Abenteuergelände. Die Jungmannschaft konnte kaum genug bekommen vom Räuber-und-Police-Spielen.

Einige von den Kindern erlebten sogar zum ersten Mal das Meer. Kein Wunder, daß am Sonntag die erste Exkursion ins mittelalterliche Aigues-Mortes führte. Dort hinterließ der unblutige Stierkampf, den wir zufällig beim Rundgang hoch auf der alten Stadtmauer zu Gesicht bekamen, eher gemischte Gefühle (ein kleines Mädchen meinte, als es die Männer den Stier reizen sah: «So öppis würd ich mit mim Meersäuli nie mache!»). Tief prägte sich hingegen «la Tour de Constance» ein. In diesem Turm verbrachte Marie Durand 38 Jahre ihres Lebens mit anderen Glaubensverfolgten. Ihr Verbrechen: Sie war die Schwester eines protestantischen Untergrundpfarrers und selber Protestantin. Am Nachmittag genossen wir die Weite des Sandstrandes. Die Mutigsten wagten sich in Wasser.

Blau leuchtete der Himmel am Montag und ein frischer Wind pfiff uns um die Ohren in der "Geisterstadt" Les Baux. Diese mittelalterliche Festung gehörte einmal eine Raubrittergeschlecht und thront trutzig auf einem Felsen.

Frankreich hat im 16. bis 18. Jahrhundert einen schrecklichen «Bürgerkrieg» mitgemacht. Andres als in den übrigen Staaten Europas, wo der Landesherr die Konfession festlegte, hatten in Frankreich die Menschen lange Zeit die Möglichkeit, ihre Konfession selber zu wählen. Auch im Königshaus wechselte man mal von katholisch zu reformiert und umgekehrt. Die (schweizerische) calvinistische Reformation hatte in Frankreich großen Erfolg. Das Toleranzedikt von Nantes 1598 gewährte den protestantischen Bürgern 87 Jahre lang eine gewisse Religionsfreiheit. Als jedoch 1685 das Toleranzedikt von Nantes für null und nichtig erklärt worden war, brach eine schlimme Verfolgungszeit für die Hugenotten (die Reformierten) an. Hunderttausende flüchteten und fanden als tüchtige Handwerker und Akademiker willkommene Aufnahme in der Schweiz, den Niederlanden, in den deutschen Gebieten und Großbritannien. Dort trugen sie wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung Europas nördlich der Alpen bei. Für die Zurückgebliebenen jedoch begann eine Zeit der Repression und gewaltsamen Rekatholisierung. Die reformierte Kirche wurde damals fast ausgelöscht. In den schlecht zugänglichen Gebieten der Cevennen konnte sie sich im Untergrund jedoch neu formieren als l'église du désert, die «Kirche in der Wüste». Am Dienstag widmeten wir darum unsere Aufmerksamkeit dem  Musée du désert in Mialet. Dort erinnern eindrückliche Dokumente und Gegenstände an diese Verfolgungszeit. Am Nachmittag genossen wir die Fahrt mit dem Cevennendampfzug von Anduze nach St. Jean-du-Gard und zurück. Oft verengt sich dort das Tal zur Schlucht. Mit Tunnels und vielen Brücken überwindet die Museumsbahn die anspruchsvolle Strecke. Ein Vergnügen für jung und alt.

Am Mittwoch goß es aus Kübeln. In der ganzen Region wurde «Alarm orange» ausgegeben (Überschwemmungsvorwarnung). Sie hatten den Horror von Anfang September eben in frischester Erinnerung. Unser Regenprogramm führte uns in die "Grottes des Demoiselles" in eine fantastische Höhlenwelt mit Tropfsteinen und gigantischen Sälen. Die größte Höhle ist 60 m hoch.

Donnerstag war auf Nachmittag Wetterbesserung angesagt. Die eine Hälfte erkundete mit Helm und Lampe ein stillgelegtes Kohlebergwerk während die andere in Grau-du-Roi im Seaqarium die Vielfalt der Meerestiere bestaunte.

Freitag war wieder kompromißlos sonnig. Höchste Zeit für den Pont-du-Gard. Wer ihn von früher kannte, war allerdings ein Bißchen enttäuscht, weil der Zugang nicht mehr erlaubt ist. Eindrucksvoll bleibt er gleichwohl. Am Nachmittag zog es die Gruppe nach Nîmes, der heimlichen Hauptstadt des Midi. In den Arènes de Nîmes veranstalteten wir unsere eigenen Stierkämpfe.

Viel zu schnell war die Woche zu Ende. Wir zelebrierten den Schlußabend mit Singen und Spielen wie schon an anderen Abenden zuvor. In guter Erinnerung bleibt die "zfrideni Atmosphäre", die persönlichen Gespräche, die besinnlichen Zeiten... Kein Wunder, daß einige der Teilnehmer bereits im Ufwind vom 26.10. schon wieder Vorschläge für die nächsten Familienferien gemacht haben.
 

Bericht von der Familienferienwoche 2003 in Petra Ligure

 

Ufwind - Gemeindeaufbau der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Meilen

 

 

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